Samstag, 22. August 2009

Musik als Muttersprache - Trio Jean Paul beim Rheingau Musik Festival

Schneller, höher, weiter, das sind derzeit die Maßstäbe, nach denen in Berlin die Leichtathleten um die Wette laufen, werfen oder springen. Im Musikbetrieb ist es oft ganz ähnlich. Je virtuoser, je überlegener in der Technik, desto höher ist die Aussicht auf volle Konzertsäle und lukrative Plattenverträge. Dabei gerät mitunter der musikalische Inhalt in den Hintergrund, gefordert und geliefert werden Leistung bis in die Extreme. Selten erlebt man da ein derart aufrichtig musizierendes Ensemble wie das Trio Jean Paul, das nun nicht zum ersten Mal beim Rheingau Musik Festival auf Schloss Johannisberg auftrat.

Manchen Menschen merkt man es ja an, dass sie den Konzertbesuch einem Bekannten oder Vorgesetzten zuliebe absolvieren, entsprechend fallen die Kommentare zwischen den Stücken aus. Wenn sich dann aber die Härchen auf ihren Armen aufrichten, weil eine Passage ganz besonders unter die Haut geht, ist das doch ein Zeichen für die direkte Ansprache, die den drei Musikern gelungen ist. Der Geiger Ulf Schneider, der Cellist Martin Löhr und der Pianist Eckart Heiligers haben einen Weg gefunden, die Musik zu ihrer Muttersprache zu erklären. Weit entfernt vom bloßen Abspielen der Noten sind sie mit Blicken und Körperhaltung ganz nah an den Klängen, werden eins mit der Komposition.

Es ist eine unaufgeregte Virtuosität, die zum Tragen kommt, hier erklingt Musik um ihrer selbst Willen. Das gelingt bei den noblen Ausführungen in den Klaviertrios A-Dur (Hob. XV:18) und d-Moll (Hob. XV:23) von Joseph Haydn genau so plastisch und unmittelbar wie in den atmosphärisch dichten Passagen der Klaviertrios Nr. 1 d-Moll op. 49 und Nr. 2 c-Moll op. 66 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Die Werke der Jubilare, der eine vor 200 geboren, der andere im gleichen Jahr gestorben, wehen an diesem Abend nicht über die Köpfe der Zuhörer hinweg sondern werden beinahe körperlich erlebbar gemacht, dringen intensiv ein.

Die Luftigkeit des Spiels lässt die Hitze im Saal vergessen. Charmante Formulierungen, kokette Verzögerungen und ein kultivierter Tonfall ziehen beständig in Bann. Fröhliche Juchzer in einem flotten Haydn-Satz stehen in ansprechendem Gegensatz zu federleichter Bewegung bei höchster klanglicher Substanz in einem Andante. Das Trio Jean Paul liefert mühelos die ungemeine Präzision im Zusammenspiel, die Mendelssohn-Bartholdys satte Partituren fordern, mit beherzten Phrasierungen geheen die Musiker auf freudiges Drängen ein. Wenn man dies Form der gestalterischen Begeisterung erlebt, mag man kaum glauben, dass das Ensemble bereits seit 18 Jahren konzertiert und sich dabei jedes Mal aufs Neue einer so individuellen Interpretation widmet.

Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt