Samstag, 18. Juni 2005

Die Oper "Nacht" von Georg Friedrich Haas im Bockenheimer Depot Franfurt

Nein, eine Hölderlin-Biografie ist das nicht, eher eine Hommage in Fragmenten. Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas hat sich in seiner Oper „Nacht“, die 1998 ihre szenische Uraufführung in Bregenz erlebte und für die er mit dem Ernst-Krenek-Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wurde, mit möglichen Phantasien und wahnhaften Ahnungen des alten Friedrich Hölderlin befasst. Im Bockenheimer Depot gelang dem Ensemble der Oper Frankfurt unter der zupackenden Regie von Friederike Rinne-Wolf nun eine filigran aushorchende wie bilderstarke Aufführung.

Als inhaltliche Achse steht die hoffnungslose Liebe des frühromantischen Dichters zu der Frankfurter Bankiersgattin Susette Gontard, in deren Haus der Dichter eine Hofmeisterstelle angenommen hat. Doch auch sein immer labiler werdender geistiger Zustand zieht sich durch die Kammeroper.

Der Dichter trifft auf seine eigenen Helden, muss sich zwangsläufig mit ihnen und ihren Entscheidungen auseinandersetzen. Haas benutzt in seinem selbst verfassten Libretto Zitate aus Hölderlins Briefroman „Hyperion“ und aus dem Dramenfragment „Der Tod des Empedokles“. Dazu kommen Briefe von Susette Gontard und Übersetzungen aus dem „Ödipus“ von Sophokles.

Oft sind es hastige Dialoge, die über mal ostinaten, mal prall zuckenden musikalischen Rauschzuständen des engagiert und zielstrebig agierenden Ensemble Modern unter der Leitung von Roland Böer herumgeworfen werden. Ein andermal ziehen sich die Protagonisten auf der Bühne ganz in sich zurück. Ständig verwandeln sich die Figuren, eine Gewöhnung kann nie eintreten. Nicht nur den Gegensätzen, auch in der jeweils neuen momentanen Auskostung der aktuellen Empfindsamkeiten liegt der besondere Reiz dieser erfrischend kurzen Oper. In knapper Zeit wird viel vermittelt.

Dazu hat Rosalie eine Bühne geschaffen, deren blau geradezu erschlägt. Zwei Wendeltreppen (ebenfalls blau) ragen aus dem Boden empor, der in einem Bogen zur Rückwand wird. Hierauf verschieben sich auch schnell einmal die Handlungs- und Wahrnehmungsebenen.

Auch der Zuschauerraum wird mit in die Handlung eingebunden. So postieren sich Mitglieder des Ensemble Modern immer wieder in kleinen Käfigen am Rand der Metalltribüne. Zwischen Susette Gontard (Annette Stricker), die hinter die Zuschauer verbannt wird und Hölderlin (Johannes Martin Kränzle), der sich auf der Bühne immer weiter von ihr entfernt, entsteht zwischendrin eine Art Monolog für zwei Personen, die in dem Seufzer, „Es ist, als hätte mein Leben alle Bedeutung verloren“, gipfelt.

Den Solisten wird musikalisch wie szenisch eine Menge abverlangt, doch es gelingt ihnen, einen spannungsvollen Ablauf zu garantieren – in 24 oft nur lose aufeinander bezogenen Bildern keine leichte Aufgabe.

Veröffentlicht im Darmstädter Echo und in NEWS Frankfurt

Donnerstag, 9. Juni 2005

Verdis "Macbeth" an der Oper Frankfurt

Sex und Big Business auf Frankfurts Opernbühne. Man könnte meinen, die Welt der Seifenopern und Werbeslogans sei wirklich so spannend, dass sie auch noch abends und freiwillig und für keineswegs günstiges Geld auf den nach bunten Bildern gierenden Zuschauer einprasseln müssen. „Macbeth“ ist eine Oper von Verdi. Auf den städtischen Bühnen der Mainmetropole ist sie ein gigantischer Medienzirkus voller Anleihen aus der wirklichen und der virtuellen Welt. Kein Zweifel: Regisseur Calixto Bieito hat keine Lust, sein Publikum zu verzaubern oder in fremde Sphären zu entführen. Vorhang auf, die Welt dreht sich weiter! „Wir bauen Ihre Zukunft, kein Zuhause“ flammt es dem Opernfan entgegen, überall Werbesprüche aus der Welt des schönen Scheins, die gerade eben doch noch im Nachmittagsfernsehen liefen. Irgendwie so. Ein wenig ironisch oder zynisch gebrochen, ja doch.

Die ehrgeizige Lady Macbeth mutiert zur Protagonistin einer Welt, in der die Karriereleiter zum Fetisch geraten ist. Hexen werden als Sekretärinnen über die Bühne verteilt, dazwischen wird gegrapscht und gesoffen was das Zeug hält. Von Bildschirmen grunzen mal Schweine, blöken mal Schafe. Einfacher Symbolismus aus dem Lehrbuch. Natürlich benehmen sich alle ganz grässlich und cool und überhaupt unglaublich realistisch. So, wie man es eben macht, wenn man nur sich, seine eigenen Bedürfnisse und Ziele vor Augen hat. Ob das nun Kritik an einer kalten Welt ist oder einfach nur die etwas beliebig zusammen gewürfelten Versatzstücke aus der etwas leer gewordenen Trick-Kiste von Calixto Bieito bleibt offen. Konsequent ist es jedenfalls genauso wenig wie originell. Eher schon arg peinlich.

Was bleibt, ist die Musik, die Generalmusikdirektor Paolo Carignani in seiner scheinbaren Verzweiflung schon fast museal wiedergeben lässt. Aber das ist nur der erste Eindruck und eine pure Kurzschluss-Reaktion des Gehirns auf das, was es zu sehen gibt. Auf jeden Fall gelingt es Carignani trotz aller Schwierigkeiten, Hör- und Sehsinn übereinander zu bringen, eine werkgetreue und dennoch quietschlebendige Interpretation aufzubieten.

Željko Lučić als Macbeth agiert mit großer stimmlicher Lust, Caroline Whisnants führt ihre Lady markant und selbstbewusst, Mathias Zachariassen ist als Macduff mit sinnlich geführtem Tenor zu erleben.

Veröffentlicht in NEWS Frankfurt