Donnerstag, 11. September 2008

Unterwelten-Ausstellung wird im Mainzer Ex-Knast eröffnet

„Betreten der Anlage auf eigene Gefahr“, steht vorsorglich am Übergang vom Landgericht zur ehemaligen Justizvollzugsanstalt. Hier fand die Eröffnung der Ausstellung „Mainzer Unterwelten“ statt, die nun bereits zum zweiten Mal in Mainz gezeigt wird.

Verunsicherung steht in manchen Gesichtern der Eröffnungsgäste geschrieben. Einige werden ganz still, als sie die schmalen Metalltreppen hinunter steigen. Andere machen schlechte Witze, lachen ein wenig künstlich über die ungewohnte Situation, durch die Gänge eines Gefängnisses zu laufen. Wer einen Blick in die Zellen riskiert, wird mit Knastprosa von der ganz direkten Sorte belohnt. Viele Sätze eigenen sich nicht zum Abdruck in einer Zeitung, sie sprechen von Hass, Gewalt und Demütigung. Ganz oft aber haben die früheren Insassen bloß ihren Namen verewigt. „Verräter“, prangt an anderer Stelle, daneben ein kompletter Name. „Gott schütze uns vor unseren Freunden“, schickt einer ein Stoßgebet heraus, ein anderer konstatiert: „Und wieder ein Tag verschenkt“.

„Willkommen im Knast“, ruft Willi Kestel den zahlreich gekommenen Gästen gut gelaunt zu. „Die Justiz hat zwangsläufig zur Unterwelt, zur ganz und gar von Menschen gemachten Unterwelt, ein besonderes Verhältnis“, sagt der Präsident des Landgerichts Mainz. Diesen Satz hat er auch in das Buch „Mainzer Unterwelten“ geschrieben, für das Bauingenieur Wolfgang Balzer und Fotograf Klaus Benz abgetaucht sind. „Der Menschen Unterwelt ist Teil der realen Welt, bisweilen ihr Spiegelbild“. Solcher Gedanke hat Mitherausgeber Rupert Krömer auf die Idee gebracht, eine Ausstellung der Bilder im direkten Zusammenhang mit der Justiz anzustrengen. Nun sind sie in den Fluren des Landgerichts zu sehen und stehen allen Besuchern zur freien Betrachtung zur Verfügung.

Justizminister Heinz Georg Bamberger macht sich auf die Suche nach dem Begriff „Unterwelt“ in Mythen und Sagen. Dort findet er eine „räumliche Vorstellung eines Ortes, der unter der normal zugänglichen Welt liegt“. Sie ist „dem Sonnenlicht entzogen“ und dort hört die „rational verlässliche Wahrnehmung“ meist auf. Auf jeden Fall findet Bamberger die ehemalige Justizvollzugsanstalt einen „wunderbaren Ort für die Eröffnung einer Ausstellung von Bildern, die sich mit den Mainzer Unterwelten befasst“. In Buch und Ausstellung werden zahlreiche Gewölbe unter der Stadt buchstäblich ans Tageslicht geholt. Vom Geldkeller der Bundesbank über diverse Wein-, Sekt- und Privatkeller bis hin zu Kirchenkellern von Altmünster oder dem Dom gewähren die Arbeiten einen Blick in die Untiefen von Mainz, wie sie nur selten zu sehen sind.

Krömer spricht dabei von „Achsen, die uns am Leben halten“, verortet im Erdreich Wurzelwerk, „das nach oben Früchte trägt“ und will „Brücken zwischen Schichtungen und Geschichte“ schlagen. Die werden zwischen Architektur, Wirtschaft, Kultur, Geschichte und Justiz gebaut und verbinden neben den verschiedenen Ansichten auch ganz unterschiedliche, mitunter gar gegensätzliche Welten.

Die Ausstellung im Landgericht (Eingang Diether-von-Isenburg-Straße“ ist bis zum 19. Dezember zu sehen.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz
Foto: hbz / Jörg Henkel

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