Mittwoch, 30. September 2009

Henry Purcells "Dido & Aeneas" kommt auf die Bühne des Mainzer Staatstheaters

Obwohl gerade einmal 60 Minuten lang gilt „Dido and Aeneas“ als die einzige vollgültige Oper von Henry Purcell. Im Grunde genommen reiht sich das dreiaktige Stück dennoch stark in die Tradition der englischen, von mythologischen Szenen inspirierten „Masque“ ein. Zu kurz allerdings, um heute einen abendfüllenden Abend zu garantieren. Also haben Dirigent Michael Schneider und Regisseurin Arila Siegert für ihre Mainzer Produktion weitere kürzere musikalische Werke von Purcell, dessen Lehrer Matthew Locke und des knapp 100 Jahre älteren italienischen Komponisten-Kollegen Claudio Monteverdi hinzu gefügt. Damit werden einzelne Szenen zusätzlich emotional intensiviert. Besonders bekannt ist darunter Monteverdis monodische „Lamento d'arianna“.

Die Vorlage zu der Oper stammt aus Vergils „Aeneis“ und wurde von dem seinerzeit bekannten Dichter Nahum Tate erstellt. Die Uraufführung fand in einem Pensionat für Edelfräulein in Chelsea statt, in dessen Auftrag das Werk vermutlich auch entstanden ist. Karthagos Königin Dido hat sich in den trojanischen Helden Aeneas verliebt, aber sie hat ihrem verstorbenen Gatten versprochen, nie mehr zu heiraten. Dennoch kommen sich die beiden näher, ihr Glück wird jedoch rasch von einer Zauberin durch List im Keim erstickt.

Für Regisseurin Arila Siegert geht es hier um die schicksalhaften Auswirkungen, die eintreten, wenn man sich auf eine Liebe einlässt. „Dabei wird die Verinnerlichung von Liebe und Leid erzählt“, erläutert sie. Das Gefühl des Verlassen-seins tritt später ins Zentrum. „Liebesschmerz ist ewig“, findet sie, daher lässt sich die Handlung auch zeitlos interpretieren. „So selten, wie heute das Glück ist, so war es damals auch“, so ihre Ansicht.

Michael Schneider, renommierter Experte für historische Aufführungspraxis, findet es besonders spannend, die antike Tragödie, wie sie in den Anfängen der Oper vermittelt wurde, wieder zu beleben. Eine musikalische Herausforderung sei die „extrem polyphone Musik“ Purcells, deren Komplexität und Dichte. Die Inszenierung von Arila Siegert, die in Mainz zuletzt Mozarts „Le nozze di Figaro“ inszeniert hat, setzt auf das Fokussieren einzelner Szenen. „Es soll wirken, als sei die Zeit angehalten worden und man kann in den jeweiligen Zustand eintauchen“, macht sie auf die Umsetzung neugierig.

Eine bedeutende optische Rolle spielen zehn einhundert Kilo schwere Boote von Bühnenbildner Hans Dieter Schaal und „zurückhaltende Kostüme von Susanne Maier-Staufen, die vor allem die Dualität zwischen hell und dunkel wieder spiegeln“, so die Regisseurin.

  • Die Premiere am 3. Oktober im Kleinen Haus ist bereits ausverkauft, eventuell gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.
  • Weitere Aufführungen unter anderem am 12., 22 und 29 Oktober, jeweils um 19.30 Uhr.
  • Karten unter 06131/2851-222
  • Weitere Informationen: www.staatstheater-mainz.de


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Sonntag, 20. September 2009

Mendelssohns "Elias" mit Konservatoriums-Chor in Mainz aufgeführt

Für Ronald R. Pelger wurde an diesem Abend ein erklärter Herzenswunsch wahr – und gelungener hätte diese Erfüllung nicht stattfinden können. In der voll besetzten Christuskirche hat der Chorleiter des Peter-Cornelius-Konservatoriums mit über 200 Beteiligten, insbesondere Jugendlichen und jungen Erwachsenen, das Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy aufgeführt. Eine Veranstaltung, die ganz offensichtlich nur Gewinner kannte. Vor allem für die jungen Choristen des Konservatoriums wird dieser Abend ein prägendes, in einzelnen Fällen vermutlich sogar Weg weisendes musikalisches Schlüssel-Erlebnis gewesen sein, von dem sie noch Jahre später zehren können. Denn es ist mehr als außergewöhnlich, bereits in jungen Jahren ein solches Werk auf einem Niveau aufführen zu können, das ohne weiteres mit dem der erfahrenen Oratorien-Chöre der Region vergleichbar ist.

Schon in den ersten Takten wird klar, dass das wagemutige Experiment Pelgers geglückt ist. Klare Artikulation und präzise Abnahme seines Dirigats sind die Grundfesten, auf denen der Chor agiert, hinzu kommt eine ungemein saubere Intonation durch alle Stimmen hindurch. Im Umgang mit den Solisten zeigt sich der Chor als ungezwungen und dialogfähig, in den Massen-Szenen sind die jungen Sängerinnen und Sänger kraftvoll und enthusiastisch, überspringen aber nie die Grenze zum unkontrollierbaren Überschwang. Sehr beweglich, mitunter geheimnisvoll wird in den unterschiedlichen dynamischen Abstufungen gearbeitet, im Vordergrund bleibt bei alledem ein erstaunlich stringent durchgehaltenes homogenes Klangbild, das mit erfrischender Strahlkraft gewürzt ist.

Konservatoriums-Direktor Gerhard Scholz hatte von Eltern berichtet bekommen, dass ihre Sprößlinge zu Hause immer wieder Bruchteile aus dem „Elias“ vor sich hin trällern. 200 Jahre nach Geburt des Komponisten wohl ein nicht von der Hand zu weisender Nachweis für die Generationen übergreifende Eindringlichkeit dieser Musik, die Moden und Trends überdauert. Ein Glücksfall für die Aufführung ist die Rheinische Orchesterakademie Mainz, die Chor und Solisten aufmerksam und jederzeit zuverlässig mitgestaltend begleitet. Daniel Sans übernimmt erfahren und mit brillanter Tongebung die Tenor-Partie, Birgit Schmickler (Mezzosopran) gefällt mit markigem, klarem Timbre, während Thomas Peter mit erdigen Bass die Elias-Rolle übernimmt und Sabine Goetz ihren hellen, ungetrübt strahlenden Sopran beisteuert.

Erstellt für die Mainzer Allgemeine Zeitung

Dienstag, 15. September 2009

Am Wiesbadener Staatstheater startet die Spielzeit mit Giuseppe Verdis Oper „Il trovatore“ in der Regie von Cesare Lievi.

In den Straßen herrscht Krieg. Manrico, der „Troubadour“ zieht, gestützt von einer Schicht Ausgestoßener und Unterweltler. mit seiner Stadt-Guerilla umher, An den industriell wirkenden Bühnenwänden von Csaba Antal prangen Graffiti, die Staatsmacht rüstet sich zum Kampf. Die Regie von Cesare Lievi beschränkt sich auf Andeutungen der tiefen Rivalität, die hier herrscht und die weit über politische Auseinandersetzungen hinaus geht.

Es geht um Rache, die sowohl die Zigeunerin Azucena als auch den Grafen di Luna bis zum Äußersten treibt. Er will seinen Bruder rächen, den die Verdammte vor Jahrzehnten ins Feuer warf. Sie wiederum sinnt auf Vergeltung für ihre Mutter, die der Vater des Grafen auf den Scheiterhaufen brachte. Das Perfide daran ist, dass sie ihre Genugtuung erst im Schmerz des jungen Grafen bekommt. Der ahnt nicht, dass der Aufständische Manrico, den Azucena wie einen Sohn aufgezogen hat, jener Bruder ist, von dem er glaubt, dass er seinerzeit in den Flammen starb. Es war ein fataler Irrtum der Zigeunerin,die ihr eigenes Kind auf diese grausame Weise getötet hatte. Erst als der Graf den Revolutionsführer hinrichten lässt, offenbart sie ihm den gerade vollzogenen Brudermord.

Die wirkungsvolle Umsetzung der Oper verdankt Lievi seinen Sängern. Allen voran nimmt Jeniece Golbourne das Wiesbadener Publikum im Sturm. Als Azucena wirkt sie mit langen verfilzten Haaren, in gebückter Haltung und mit unsteter Gestik bei ihrem Europa-Debüt ungeheuer dämonisch. Stimmgewaltig und ausdrucksstark ist sie ein großer Gewinn für die Alte Welt. Wie nur wenige Sängerinnen gelingt ihr die absolut authentische Darstellung, die nie auf Kosten der sängerischen Leistung geht, sondern mit ihr passgenau einhergeht.

Tatjana Plotnikova schwärmt als Leonora mit großer Leichtigkeit für ihren Geliebten und bietet später emotional dicht formulierte Spitzentöne, dazu gehaltvolle Piano-Stellen. Luis Chapa ist als solider Manrico zu erleben, Tito You legt viel Druck in die musikalische Interpretation des Grafen, als Ferrando gibt Bernd Hofmann eine durchweg überzeugende Figur ab. Abgerundet wird die gelungene Premiere von einem aufmerksamen, mitunter furios auftrumpfenden Orchester unter der effektvollen Leitung des argentinischen Gastdirigenten Mario de Rose. Eindrucksvolle Massenszenen steuert der Chor bei.

Weitere Aufführungen unter anderem am 17., 20., 24. und 27. September jeweils um 19.30 Uhr
Karten: 0611-132325 oder www.staatstheater-wiesbaden.de

Veröffentlicht unter anderem in der Frankfurter Neuen Presse

Montag, 14. September 2009

Charme und Tempo bestimmen die Eröffnung der Spielzeit am Staatstheater Mainz bei Peer Boysens Inszenierung der Oper „Carmen“

Wenn die Augen im Schein der Fackeln glänzen und die Gänsehaut rauf und runter läuft, kann man sich sicher sein, dass die Inszenierung ein Publikumserfolg wird. So ergeht es nun George Bizets Dauerbrenner „Carmen“, bei der Peer Boysen am Staatstheater Mainz Regie führt. Er hat dafür kein opulentes Bühnenbild gezaubert, sondern lässt den Zuschauer ungehindert in den Schnürboden blicken, aus dem herab die umschwärmte Carmen stolziert. Durchaus eine industriell geprägte Atmosphäre, die etwas kalt und starr wirkt, ähnlich wie die Aufstellung der Chöre mitunter recht unterkühlt scheint. Seltsam unbeteiligt breiten sie sich zunächst auf der Bühne aus, bleiben bei ihrer Auseinandersetzung um Carmens kleine Schlägerei letzten Endes doch uninteressiert.

Doch das kratzt wenig an der Faszination dieser Oper, die auch in Mainz mit großer Leidenschaft und mit einem gewissen Schuss Pathos auf der einen Seite und mit charmanter, gewiss tragisch endender Leichtigkeit auf der anderen Seite über die Bühne geht. Boysen, der bereits zum vierten Mal in Mainz arbeitet, bezeichnet die Oper gleichermaßen als „großes spanisches Menschendrama“ und „französische Unterhaltung“. Zwischen dem Schweren und dem Leichten liege die Spannung, sagt er vor der Premiere. Opernhafte Schwere wird dem liebesleidenden Sergeanten Don José zum Verhängnis, während die flotte Carmen sich in koketten Plänkeleien übt.

Genau diese Kontraste gelingen Peer Boysen mit Hilfe eines pointiert agierenden Ensembles und einem bestens eingestimmten Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt scheinbar mühelos. Michael Wade Lee singt den Don José mit sehr viel Kraft aber ohne Gewalt und gibt sehr gut nachvollziehbar den armen Tölpel, der zu stark schon vom Zauber seiner vermeintlichen Liebe zu der verführerischen Fabrikarbeiterin eingenommen ist, um noch Rückgrat beweisen zu können.

Besonders herausragend ist die Leistung von Tara Venditti, die eine enorm sinnliche und oft verruchte Carmen abgibt. Auch ihre Stimme stellt eine einzige Verführung dar, die sie mit gekonnter Finesse und Geschmeidigkeit einsetzt. Sie ist sich in der Rolle ihrer geradezu magischen Kräfte bewusst, mit denen sie Männer, insbesondere den einen, über die Grenze seiner Willenskraft hinaus ihre Pläne aufzwingen kann. Dietrich Greve gibt einen testosterongestopften Stierkämpfer ab, gegen den Don José geradezu jämmerlich wirken muss. Susanne Gebs Micaela gerät weich und angenehm. Originelle Show-Effekte wie die originale Flamenco-Gruppe oder die Varieté-Einlage der Schmuggler ergänzen eine griffige Inszenierung mit Charme und Tempo, sorgen dafür, dass die Schwere nicht die Überhand behält.

Tickets unter 2851222 oder www.staatstheater-mainz.de
Weitere Aufführungen am 20. und 25 September sowie bis April 2010

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Samstag, 12. September 2009

Simone Kermes hat Arien aus dem Neapel des 18. Jahrhunderts aufgenommen

Neapel gehörte im 18. Jahrhundert nicht nur zu den bedeutendsten Handels-Städte Europas, sondern war auch in Sachen Kunst wegweisend. Von dort aus machten sich große Komponisten auf zu den Bühnen der Welt, um zu großem Ansehen zu gelangen. Nur wenige sind uns mit ihrem Werk heute noch in größerem Umfang bekannt. Einer der bekanntesten aber ist bis in die Gegenwart der Librettist und „Poeta Cesaro“ am Wiener Hof, Pietro Metastasio. Er schrieb die Texte für große Opern von Giovanni Pergolesi, Alessandro Scarlatti und anderen bedeutenden Komponisten.

Die Sopranistin Simone Kermes hat nun unter dem beziehungsreichen Titel „Lava“ Opernarien aus dieser Zeit zusammen gestellt, darunter einige, die erstmals überhaupt auf CD eingespielt wurden. Die klingenden Ströme aus der Stadt am Fuße des Vesuv werden zu einem ungemein unterhaltsamen wie musikalisch aufregend interpretierten Eindruck verbunden. Sie stammen aus Opern, die heute so gut wie nicht mehr auf der Bühne aufgeführt werden. Doch mit diesen Ausschnitten macht die Sängerin gemeinsam mit den pointiert und oft mitreißend aufspielenden „Le musiche nove“ unter der Leitung von Claudio Osele durchaus neugierig.

Aus Leonardo Leos „Il demetrio“ (1735) vermittelt sie die Arie „Manca sollecita“ in einem überaus atmosphärischen und spannungsvollen Piano, so dass man das Schütteln nach dem Lufthauch, von dem sie hier singt, förmlich zu spüren vermag. Leicht angetupfte Vokale, sinnlich umspielte Melodien und ein kurzer aufschreckender Ausbruch bringen dem Zuhörer das Stück enorm nahe. Mitunter folgen auf brillant gesungene, ausladende und weit in die Höhe schießende Koloraturen unvermittelt fast gesprochen wirkende raue Marksteine in den tiefen Regionen. Die stellen etwa bei der Siface-Arie „Come nave in mezzo all'onde“ aus Johann Adolf Hasses „Viriate“ (1739) lebhafte Gegensätze dar – eben wie sie auf einem Schiff zu erwarten sind, das auf stürmischer See fährt. So jedenfalls das Bild, das besungen wird. In der Arbace-Arie „Vo solcando un mar crudele“ aus Leonardo Vincis „Artaserse“ (1730) schraubt sie sich mit brillanter Virtuosität in die inniglich vorgetragene Elends-Tragödie seines Daseins.

Die CD ist 2009 bei „Deutsche Harmonia Mundi“ erschienen. Weitere Informationen: www.lava-music.ch


Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier