Sonntag, 29. März 2009

Kim Wilde auf Europa-Tournee

MAINZ. So richtig erfolgreich war Kim Wilde eigentlich nur ein paar Jahre in den 1980er Jahren. Doch die möglichst hohe Platzierung in den internationalen Hitparaden ist für eine echte Musikerin auch im Pop- und Rockgeschäft eben nicht alles. Als sie 1981 mit ihrem Hit „Kids in Amerika“ einschlug, hoffte sie sicherlich auch auf zahlreiche Nachfolger, doch es wurde zunehmend stiller um die 1960 geborene Britin, die als Tochter des Rock'n'Roll-Sängers Marty Wilde wohl genau wusste, wie das Geschäft läuft und mit welchen Höhen und Tiefen zu rechnen ist.

Und tatsächlich legte sie noch drei Mal nach. Ohrwürmer wie „Cambodia“, „You keep me hangin' on“ oder „You came“ haben ihr den Platz in der Ruhmeshalle der Rockmusik gesichert. Im Duo mit Nena gelang ihr vor sechs Jahren zumindest im deutschsprachigen Raum ein Comeback mit „Anyplace, Anywhere, Anytime“, dem sie noch einige respektable Verkaufszahlen folgen ließ.

In Mainz jedenfalls hat Kim Wilde eine ganze Menge treuer Fans, die offensichtlich aus allen Altersgruppen kommen. Mittelaltrocker um die 50 sowie die Generation 20 plus mischten sich im Frankfurter Hof munter durcheinander und feierten die quirlige blonde Frau, die zunächst in stilechter Lederjacke mit glitzernden Pailetten auf die Bühne gestiegen war. Die Rocker-Uniform musste sie aber schon nach wenigen Titeln der Scheinwerferhitze opfern.

Im Hintergrund wurde immer mal wieder Unterhaltsames an die Wand projiziert, darunter eine Auswahl Bademoden aus den 1950ern und eine Foto-Love-Story, den Frisuren nach zu urteilen vermutlich aus den 1970er Jahren. Außerdem schielte regelmäßig ein grimmig dreinblickendes Federvieh hinter der Bühne hervor, das mitsamt einer Rosenblüte als standesgemäßes Familienwappen herhält. Immerhin war Frau Wilde in Begleitung ihres Bruder Ricky (Gitarre) und Scarlett (Hintergrundgesang) gekommen.

Ihre Europa-Tournee hat einiges mit dem Erfolg zu tun, den ihr die Zusammenarbeit mit Nena auch nach dem Überraschungs-Hit wieder eingebracht hat. Ihren Fans in Deutschland hat sie den großen Zuspruch nicht vergessen. Und sie bedankte sich mit einer Kim-Wilde-Show, wie sie wohl alle erwartet hatten. Jaulende Gitarren, wummernde Bässe und stürmische Trommel-Kaskaden verwoben sich mit lange vermissten Synthesizer-Klängen. Klar, dass sie mit ihren Klassikern die Fans so richtig zum hüpfen brachte, doch auch das restliche Repertoire sorgte für exzessiv unkontrolliertes Zappeln in der heimeligen Klangwelt der Guten-Laune-Rock-Musik.

Veröffentlicht u.a. in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Donnerstag, 26. März 2009

Die Harfe im Mittelpunkt - Meisterkonzert in Mainz mit Xavier de Maistre

Für ausgefallene Programme sind die Meisterkonzerte in der Rheingoldhalle bekannt und geschätzt. An diesem Sonntag präsentiert sich die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit einem originellen Programm und internationalen Gästen.

An der Spitze des Orchesters steht der erste Gastdirigent George Pehlivanian, der bereits im Alter von 27 Jahren den Großen Preis des Dirigierwettbewerbs von Besancon gewann. Schon bald folgten Gastdirigate bei Orchester von Weltruf, er dirigierte die drei großen Londoner Sinfonieorchester, in der Mailänder Skala und bei den Moskauer Philharmonikern. Einige Jahre stand er der Slowenischen Philharmonie vor, ist aber nach wie vor als freier Künstler derart gefragt, dass er sich neben dieser kurzen Periode keinem Orchester mehr auf Dauer verpflichtete. Die Liste namhafter Ensembles und Solisten, mit denen er arbeitet, ist schier endlos. Der in Beirut geborenee und in Los Angeles aufgewachsene Dirigent zählt so berühmte Größen wie Pierre Boulez, Lorin Maazel und Ferdinand Leitner zu seinen Lehrern.

Auch der Harfenist Xavier de Maistre gehört zu den gefragten Vertretern seines Fachs. Der Franzose wurde am Konservatorium in Toulon ausgebildet und gewann die „USA International Harp Competition“. Am Alter von 24 Jahren wurde der Musiker, der auch Politische Wissenschaften in London und Paris studiert hat, Mitglied der Wiener Philharmoniker. Ähnlich wie sein Kollege Pehlivanian kann er auf eine beeindruckende Liste künstlerischer Partner verweisen. Seit 2001 unterrichtet er als Professor an der Musikhochschule Hamburg
und gibt regelmäßig Meisterkurse an der Julliard School New York, der Toho University Tokyo und dem Trinity College London. Kürzlich hat er seine Debüt-CD „Nuit d'Etoiles“ vorgelegt.

In Mainz Xavier de Maister gleich mit zwei Werken zu erleben. Zum einen hat er das berühmte Klavierkonzert D-Dur (Hob. XVIII:11) von Joseph Haydn, dessen 200. Todesjahr derzeit begangen wird, für Harfe und Orchester bearbeitet. Außerdem kommt das Konzert für Harfe und Orchester von Sir André Previn, der insbesondere als Orchesterleiter hohes Ansehen genießt, zur Aufführung. Damit unternimmt er einen Zeitsprung über mehr als 200 Jahre und stellt die musikalischen Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts der Gegenwart gegenüber. Previns Konzert kam erst im März vergangenen Jahres zur Uraufführung, während Haydns Klavierkonzert im Jahr 1784 veröffentlicht wurde.

Den zweiten Teil des Abends füllt Peter Tschaikowskis fünfte Sinfonie e-Moll op. 64 aus dem Jahr 1888 aus. Welchen emotionalen Turbulenzen der Zuhörer ausgeliefert sein soll, formuliert der Komponist selbst. In seinem Tagebuch schreibt er zum ersten Satz: „Völlige Ergebung in
das Schicksal, oder, was dasselbe ist, in den unergründlichen Ratschlag der Vorsehung“. Doch so einfach ist es wohl doch nicht, es geht nämlich mit „Murren, Zweifel, Klagen, Vorwürfe“ weiter, zum zweiten Satz heißt es dann: „Soll ich mich dem Glauben in die Arme werfen???“.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz
  • Das Konzert am 29.3. beginnt um 19.30 Uhr in der Rheingoldhalle.
  • Um 18.45 Uhr findet die szenische Einführung „Komponisten erzählen“ mit Peter Tschaikowski statt.
  • Karten zwischen 18 und 38 Euro gibt es unter 06133-5799991 oder
  • www.mainz-klassik.de

Dienstag, 24. März 2009

Bescheidene Inszenierung von Wagners "Tristan und Isolde" in Wiesbaden

WIESBADEN. „Tristan und Isolde“, so müssen auch eingefleischte Wagnerianer mitunter eingestehen, gehört zu den Opern, in denen die Musik zwar überzeugt, die Handlung jedoch arg spannungsarm bleibt. Es ist die alte Geschichte um die kräuterkundige Isolde, die auf dem Weg zum verhassten Bräutigam versehentlich den Brautwerber verhext und nach einer Phase des unerkannten Turtelns kurz nach seinem Selbstmord den „Liebestod“ wählt. Und diese übersichtliche Handlung will erzählt werden, soll die zahllosen bedeutungsschwangeren, autodidaktisch zusammen getrommelten dichterischen Phrasen Wagners, der wie immer das Libretto selbst geschrieben hat, überleben.

Tatsächlich wäre das, was Richard Wagner für seine Oper zusammen gedichtet hat, Stoff für bestenfalls zwei Stunden – nicht jedoch für mehr als die doppelte Zeit. Das stellt Regisseure in der Regel vor schier unlösbare Aufgaben. Denn was tun, wenn die Protagonisten einen kompletten Akt lang ihre ohnehin bloß durch Zaubertrank entstandene, dafür ewige und untrennbare Liebe ausbreiten und gemeinsame Todesfantasie herauf beschwören?

Auch Dietrich Hilsdorf hat am Wiesbadener Staatstheater keine schlüssigen Lösungen parat. Wie man es hier von ihm gewohnt ist, lässt er das Personal in düsteren Uniformen des 20. Jahrhunderts aufmarschieren und in entsprechenden Kellergewölben agieren. Auch der vermeintliche Salon der bürgerlichen Gesellschaft wirkt recht schäbig und lässt von königlichem Umfeld nichts erahnen. Wie auch, wenn König Marke als invalider Weltkriegs-General im Rollstuhl herein gefahren wird. Hilsdorf lässt seine Sänger in den von Dieter Richter eher luftleer eingerichteten Räumen weitest gehend allein. Außer mehr oder minder wohlgefälligen Theaterposen bleiben den überbeschäftigten Darstellern nichts übrig.

Wer jedoch für Spannung sorgt ist Generalmusikdirektor Marc Piollet mit dem Staatsorchester. Da werden gewaltige Klangmassen mit einer erstaunlichen Souveränität bewegt. Ohne auch nur eine Herausforderung zu scheuen, gestaltet Piollet über die weite Strecke hinweg Musiktheater in Bestform, sorgt dafür, dass die von Hilsdorf bloß gelegten Räume und Wagners teils arg banal hülsenartigen Textblasen nicht der Lächerlichkeit anheim fallen. Doch auch ihm gelingt es nicht immer, die leeren Längen seines Kollegen von Regie und Librettist zu überbrücken.

Die Mammutaufgabe musst auch von den Sängern bewältigt werden. Alfons Eberz, eigentlich die Wiesbadener Allzweckwaffe in Sachen Wagner, kann nicht durchgehend überzeugen, muss sich immer mehr und zu deutlich anstrengen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Turid Karlsen ist als Isolde in gleichem Maße gefordert und reagiert nach und nach mit sängerischer Gewalt, die dem Klang nicht gut tun kann. Dennoch stellen sie ein durchaus schlüssig aufeinander abgestimmtes, im Rahmen der Inszenierung überzeugendes Liebespaar dar. Als sehr aussagekräftig und das auch ständig, kann sich Silvia Hablowetz als Brangäne beweisen. König Marke wird von Bernd Hofmann ähnlich solide dargestellt, wie der Kurwenal von Thomas de Vries und Angus Woods Melot.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Freitag, 20. März 2009

Zwei Orchester, ein Klangkörper...

Das Konzert wirkt ein wenig wie die lange erwartete öffentlich wirksame künstlerische Legitimation einer politischen Entscheidung. In der Phönix-Halle waren so viele Stühle aufgestellt worden, die allein vom Philharmonischen Staatsorchester Mainz nicht hätten besetzt werden können. Doch Dank der Orchesterreform, die seinerzeit nicht nur Befürworter gefunden hatte, brauchte man nicht auf Heere von Aushilfen zurück zu greifen, um auf die 120 Musiker zu kommen, die notwendig sind, um Dmitrij Schostakowitschs Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43 aufführen zu können. Denn seit der Reform ist das Orchester eng mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie Koblenz verbunden. „Zwei Orchester, ein Klangkörper“, lautete dann auch euphorisch der Titel des Konzertes, das musikalisch ganz weit in den Osten deutete.

Doch zunächst nahmen vor allem die Gäste aus Koblenz Platz, um unter der Leitung ihres Chefs Daniel Raiskin das Konzert für Violine und Orchester d-Moll von Aram Chatschaturjan zu spielen. Das Werk hat dem berühmten Geiger David Oistrach einige Bekanntheit zu verdanken, steht ansonsten aber, wie eigentlich alle Werke Chatschaturjans, im Schatten seines „Säbeltanzes“. Als „volksfremd und formalistisch“ wurde er übrigens ähnlich wie Schostakowitsch Ende der 1940er Jahre in der Sowjetunion von politischer Seite hart bedrängt.

Das Orchester beeindruckte hier mit bissigen Einsätzen, der Solist Vadim Gluzman mit überlegenen virtuosen Passagen. Scheinbar mühelos schien ihm das Stück von der Hand zu gehen, gleichzeitig legte er ein hohes Maß an Empathie an den Tag. Das hellwache Orchester beteiligte sich an gewitzten Dialogen mit seinem Solisten, gemeinsam wurden krasse rhythmische Veränderungen präzise und mit großer Begeisterung umgesetzt. Furiose Solopassagen im Schluss-Satz mit rasanten, nicht enden wollenden Akkordbrechungen sorgten für stürmischen Applaus, der aber sicherlich auch dem Orchester galt, das dem Werk einen pulsierenden Charakter verlieh.

Schostakowitsch war schon 1936 mit den Stalinisten in Konflikt geraten. Er wählte den Weg der „inneren Emigration“, die in Lippenbekenntnissen zum System, aber auch in mehr oder weniger offen in seinen Kompositionen versteckter Kritik Ausdruck fand. Gerade in diese Zeit fiel die Komposition seiner vierte Symphonie, die mit ihrer fast einstündigen Spieldauer allein von der Dimension her einen Höhepunkt seines Schaffens darstellte. Die beiden vereinigten rheinland-pfälzischen Orchester konnten die mitunter surreal anmutende Klangsprache Schostakowitschs ungemein auftrumpfen lassen. Die kontrastreichen und oft scharf gegen einander konkurrierenden Motive wurden dabei nie der Beliebigkeit preisgegeben. Im Gegenteil: schlüssig und konsequent führte Daniel Raiskin das üppig besetzte Orchester zum Ziel Der Komponist hatte sein Werk seinerzeit übrigens selbst zurück gezogen und erst 1961 uraufführen lassen. Die Klangsprache schien Ende der 1930er Jahre noch keine Chance auf Akzeptanz gehabt zu haben.

Veröffentlicht u.a. in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

Sonntag, 15. März 2009

Zum siebten Mal kommt Alfred Kirchners Inszenierung von Puccinis „La Bohème“ auf die Frankfurter Opernbühne

FRANKFURT. Kaum ein Herz bleibt wohl unberührt, wenn es Mimi in ihren letzten Zügen auf der ärmlichen Matratze in der Künstler-Wohngemeinschaft sieht und den verzweifelten Rodolfo die bitteren Aufschreie angesichts der sterbenden Geliebten ausstoßen hört. Giacomo Puccinis „La Bohème“ gehört zu den meist gespielten Opern in Deutschland und sorgt auch an der Frankfurter Oper nach wie vor für ein volles Haus. Am 17. Januar 1998 feierte die Inszenierung von Alfred Kirchner Premiere, die Produktion hat sich bis heute zum Dauerbrenner entwickelt und wurde nun zum siebten Mal wieder aufgenommen. Neben der rührenden Geschichte und der entsprechend emotionalen Musik liegt das sicherlich auch an dem zurückhaltenden Regie-Konzept, das vor allem auf die Erzählung und die Darstellung durch die Sänger setzt. Diesmal präsentiert sich Younghoon Lee als ein starker, aber auch hin- und hergerissener Rodolfo. Die Rolle der Mimi übernimmt Maria Fontosh. Mitunter wirkt ihr Sopran etwas scharf, doch sie weiß mit ihrer Stimme geschickt umzugehen und sie vor allem dann, wenn es in der Höhe notwendig wird, dezent zu dämpfen. Christiane Karg ist eine Musetta, die zwischen Femme Fatal und besorgter Freundin gelungen wechseln kann und dabei stimmlich wie darstellerisch immer überzeugt. Unter der Leitung von Henrik Nánási ist das Museumsorchester stets bereit, die großen Gefühle und auch das scheinbar gedankenlos übermütige Leben der Bohèmians zu unterstreichen.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Foto: Oper Frankfurt

Dienstag, 10. März 2009

Wise Guys in neuer Besetzung

FRANKFURT. Die „Wise Guys“ sind zum ersten Mal in Frankfurt. Zumindest in dieser Formation. Nachdem Clemens im vergangenen Jahr ausgestiegen ist, um einem bürgerlichen Beruf nachzugehen, wurde die vakante Stelle regelrecht ausgeschrieben. 350 wackere Sänger hatten sich beworben und Nils aus Kiel hatte den Zuschlag bekommen. Seit Jahresbeginn tourt er mit den vier Verbliebenen durch die Lande und tritt nahezu Abend für Abend in einer anderen Stadt auf. Von den Fans in Frankfurt wird er begeistert gefeiert, auch, weil er nicht versucht, den Vorgänger zu imitieren. Er hat gute Chancen, die Rolle des „Sonnyboys“ einzunehmen, was die bisherige Besetzung aus Dän, dem Frontmann, Ferenc, dem stillen Bass, Sari, dem Spaßmacher und Eddie, dem verhuschten Intellektuellen mit dem Zivi-Charme gut ergänzt. Neu ist auch, dass sich die „Wise Guys“ nicht mehr als A-Capelle-Gruppe begreifen, sondern „Vokal Pop“ machen. Der Begriff Oralmusik stand auch zur Debatte. Bei so viel Neuem ist die Programm-Mischung angenehm ausgewogen. Ohrwürmer wie „Es ist nicht immer leicht, ich zu sein“ oder „Sonnenschein“ werden von tausend Kehlen mitgesungen. Das übervolle Raumschiff „Alte Oper“ bereist den Kosmos der Köln-Kieler Jungs im Schnelldurchgang. Originelle Premieren wie Ferenc' Lobgesang auf das Handy im Country-Stil oder die Posse vom „Mann, der alles zwei mal machte“, bereichern das Programm des Quintetts, das in mäßig modischer Aufmachung immer noch so wirkt, als kämen die Herren gerade aus dem Lehrerzimmer oder dem Jugendamt. Das macht sie trotz voller Hallen und mittlerweile auch eingetretener Chart-Erfolge so authentisch und damit sehens- wie hörenswert.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Sonntag, 8. März 2009

Don Giovanni verabschiedet sich in einer gelungenen Wiederaufnahem von der Frankfurter Opernbühne

FRANKFURT. Mozarts „Don Giovanni“ in der Inszenierung von Peter Mussbach ist ein wahrer Kassenknüller an der Oper Frankfurt. Wobei dieser Zustand bald der Vergangenheit angehören wird, da die Produktion im März noch vier Mal gespielt werden wird, um dann endgültig abgesetzt zu werden. Nun wurde die Inszenierung aus dem Jahr 1994 zum neunten Mal, nun unter der musikalischen Leitung von Hartmut Keil wieder aufgenommen. Der mitunter etwas bizarre Charme dieser Einrichtung hat immer noch nichts von ihrem Reiz verloren. Die fast natürliche Personenführung, die einen scharfen Kontrast zu der Bühnengestaltung mit ihren breiten Lichtflächen oder den wandelnden Häuser-Entwürfen, belebt das Stück ungemein. Mit Aris Argiris, dem neu gewonnenen Bariton, der sich für das Haus schon mehrfach als Glücksgriff erwiesen hat, steht ein Don Giovanni auf der Bühne, wie man ihn sich authentischer nicht vorstellen mag. Mit blitzenden Augen und kraftvoller, gleichermaßen kultiviert geführter Stimme, überzeugt er durchgehend. Ihm zur Seite, kaum weniger ideal besetzt, gibt Florian Plock sein gelungenes Rollendebüt als Leporello. Donna Elvira wird von Maria Bengtsson empathisch mit großem Schmerz ausgestattet, viel Applaus erhält Jussi Myllys als Don Ottavio. Hartmut Keil bringt das Museumsorchester mit Präzision und enormem Einsatz ins Ziel, bewältigt auch die schwierige Koordination von wandernden Bühnenmusikern und Sängern mit großer Übersicht.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Foto: Oper Frankfurt

Dienstag, 3. März 2009

Simone Kermes singt Händel-Arien (CD-Vorstellung)

Der Anlass ist klar, Georg Friedrich Händel ist vor 250 Jahren gestorben. Es ist nicht so, wie im „Mozart-Jahr“, dass man das an allen Ecken und Enden bemerken würde. Aber es gibt Veröffentlichungen, die buchstäblich aufhorchen lassen. So auch die Einspielung der Leipziger Sopranistin Simone Kermes und der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner. Sie habe nach „besonders schönen Arien“ gesucht, gibt sie zu Protokoll. Solchen, die einen möglichst vielfältigen Eindruck von Händels Opernschaffen wiedergeben sollten. Und tatsächlich entsteht ein Kaleidoskop an Emotionen: Liebe und Hass, Verführung und Rache, Todesahnung und Glückseligkeit.

„La Diva“ heißt das Album und nimmt damit nicht Bezug auf die Interpretin, sondern auf die italienische Sopranistin Francesca Cuzzoni, für die Händel die Arien geschrieben hat, die auf die CD gekommen sind. Sie wurde 1696 in Parma geboren und stand als 18-Jährige zum ersten Mal auf der Bühne. Sie bereiste ganz Italien, Komponisten wie Francesco Gsparini und Antonio Vivaldi schrieben da schon für sie. Nachdem sie sich an Venedigs renommiertem Teatro San Giovanni Gristostomo einen internationalen Ruf ersang, wurde sie ans King's Theater nach London geholt und gab ihr Debüt mit Händels Oper „Ottone“. 13 Jahre war sie dort ein gefeierter Star, dann kehrte sie 1736 nach Italien zurück. Doch das Glück hatte sie verlassen. Nachdem die Ersparnisse aufgebraucht waren, führte sie ein zurückgezogenes Leben und starb 1778 völlig verarmt in Bologna.

Simone Kermes brilliert auf der CD in jeder einzelnen Arie. Das „Se pietà di me non senti“, singt Cleopatra in „Giulio Cesare“ in dem Moment, in dem sie ihren Geliebten seinen Feinden überlassen muss. Fast zehn Minuten lang trägt ihre kultivierte, stets auf eine präzise klangliche Entwicklung ausgerichtete Stimme diesen Klagegesang, ohne an Intensität zu verlieren. Ganz anders wiederum die Eifersuchtsarie „No, più soffrir non voglio“ aus „Alessandro“. Hier prasseln rhythmisch pointierte Koloraturen auf den Hörer ein, Simone Kermes legt all ihre Energie in ein temperamentvolles Feuerwerk aus unzähligen Tönen.

Unterschiedliche Elemente finden sich in „Torrente cresciuto“ wieder, in der die intrigante Laodice aus „Siroe, Re di Persia“ zu der Erkenntnis kommt, dass nur der „Pfad der Tugend“ der einzig richtige Weg sein kann. Jubelnde Koloraturmomente stehen da neben den eher introvertierten, nachdenklich fragenden Passagen. Beide Aspekte vermittelt Simone Kermes in einer ungewöhnlichen Kombination aus Authentizität und Eleganz. Ohnehin ist ihr mit Unterstützung der stilsicher und höchst lebendig musizierenden Lautten Compagney ein absolut ansprechendes Album gelungen.

Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier