Dienstag, 27. Februar 2007

Atos-Trio mit Schubert und Kagel im Frankfurter Holzhausenschlösschen

Nur selten gibt es in der Kammermusik Begegnungen mit Musikern, die auf eine so authentische Art an die Umsetzung ihres Vorhabens gehen wie das junge Atos-Trio. Erst vor vier Jahren gegründet, vermitteln Annette von Hehn (Violine), Stefan Heinemeyer (Cello) und Thomas Hoppe (Klavier) von Anfang an eine Atmosphäre, die sich aus künstlerischer Sorgfalt und Ernsthaftigkeit genauso speist, wie aus einer überschäumenden Musizierfreude, die ihnen hoffentlich noch lange erhalten bleibt. Hinzu kommt eine sichtbare Begeisterung für Kommunikation. Dabei lassen sie sich nicht auf einen bestimmten Stil oder eine Epoche festlegen, diesen Beweis traten sie nun im Holzhausenschlösschen an, in dem sie erstmals zu Gast waren.

Zwei mal hatten sie Schubert im Programm, darunter das Es-Dur-Trio, das posthum als Notturno op. 148 veröffentlicht wurde. Das filigrane Stück wirkt in der Interpretation des Atos-Trios plötzlich ungemein wehrhaft, obwohl es sich strukturell doch an so vielen Stellen fast aufzulösen droht. Diese Momente nutzen die drei Musiker bewusst, um sich fast schon rührend um den Zusammenhalt zu bemühen - ein Unterfangen, dass zur Lebendigkeit des Werkes wesentlich beiträgt. Bewegend, wie sie der Musik viel Raum lassen, um sich zu entfalten. Sehr emotional gerät dann das C-Dur-Trio von Gaspar Cassadó aus dem Jahr 1926. Süßlich schmecken die lyrischen Momente auf dem Cello, scharf stehen dagegen die Rhythmen im Klavier. Monumentale Klangbauten und leidenschaftliche Szenen wechseln sich ab und werden vom Atos-Trio in dessen ganz eigenem Charme nachvollziehbar verbunden.

Mit scharfem Sinn für die oft bizarren Klänge Mauricio Kagels analysierten die Musiker dessen zweites Trio aus dem Jahr 2001, mit dem c-Moll-Trio op. 101 von Johannes Brahms übersetzten sie ihre tief empfundene Musikalität unzweideutig einem begeisterten Publikum.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Sonntag, 18. Februar 2007

Die "Comedian Harmonists" von Gottfried Greiffenhagen und Frank Wittenbrink im Staatstheater Darmstadt

Die deutschen „Revelers“ wollten sie werden und es gelang ihnen, in wirtschaftlich bedrückenden Zeiten die Tanzlokale und Konzertsäle zunächst in Deutschland und bald auch international zu erobern. Die „Comedian Harmonists“ hatten dafür nur wenig Zeit. Nach ihrem endgültigen Durchbruch zum Jahreswechsel 1929/1930 sollten sie sich gerade noch einmal fünf Jahre an ihrem Erfolg erfreuen. Dann nämlich erhielten die drei jüdischen Mitglieder des Sextetts Auftrittsverbot in Deutschland. Die Aussicht auf ein lebenslanges Exil passte den „arischen“ Mitgliedern nicht in die Lebensplanung und so zerbrach die Gruppe wenige Jahre nach ihrer Gründung wieder.

Nach einem Buch von Gottfried Greiffenhagen und der musikalischen Einrichtung von Franz Wittenbrink hat nun das Darmstädter Staatstheater die Geschichte der ersten deutschen Boygroup nacherzählt. Das Stück hangelt sich an den unvergessenen Hits des Ensembles entlang, das sich „zwischen Brahms und Blues“ mit Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen über eine lange Durststrecke hinweg einen Sonderstatus in der deutschen Kulturgeschichte erarbeitet hat. Die Probenszenen am Anfang geraten unter der Regie von Peter Hailer zunächst etwas langatmig und detailreich, die individuellen Typenbeschreibungen der sechs Protagonisten aber halten die Spannung aufrecht.

Die Stärke des Stücks liegt eindeutig in den zahlreichen Gesangsnummern, daneben wird von jeder Verherrlichung der Künstler abgesehen. Schon früh werden grundsätzliche Differenzen über künstlerische und wirtschaftliche Knackpunkte deutlich. Als 1933 aus Unterhaltung Kunst geworden ist, die Comedian Harmonists auf den großen Bühnen singen und 3000 Reichsmark Abendgage einstreichen, machen sie sich um die Politik auf der Straße und im Parlament noch keine großen Gedanken. Selbst als ein Konzert in München von offizieller Seite nur deshalb zugelassen wird, weil es seit Wochen bereits ausverkauft war, hoffen sie, dass „der braune Spuk“ vorüber ziehen wird. „An uns trauen sie sich nicht ran“, ist der Tenor.

Als sie vor dem verordneten Aus stehen, zeigt sich die Naivität der sechs gefeierten Stars erneut. „Ich liebte Deutschland sehr“, sagt einer der drei jüdischen Mitglieder, ein anderer gar: „Die Nazis haben einen Juden aus mir gemacht“. Denn vorher waren sie vor allem eines: Musiker. Am Klavier besticht in Darmstadt Tobias Engeli, der auch die musikalische Leitung übernommen hat. Ihm gelingen betont nebensächlich wirkende Begleitungen, außerdem hält er seine Sänger mit sicherer Hand zusammen. Markus Durst, Andreas Wagner, Jeffrey Treganza, Oleksandr Prytolyuk und Andreas Daum geben ein gut aufeinander eingespieltes Ensemble ab, das die Hits von „Wochenend und Sonnenschein“ über die „Bar zum Krokodil“ bis hin zum „Kleinen grünen Kaktus“ stilecht zu interpretieren weiß. Erwartungsgemäß begeisterter Applaus für eine überwiegend gefällige Nummernfolge.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse