Sonntag, 29. April 2007

Eugen d'Alberts Oper "Tiefland" zur Eröffnung der Maifestspiele Wiesbaden

Langweilig inszeniert und gut gesungen präsentiert sich Eugen d’Alberts Oper „Tiefland“ zum Auftakt der Internationalen Maifestspiele in Wiesbaden

Gerade einmal vier Monate, nachdem die Oper in Frankfurt Premiere hatte, wurde sie nun auch am Wiesbadener Staatstheater auf die Bühne gebracht. Zur Eröffnung der Internationalen Maifestspiele hatte sich der Regie führende Intendant Manfred Beilharz für Eugen d’Alberts „Tiefland“ entschieden. Und ähnlich wie Anselm Weber am Main bleibt auch Beilharz in der Landeshauptstadt dem Werk weitestgehend treu. Tatsächlich bleibt der Wiesbadener noch konventioneller in allem, was zu sehen ist. Dementsprechend blutarm fiel auch der Applaus für die Regie aus. Selbst Unmutsäußerungen waren nur verhalten zu hören. Ebenso gut hätten die Akteure im Sitzen vor einer weißen Wand singen können.

Der Hirte Pedro wärmt sich zu Beginn an einem kleinen Feuer in einer mondänen Felsenlandschaft aus riesigen dunklen Platten, die um ihn herum in den Himmel ragen. Ansonsten spielt die Oper ausschließlich in einer halb aufgeschnittenen Mühle, in der selbst die Kornsäcke und die Kittel der Mühlenarbeiter passend auf Ort und Zeit zugeschnitten sind. Das kann man schon machen, wirkt aber als Kulisse irgendwann arg langweilig. Ähnlich wie die Ausstattung von Bernd Holzapfel hat auch Beilharz vor allem eine schlichte Nacherzählung im Sinn.

Es gibt Momente, in denen er kleine Akzente setzt. Etwa wenn er der zur Hochzeit gezwungenen Marta einen schwarzen Schleier aufsetzt. Auch das Ende, in dem das junge Paar eigentlich glücklich in die Berge zieht wird jäh verändert, weil es beim Verlassen der Mühle auf eine Schar Uniformierter stößt. Ansonsten wird nicht viel geboten. Die Handlung plätschert ordentlich vor sich hin: Sebastiano hat Pedro dazu auserkoren, die junge Marta zu heiraten. Er selbst vergeht sich regelmäßig an ihr, muss aber nun aus wirtschaftlichen Gründen heiraten. Da die Gerüchte über seine Machenschaften brodeln, will er sich mit der Hochzeit aus der Affäre ziehen – ohne freilich auf seine vermeintlichen Besitzansprüche auf Marta zu verzichten. Erst allmählich freundet sich das ungewollte Paar an, schließlich erwürgt Pedro den Peiniger seiner Frau im Kampf.

Musikalisch konterkarieren Ensemble und Orchester die uninspirierte Inszenierung auf ganz ausgezeichnete Art. Stimmlich bleiben da nur ganz wenige Wünsche offen. Milena Butaeva ist als Marta eine wandlungsfähige Sängerin wie Darstellerin. Auch wenn ihr gerade im zweiten Teil ihres enorm kräftezehrenden Parts manche Töne doch arg schwer zu fallen scheinen, ändert das nichts an ihrer wirkungsvollen Bühnenpräsenz. Anrührend ihre Erzählung „Ich weiß nicht, wer mein Vater war“, zwischenzeitlich entwickelt sie eine sehr effektvolle Schärfe. Alfons Eberz kann als Pedro durchgängig überzeugen. Sein Gastspiel an einem der Häuser, dem er seine beachtliche Karriere zu verdanken hat, wird vom Publikum entsprechend begeistert aufgenommen.

Andreas Scheibner verleiht der Rolle des Sebastiano strenge Konturen, Emma Pearson gefällt apart als Mühlenmagd Nuri. Fabrizio Ventura verhilft dem Wiesbadener Staatsorchester zu machtvoll aufblühendem Klang, der dem veristischen Naturell der Oper ausgezeichnet steht.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Freitag, 20. April 2007

Oslo Philharmonic Orchestera unter Leitung von Jukka-Pekka Saraste in der Alten Oper Frankfurt

Eigentlich ist das ja schon zu nahe liegend, wenn ein norwegisches Orchester Grieg und Sibelius spielt. Und tatsächlich entsprach das Oslo Philharmonic Orchestra in der Alten Oper nun auch genau dem Bild, das man sich als Klischee vorher machen konnte. Üppige Klangmalereien und plastische musikalische Umsetzung von Naturschilderungen prägten dieses Konzert. Der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste, der seit dieser Saison dem Orchester als Musikdirektor vorsteht, tat auch alles, um diesem Pathos zusätzlichen Schub zu verleihen. Und warum auch nicht. Opulente Farben schwelgerischer Streichertutti stecken nun mal in der Peer-Gynt-Suite op. 23 von Edvard Grieg. Aber auch die kontrastierenden lebenslustigen Adaptionen aus volksmusikalischen Studien. Das wirkt gerade dann besonders effektvoll, wenn diese Kontraste mit so einer selbstverständlichen Authentizität wie hier transportiert werden. Auffallend dabei übrigens die besonders sauber intonierenden Holzbläser, die auch an Angststellen nie der Mut verließ. In einem kurze Ausflug nach Frankreich mit Claude Debussys Ballettmusik „Jeux“ überraschte das Orchester mit seiner erzählerischen Kompetenz im Kollektiv, reihte ausgesprochen differenziert die oft zusammenhanglos scheinenden Themenabschnitte akkurat und flüssig aneinander. Mit der abschließenden zweiten Sinfonie D-Dur op. 43 von Jean Sibelius schien sich jeder einzelne Musiker persönlich identifiziert zu haben. Eindrucksvoll vor allem, wie sie im langsamen Satz die Klangspektren kontinuierlich und sehr behutsam auffächerten.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Montag, 2. April 2007

Charles Gounods Oper "Faust" am Staatstheater Wiesbaden

Mephisto ist nun wirklich keine angenehme Gestalt. Und wer ihn sich mutwillig herbei ruft, muss damit rechnen, dass er das Ruder des eigenen Lebens rasch in seine Dienste stellt. Grauenhaft ist diese Vorstellung und in diesem Grauen ungemein faszinierend. Johann Wolfgang von Goethe erlag dieser Faszination wohl am eindrucksvollsten in der überlieferten Literatur. Sein „Faust“ ist zum Inbegriff des Ringens zwischen den Mächten geworden und zum prominenten Fallbeispiel für den menschlichen Irrtum in seinem eitlen Streben nach Erkenntnis und Gewissheit. Dass auch große Komponisten von diesem Stoff angeregt wurden, ist nur verständlich – so mancher Versuch scheiterte jedoch bereits im Ansatz. Nicht so der „Faust“ von Charles Gounod, dessen Libretto aus Fausts Klassiker und dem Drama „Faust et Marguerite“ von Michel Carré entstanden ist.

In Wiesbaden hatte das Stück nun Premiere und geriet Dank einer nahezu spektakulär pointierten Inszenierung von Jean-Christophe Maillot rasch zum Publikumsliebling. Selten war man sich in diesem Haus derart einig in der spontanen Beurteilung von Regie und musikalisch-darstellerischer Umsetzung. Dabei ist die Deutung des französischen Choreographen, der hier ein sicheres Gespür für die Oper bewiesen hat, alles andere als gefällig oder leicht zu durchdringen.

Im Zentrum stehen die Machenschaften eines Mephisto, der immer mehr nur noch im eigenen Dienst die Zerstörung eines bis dahin unbescholtenen Mädchens vorantreibt. Von Faust gerufen, der sich mit elastischen Schnüren an seinen Stuhl gefesselt sieht, treibt er sein unbarmherziges Unwesen. Und er ist sofort uneingeschränkter Herr der Lage. Schon bevor er überhaupt aufgetaucht ist, hat er in Maillots Version seine Schatten vorausgeschickt. Die haben Faust von Anfang an in der Mangel, treiben ihn förmlich dazu, sein Unglück herbei zu rufen.

Die Szenenfolgen leben von einem plakativen Kontrast aus knallbuntem Bühnenzauber und kontinuierlich voran getriebener Düsternis. Ein Kreuz beherrscht ab dem zweiten Akt die Sicht, es ist aber nie Zeichen der Überlegenheit des Guten. Denn selbst als es strahlend Zuflucht zu gewähren scheint, ist es doch nur trügerischer Schein. Es steht in letzter Konsequenz auf dem Kopf, ist zum Zeichen des Bösen geworden.

Die musikalische Ausgestaltung korrespondiert in exzellenter Weise mit den Vorgaben des Regisseurs sowie seines Bühnenbildners Rolf Sachs. Eine wesentliche Rolle spielen hier auch die effektbetonenden Lichtwechsel von Thomas Märker. Marc Piollet gelingt es außerordentlich gut, sein Orchester mit einem geradezu diabolischen Unterton auszustatten, der keine Kompromisse duldet. Bestens auf die Handlung ausgerichtet, treiben die Musiker aus dem Graben eine Stimmung voran, der sich der Zuhörer nicht zu entziehen vermag.

Überragend die stimmlichen wie spielerischen Leistungen von Christof Fischesser in der Rolle des Mephisto. Der aus Wiesbaden stammende Bass hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der interessantesten Vertreter seines Fachs entwickelt. Auch die Partie der Margarete ist mit Mardi Byers mit einem Gast besetzt. Sie vollzieht glaubhaft die zahlreichen Wandlungen einer zum Spielball gewordenen Unschuldigen. Adrett Sharon Kempton als ihre kleine Verehrerin Siebel, ausgestattet mit glockenheller Stimme. Gestaltungsfreudig ist Alfred Kim als Faust mit nicht nachlassender Präsenz eine konstante Größe in dieser Inszenierung. Die Massenszenen werden von Chor und Extra-Chor gezielt und lebendig umgesetzt.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse