Mittwoch, 24. Dezember 2008

*** Frohe Weihnachten ***

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein frohes Fest, einige ruhige und erfüllte Stunden sowie Zufriedenheit, Gesundheit und viele schöne Momente im kommenden Jahr!

Montag, 22. Dezember 2008

Wiesbadener Knabenchor mit Bach und Jazz

Was Roman Twardy in den vergangenen sieben Jahren geleistet hat, ist schon enorm. Als der den Wiesbadener Knabenchor nach einer Phase mehrerer Chorleiterwechsel und unsicherer Finanzierungslage übernommen hatte, wagten wohl nur die Optimisten eine Prognose, die dem heutigen Ist-Zustand nahe kommt. Nach und nach ist es dem Musiker und Pädagogen gelungen, durch intensive Nachwuchsarbeit und einer Mischung aus künstlerischer Förderung und Forderung den Chor zu immer größeren Aufgaben zu führen. Dazu gehört auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung, das den Sängern abverlangt wird. Zum Ende dieses Jahres konnte der Wiesbadener Knabenchor nun ein beachtliches Vorweihnachts-Konzert in der evangelischen Kirche Schlangenbad und der Wiesbadener Ringkirche absolvieren, in dem Tradition und Aufbruch geradezu symbolisch auf dem Programm standen.

Mit „Jesu, meine Freude“, der bekannten fünfstimmigen Motette von Johann Sebastian Bach wurde das Feld der seit Jahrhunderten überlieferten Tradition bestellt. Schon hier zeichnete sich der Chor durch sehr klaren und sauberen Klang aus. Aufmerksam reagierten die Sänger auf Twardys mitunter sehr detaillierten Angaben. Sicher in den Harmonien konnte der Chor insbesondere die Struktur der Choräle akkurat durchleuchten und transparent vermitteln. Etwas wackelige Stellen, die es auch zu umschiffen galt, konnten das Gesamtbild nicht wesentlich trüben. Zeigte die erfolgreiche Bewältigung solcher Hürden doch auch, mit welcher Konsequenz und welchem musikalischem Spürsinn die jungen Sänger hier ans Werk gehen.

Neue Wege ging der Wiesbadener Knabenchor mit Christoph Schönherrs „Magnificat – The groovy version of OX“. Der Untertitel spielt auf den Entstehungsort, die Landesakademie Ochsenhausen an, die für zahlreiche Chöre eine Heimstätte für die intensive Auseinandersetzung mit der Musik darstellt. Twardy hat damit ein Werk ins Programm aufgenommen, das zwar im Gestus populär und unterhaltsam daher kommt, im Detail die Sänger aber durchaus fordert. Auf das Ergebnis können die Akteure stolz sein. Effektvolle Unisono-Passagen wurden von vollen Harmonien abgelöst, dazu fügten sich die Soli der Jazz-Sängerin Nanny Byl, die ihre warme und gehaltvolle Stimme bestens zur Geltung brachte, ideal ein.

Das Werk ist mit Blick auf die Befreiungstheologie in Lateinamerika geschrieben worden und weist dementsprechend mitreißende Rhythmen auf. Gekonnt sang sich der Wiesbadener Knabenchor von der Samba über abgehangenen Swing bis hin zum Gospel durch die Stile. Durch die Reihen hinweg war ansteckende Gestaltungsfreude erkennbar. Das „Glob'Arte-Ensemble sorgte für den notwendigen Schwung und bot sich als feinfühliger wie treibender Begleiter der Sänger an. Somit zeigte sich der Wiesbadener Knabenchor gut gerüstet für die vielen Veranstaltungen, die vor allem im übernächsten Jahr auf ihn zukommen. Dann wird der Chor 50.


Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt
Foto: http://www.wiesbadener-knabenchor.de/images/Wiesbadener-Knabenchor_2007_klein.jpg

Freitag, 12. Dezember 2008

Tan Dun ist ein Komponist, dessen Musik mehr Menschen kennen, als es ahnen. Der gebürtige Chinese, der seit 1986 in den USA lebt, hat viele erfolgreiche Filme mit Musik versehen. Darunter „Tiger & Dragon“, wofür er auch einen Oscar erhalten hat. In seiner Musik spiegeln sich Traditionen wider, die sich respektvoll vor einander verbeugen, aber keine bis zur Selbstaufgabe getriebene Symbiose eingehen. Im Gegenteil: Die Kontraste zwischen Alt und Neu, Ost und West und sicherlich noch vielem mehr, das der Hörer nur ahnen kann, sind Teil der raffinierten Inszenierung dieses außergewöhnlichen Klangschöpfers.

Dass er gerne hinter die Horizonte blickt, bewies er unter anderem, als er im Oktober vergangenen Jahres mit dem London Symphony Orchestra eine eigens für die Internet-Plattform YouTube komponiert Symphonie uraufführte. Das HR-Sinfonieorchester konnte nun in der Alten Oper den hohen Ansprüchen des enorm intensiv arbeitenden Komponisten, der seine Werke selbst dirigierte, mehr als bloß genügen. Im „Water Concerto“, das er in Erinnerung an den von ihm verehrten Künstler Toru Takemitsu geschrieben hat, entführte David Cossin die Zuhörer in die Klangwelt des Wassers, die entsteht, wenn es in halbkugeligen Becken bewegt wird. Wenn klares Wasser auf komplexe Klangstrukturen trifft, kommt zumindest in diesem Fall ein spannender Dialog heraus.

In „The Map“ begegneten sich die Traditionen allein schon optisch durch die Einspielung von Videos mit traditioneller Musik und den Einsatz des Solo-Cellisten Anssi Karttunen. Was chinesisch und was westlichen Ursprungs ist, ließ sich hier klar heraus filtern. Durch dieses Nebeneinander, das nie kontrovers eingesetzt wurde, entstanden ungeahnte musikalische Zusammenhänge, die dem Hörer unmittelbar zugänglich wurden und sich nicht hinter analytischem Überbau verbargen.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse und im Wiesbadener Kurier
Foto: http://www.tandunonline.com/files/press_drainwater_s.jpg

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Der Bariton Simon Keenlyside und der Pianist Malcolm Martineau gestalten in der Oper Frankfurt einen dicht vermittelten Liederabend.

Simon Keenlyside lässt sich Zeit. So heißt es, dass er stets mindestens eine Woche Zeit verstreichen lässt, um sich vom Liederabend auf eine Opernrolle (und umgekehrt) einzustellen. Die Verantwortung gegenüber der eigenen Stimme macht sich sicherlich bezahlt und auch das Publikum will den innerlich verarbeiteten Unterschied zwischen Oper und Lied deutlich gemacht bekommen. Gerade von einem Künstler, der mit beiden Genres einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Der britische Bariton durchlief die Chorschule des St. John's College Cambridge, ein Internat mit strengen Regeln. Die in diesen Jahren vielleicht einverleibte Ernsthaftigkeit glaubt man, in seiner Liedinterpretation heraus zu hören. Er zerlegt die Mörike-Lieder von Hugo Wolf ähnlich genau wie die Auswahl an Schubert-Liedern, dennoch alle irgendwie anders und individuell. Die „Dichterliebe“ von Robert Schumann nach Heinrich Heines Text aber hinterlässt als geschlossener Zyklus besonderen Eindruck, wird von ihm als lebendige Einheit vermittelt. Der Sänger findet den besonders intimen Ton ebenso die tapfer verborgene Verzweiflung, die sich immer wieder Bahn brechen will. Oft auf wenige Zeilen reduziert schlägt er gemeinsam mit dem renommierten Liedbegleiter Malcolm Martineau vollendete Bögen. Zwischenzeitig lässt das Duo die Stimmung für einen kurzen Moment aufklaren, ein andermal blitzt ein sarkastischer Frohsinn durch. Beide Musiker sind wie geschaffen für die größtmögliche Verdichtung überbordender Emotionen, ohne jemals zu übertreiben und unglaubhaft zu wirken Martineau tritt zudem ungemein fein und weich in den Dialog ein und ordnet sich trotz manch verhalten wirkender Klänge niemals unter.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse