Mittwoch, 4. November 2009

Offenbachs Operette "Blaubart" kommt nach Mainz

„Die gesellschaftlichen Verquickungen“ findet Regiseeur Soren Schumacher bei Jacques Offenbach grundsätzlich interessant. Zudem kommt nach seiner Auffassung bei der Operette „Blaubart“ der Aspekt einer „menschlich humorvollen Satire mit politischem Stachel“ hinzu. Er freut sich über die Arbeit an einem Stück voller Spaß, Verwicklungen und auch Tiefsinn, wie er meint. Am Großen Haus des Staatstheaters ist er in dieser Spielzeit zum ersten Mal als Gastregisseur tätig und bringt am kommenden Samstag die dreiaktige „Opéra bouffe“ zur Premiere. Dirigent ist Thomas Dorsch, der noch kürzlich als Kapellmeister hier wirkte und seit dieser Spielzeit am Oldenburgischen Staatstheater als Musikalischer Oberleiter tätig ist.

Schumacher hat das Werk in die 1920er Jahre in ein Gangster-Milieu verlegt- irgendwo zwischen Al Capone und dem Paten. „Wir hatten schon bei den Proben viel zu Lachen“, gewährt er einen Einblick in die herrschende Atmosphäre. Und obwohl „Blaubart“ alles andere als eine Tanzoper ist, werden die Tänze der 20er wie etwa der Charleston eine Rolle spielen. Und es gibt ein Maschinenpistolen-Ballett, zu dem aber noch nichts Näheres verraten wird.

Im Mainzer Ensemble hat Schumacher eine „wahnsinnige Spiellust“ ausgemacht, was gerade bei diesem Stück ein absoluter Vorteil ist. Schon im Konzeptionsgespräch hätten sich die Darsteller sofort in das Konzept hinein finden können. Auf der Bühne schließlich sei es allen gelungen, sich in die zum Teil ungewohnten Rollen hinein zu arbeiten. Auch auf Leitungsebene stimmt die Chemie. Regisseur und Dirigent verbindet bei dieser Arbeit eine „gegenseitige große Offenheit und Kreativität“, wie es Schumacher ausdrückt.

Man darf also gespannt sein auf das, was die Mainzer Produktion aus dem 1866 uraufgeführten Werk gemacht hat. Schon die Vorlage ist bizarr genug, geht es doch um jenen Ritter Blaubart, der gerade seine fünfte Gattin auf unsauberem Weg loswerden möchte und gleichzeitig nach der Nächsten Ausschau hält. Doch als er diese in Boulotte zu finden glaubt, befreit sie die tot geglaubten Ex-Frauen und konfrontiert den Ritter mit ihnen.

  • Für die Premiere am 7. November um 19.30 Uhr gibt es noch Restkarten
  • Weitere Vorstellungen finden am 1., 18. und 31. November sowie am 17. Dezember statt. Weitere folgen in 2010.
  • Karten sind unter 06131/2851-222 erhältlich.
  • Weitere Informationen und Online-Buchung: www.staatstheater-mainz.de


Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Schlüssiger Liederabend mit Michael Nagy und Gerold Huber an der Oper Frankfurt

Seit seinem Einstieg in das Ensemble der Oper Frankfurt hat sich der charismatische Bariton Michael Nagy rasch zu einem Publikumsliebling entwickelt. Das bewies auch das für einen Liederabend außergewöhnlich gut besuchte Opernhaus. Die Begeisterung für den Sänger zieht sich quer durch alle Altersgruppen, was vielleicht auch einen positiven Einfluss auf die Rezeption der Gattung Kunstlied haben kann. Natürlich wäre dieser Effekt dahin, würde Nagy den Auftritt bloß als Pflichtübung neben den großen Rollen ansehen. Davon ist er weit entfernt. Allein die schlüssige Programmzusammenstellung macht deutlich, mit welcher Ernsthaftigkeit und Sorgfalt der Sänger an diesen Abend heran gegangen ist.

Die zwölf Lieder nach Gedichten von Justinus Kerner op. 35 sind, ähnlich wie der deutlich bekanntere Schumann-Zyklus „Dichterliebe“, eng miteinander verwoben und werden auf der Bühne doch kaum geschlossen aufgeführt. Im zweiten Teil sind Eichendorff-Texte in Vertonungen von Othma Schoeck, Robert Schumann und Erich Wolfgang Korngold zu hören. Nagy, der bei renommierten Liedwettbewerben erfolgreich war, hat sich trotz intensiver Opernpräsenz einen ausgesprochen feinen Sinn für das musikalische Kleinod und dessen Dramatik auf engstem Raum bewahrt. Mit klaren Artikulationen und scharf ausgebildetem Sinn für klangliche Feinheiten kann er sowohl Schumanns Romantik als auch Korngolds Unmittelbarkeit dem Zuhörer authentisch nahe bringen. Am Klavier steht ihm niemand Geringeres als Gerold Huber, einer der gefragtesten Liedbegleiter mit untrüglichem Gespür und unbedingter Dialogbreitschaft zur Seite.

  • Der nächste Liederabend in der Oper Frankfurt findet am 17. November 2009 statt. Die Mezzosopranistin Michaela Schuster und der Pianist Markus Schlemmer interpretieren Lieder von Mozart, Brahms, Wolf, Duparc, Mendelssohn, Strauss und Obradors.
  • Karten unter 069-1340400 oder online
  • Informationen hier

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Elektronisches Ohrenkino im Wiesbadener Staatstheater

Um folgende Erkenntnis gibt es leider keinen Umweg: Elektronische Musik ist, soweit nicht tanzbar, kein Publikumsmagnet. Die kleine Gemeinschaft eingeschworener Kenner und Neugieriger ist im Foyer des Staatstheaters unter sich. Eingeladen hat die musik-theater-werkstatt des Hauses, die unter der Leitung von Ernst-August Klötzke steht und glücklicherweise mit der notwendigen Unterstützung der Gesellschaft der Freunde des Staatstheaters rechnen kann. Vier Veranstaltungen stehen in dieser Spielzeit im Programm, die erste winkt gar mit einem besucherfreundlichen Titel. „Ohrenkino“ klingt freundlich und entgegen kommend. Nach geschlossenen Augen und Bildern, die im Kopf entstehen können. Was also könnte also gegen einen Besuch sprechen?

Der elektronischen Musik haftet das Etikett „unverdaulich“ oder zumindest „schwer verträglich“ an. Nur selten kann man den Interpreten im Konzert zuschauen, was zumindest einen wichtigen Faktor für eine musikalisch gestaltete Abendplanung ausschließt. Doch gerade bei diesem Konzert wird es dem Zuhörer leicht gemacht. Die Werke, die aus den Lautsprechern neben den Stuhlreihen schallen, könnten auch die Soundtracks zu Filmen oder die Hintergrundgeräusche für Hörspiele liefern. Teilweise zumindest und in stark konzentrierter Form. Auf jeden Fall hat sich der Weg für all diejenigen gelohnt, denen es mit Fantasie und Aufgeschlossenheit gelingt, sich auf ein klug konzipiertes Angebot einzulassen.

Das Publikum wird selbst gefordert, muss den „fehlenden“ Teil durch eigene Vorstellungskraft ersetzen oder das Gebotene einfach als reines Programm auf sich wirken lassen. Allein der nach vorne gerichtete Blick auf den Gold verzierten Theater-Auf- und Eingang bietet jedenfalls keine zusätzliche Erkenntnis. Höhepunkt des Abends ist sicherlich die Uraufführung von Bernd Leukert, der eigens dazu auch angereist war. Sein Titel „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ stammt nicht von ihm, sondern von Erfinder Philipp Reis, der den Satz in sein gerade erfundenes Telefon sprach, um es erstmals zu testen.

Gerade diese Uraufführung beweist die spannenden Hörerlebnis-Möglichkeiten dieses Genres, die gleichzeitig unterhaltend und anregend sein können. Da mischen sich Zugdurchsagen mit Glockenläuten, da zerreißt ein Blitz krachend die Szene, Orchester-Tuttistellen alternieren mit exotischen und synthetisch erzeugten Musikfetzen. Das Werk ist eine Produktion dessen Wirksamkeit auf einem besonderen Rhythmus-Ansatz und einer Musikalität, die nicht zwingend auf Tönen basieren muss, resultiert. Spannend wie ein Krimi kommt die 1996 veröffentlichte Komposition „La grande valleé“ von Lionel Marchetti daher, und auch Alain de Filippis „Ton Dieu nes'appell-ti-il pas ego?“ aus dem Jahr 1993 und Jérome Noetingers „Gloire à...“ von 1991 legen eine vielsagende Dramaturgie offen.

  • Die nächste Veranstaltung der musik-theater-werkstatt findet am 9. November 2009 um 19.30 Uhr im Foyer des Staatstheaters statt. Das Ensemble Chronophonie spielt Werke von Mauricio Kagel und Vinko Globokar.
  • Karten: 0611-132325 oder vorverkauf@staatstheater-wiesbaden.de
  • Weitere Informationen
Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier

Freitag, 9. Oktober 2009

Purcells "Dido and Aeneas" überzeugt in Mainz unter Leitung von Michael Schneider und unter der Regie von Arila Siegert

Wer einmal erleben möchte, wie man eine dreihundert Jahre alte Oper absolut frisch und ungezwungen auf die Bühne bringt, ohne dem Zuschauer auch nur einen Moment der Langeweile zu ermöglichen, dem sei die jüngste Musiktheater-Produktion am Mainzer Staatstheater ganz dringend ans Herz gelegt. Zugegeben, „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell dauert ohnehin nur eine Stunde und ist auch samt der eingebauten Zugaben, die der Alte-Musik-Experte Michael Schneider und Regisseurin Arila Siegert eingebaut haben, nicht länger als ein Fernsehspiel. Doch könnte gerade die kompakte Form ja durchaus dazu verleiten, die Gestaltung auf die leichte Schulter zu nehmen.

Nicht so in Mainz. Arila Siegert gelingt ein ungemein lebendiges Beispiel für geschickte, spannungsvolle Personenführung und beziehungsreiche Interaktionen. Die Geschichte an sich ist schnell erzählt und bietet doch zahlreiche Möglichkeiten zur Dramatisierung, die von der Regisseurin nahezu ausnahmslos genutzt worden sind. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Produktion hat keinen aktionistischen Anstrich. Im Gegenteil: Jede der Szene wird genau beleuchtet, Arila Siegert gönnt sogar jedem Abschnitt sein eigenes Tempo, so dass an diesem Abend ein intensives Eintauchen ebenso stattfindet, wie ein rasantes Drüberfegen in Action-Manier. Passgenau darauf abgestellt sind die klar definierten Kostüme von Susanne Maier-Staufen. Die gleiche Schwarz-weiß-Konsequenz setzt Hans Dieter Schaal in einem Bühnenbild, das mit wenigen, aber effektvollen Elementen auskommt fort. Zehn Boote können sich bei Bedarf problemlos und effektvoll in einen Hexenwald und wieder zurück wandeln.

Purcells „Masque“ in drei Akten geht auf eine Episode aus dem vierten Buch von Vergils „Aeneis“ zurück. Das Textbuch hat der englische Dichter Nahum Tate geliefert. Dido, Königin von Karthago, hat sich in den trojanischen Kriegsherrn Aeneas verliebt. Da sie aber ihrem Gatten auf dem Sterbebett versprochen hat, sich nicht mehr zu vermählen, sondern nur noch um das Wohl der Stadt zu kümmern, entsteht für sie der innere Konflikt. Durch eine List wird Aeneas wieder auf See geschickt, Dido fühlt sich betrogen und stirbt sozusagen an gebrochenem Herzen.

In Mainz wird zu Beginn Claudio Monteverdis „Lamento d'Arianna“ als warnendes Beispiel für Dido eingeblendet. Regina Pätzer vom „Jungen Ensemble“ ist eine empathische wie gehaltvolle Erzählerin, die der Szene eine sehr intime Wirkung mitgibt. In der Rolle der Dido überzeugt Tatjana Charalgina von Anbeginn mit gleichermaßen fein ausgesungenen Piano-Stellen wie mit der Steigerung hin zu enormer leidenschaftlicher Strahlkraft. In Patrick Popeschin steht ihr ein kerniger, beweglich und vielseitig auftretender Dido zur Seite. Scharf konturiert und mit brillanter Stimmgebung gibt der Altus Dmitry Egorov (Junges Ensemble) eine durch und durch dämonische Hexengestalt ab. Anne Ganzenmüller wirkt als Belinda mitunter etwas zurückhaltend. Ebenfalls Mitglied des „Jungen Ensembles“ kann sie aber sicher ihr angenehme Timbre und darstellerisches Talent künftig noch selbstbewusster ausbauen. Ihre Kollegin Aurora Perry indes zeigt eine prickelnde Bühnenpräsenz, ist stimmlich enorm präsent und bereichert die Szenen, an denen sie beteiligt ist, in ganz außerordentlicher Weise.

Vor allem der Chor aus Studierenden der Musikhochschule Mainz bringt immer wieder zusätzlichen Schwung ins Geschehen. Klanglich stets sehr präzise und differenziert kommentiert das neunköpfige Ensemble das Geschehen, füllt vital die Szenen. Der Auswahl des Staatsorchesters, das für seine glasklare Interpretation großen Applaus erhält, ist ein großes Kompliment für die engagierte Erfüllung dieser außergewöhnlichen Aufgabe auszusprechen.

In unterschiedlichen Fassungen erschienen, u.a. in der Frankfurter Neuen Presse

Mittwoch, 30. September 2009

Henry Purcells "Dido & Aeneas" kommt auf die Bühne des Mainzer Staatstheaters

Obwohl gerade einmal 60 Minuten lang gilt „Dido and Aeneas“ als die einzige vollgültige Oper von Henry Purcell. Im Grunde genommen reiht sich das dreiaktige Stück dennoch stark in die Tradition der englischen, von mythologischen Szenen inspirierten „Masque“ ein. Zu kurz allerdings, um heute einen abendfüllenden Abend zu garantieren. Also haben Dirigent Michael Schneider und Regisseurin Arila Siegert für ihre Mainzer Produktion weitere kürzere musikalische Werke von Purcell, dessen Lehrer Matthew Locke und des knapp 100 Jahre älteren italienischen Komponisten-Kollegen Claudio Monteverdi hinzu gefügt. Damit werden einzelne Szenen zusätzlich emotional intensiviert. Besonders bekannt ist darunter Monteverdis monodische „Lamento d'arianna“.

Die Vorlage zu der Oper stammt aus Vergils „Aeneis“ und wurde von dem seinerzeit bekannten Dichter Nahum Tate erstellt. Die Uraufführung fand in einem Pensionat für Edelfräulein in Chelsea statt, in dessen Auftrag das Werk vermutlich auch entstanden ist. Karthagos Königin Dido hat sich in den trojanischen Helden Aeneas verliebt, aber sie hat ihrem verstorbenen Gatten versprochen, nie mehr zu heiraten. Dennoch kommen sich die beiden näher, ihr Glück wird jedoch rasch von einer Zauberin durch List im Keim erstickt.

Für Regisseurin Arila Siegert geht es hier um die schicksalhaften Auswirkungen, die eintreten, wenn man sich auf eine Liebe einlässt. „Dabei wird die Verinnerlichung von Liebe und Leid erzählt“, erläutert sie. Das Gefühl des Verlassen-seins tritt später ins Zentrum. „Liebesschmerz ist ewig“, findet sie, daher lässt sich die Handlung auch zeitlos interpretieren. „So selten, wie heute das Glück ist, so war es damals auch“, so ihre Ansicht.

Michael Schneider, renommierter Experte für historische Aufführungspraxis, findet es besonders spannend, die antike Tragödie, wie sie in den Anfängen der Oper vermittelt wurde, wieder zu beleben. Eine musikalische Herausforderung sei die „extrem polyphone Musik“ Purcells, deren Komplexität und Dichte. Die Inszenierung von Arila Siegert, die in Mainz zuletzt Mozarts „Le nozze di Figaro“ inszeniert hat, setzt auf das Fokussieren einzelner Szenen. „Es soll wirken, als sei die Zeit angehalten worden und man kann in den jeweiligen Zustand eintauchen“, macht sie auf die Umsetzung neugierig.

Eine bedeutende optische Rolle spielen zehn einhundert Kilo schwere Boote von Bühnenbildner Hans Dieter Schaal und „zurückhaltende Kostüme von Susanne Maier-Staufen, die vor allem die Dualität zwischen hell und dunkel wieder spiegeln“, so die Regisseurin.

  • Die Premiere am 3. Oktober im Kleinen Haus ist bereits ausverkauft, eventuell gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.
  • Weitere Aufführungen unter anderem am 12., 22 und 29 Oktober, jeweils um 19.30 Uhr.
  • Karten unter 06131/2851-222
  • Weitere Informationen: www.staatstheater-mainz.de


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz