Samstag, 30. August 2008

Opera Classica aus Rhein-Main kommt zur Uraufführung nach Dubrovnik

Für Michael Vaccaro ist diese Produktion ein weiterer Höhepunkt auf der Reise, die er mit seiner „Opera Classica“ vor fünf Jahren angetreten ist. Der Tenor ist mit der Zeit auch Regisseur, Organisator, Intendant und Bühnenbauer geworden und hat gemeinsam mit seiner Frau, der Sopranistin Romana Vaccaro seinerzeit begonnen, internationale Künstlerfreunde für die Idee einer freien Operntruppe zu begeistern. Seitdem hat es das Ensemble oft an malerische Orte gezogen. Allein in diesem Jahr standen neben den heimischen Burgen und Schlössern wie Hohenstein und Eppstein auch das Schloss Buc in Versailles und das Chateau de veves in Belgien auf dem Spielplan. Den Abschluss dieser Saison feierte „Opera Classica“ nun mit einer Uraufführung des kroatischen Komponisten Pero Šiša im Festungsturm Revelin der Stadtmauer von Dubrovnik.

Als Direktor des Sinfonie-Orchesters von Dubrovnik kam Šiša vor einigen Jahren mit der „Opera Classica“ in Kontakt, die seitdem oft mit dem Orchester zusammen gearbeitet hat. Dennoch war es für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung, gemeinsam diese Uraufführung aus der Taufe zu heben. Ganze zehn Tage hatten die Musiker Zeit, sich das Stück in intensiver Probenarbeit zu erarbeiten. Der Umstand, dass nun zunächst eine halb-szenische Werkschau stattfand, ist unter anderem diesem Zeitdruck geschuldet.

Nichtsdestotrotz konnten die Premierenbesucher eine eindrucksvolle Musik erleben. Die Klangsprache von Pero Šiša ist eher dem Verismo als der Moderne verpflichtet, wobei er mit seinen Ideen mitunter sehr zeitgenössisch umgeht. Die Kombination aus einprägsamen Melodien, üppiger Orchestrierung und so mancher Dissonanz, die zur Unterstreichung der Atmospähre dient, führt zu einer ausgesprochen spannungsreichen und packenden Oper. „Sirena“ hat die Geschichte der „Kleinen Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen sowie den Undine-Mythos zum Vorbild. Die Hauptrollen sind klassisch mit Tenor und Sopran besetzt, dadurch sind starke musikalische Momente möglich.

Die Premierenbesetzung ließ in dieser Hinsicht dann auch keine Wünsche offen. Der bulgarische Tenor Boiko Zvetanov, derzeit am Opernhaus Zürich engagiert, versah die Partie mit einer ordentlichen Portion Pathos und konnte zudem mit einem sehr durchsetzungsfähigen Klang beeindrucken. In der Rolle der Sirene war Zvetelina Simeonova zu erleben, deren strahlende Stimme einen interessanten, leicht metallischen Einschlag besitzt, der ihr bei aller Jugendlichkeit eine gewisse Ernsthaftigkeit verleiht. Zudem trat Berislav Puškarić mit kraftvollem und angenehm kernigem Bass in der Rolle von Sirenes Vater auf.

Mit dem Ergebnis können Musiker und Veranstalter vollauf zufrieden sein. Im kommenden Jahr wollen sie wieder zusammen arbeiten. Dann vielleicht auf dem Dach des Turmes mit seinem stimmungsvollen Ausblick auf den Hafen und das Mittelmeer. Außerdem ist eine Produktion in Zypern geplant, verrät Michael Vaccaro schon jetzt.

Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt

Montag, 25. August 2008

Kunstfest Weimar eröffnet mit Gedenken an KZ Buchenwald

Es gehört mittlerweile zur Tradition des Weimarer Kunstfests und mit ihm auch der Staatskapelle Weimar, vor Beginn der vielen Veranstaltungen mit Musik, Tanz, Theater und Ausstellung die Erinnerung an die Greueltaten zu stellen, die wenige Kilometer und nur ein paar Jahrzehnte entfernt stattgefunden haben. „Gedächtnis Buchenwald“ heißt dieser Vor-Auftakt in der Weimarhalle, der in diesem Jahr besonders denk- und erinnerungswürdig ausgefallen ist. Da war zunächst der unsagbar eindrucksvolle und empfindsame, gleichermaßen kluge und durchdringende Vortrag von Hortensia Völckers, Vorstand und Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes. Nach den Pflichtbeiträgen von Festival-Chefin Nike Wagner und dem Beauftragten für Kultur und Medien, Bernd Neumman, wagte sie ureigene Gedanken und Gefühle wie einen scharfen analytischen Gegenwartsblick.

„Es bleibt eine Kluft“, so sagt sie, wenn sie an Buchenwald denkt. „Auf der steinigen Lichtung des Appelplatzes von Buchenwald dehnen sich die großen Worte Humanität und Barbarei, Terror und Würde zu einem Raum, in dem die furchtbaren Bilder aus den Erzählungen drängen“, formulierte sie eingangs. Doch auch die Ohnmacht dieser Wahrnehmung ist ihr bewusst. „Die Wirkung von Wissen ist begrenzt“, formuliert sie schlicht wie treffend. Und weiter: „Auch den schrecklichsten Bildern fehlt der Ton, der Geruch, die Angst auf dem Appelplatz stößt mein Vorstellungvermögen an Grenzen.“ Ganz persönlich wird sie, wenn sie bekennt: „Etwas in mir kann sich damit nicht abfinden“.

Ähnlich verhält es sich mit der Kunst, die das Unsagbare versucht, zu formulieren. „Kunstwerke können mit Opfern schreien und mit Lebenden trauern“, weiß sie. Aber: „Sie können Gegenwelten entwerfen, die den Skandal der Wirklichkeit demonstrieren.“ Damit wird ihnen ein wenig Macht zuteil. Hanns Eislers „Deutsche Sinfonie“, die später gespielt wird, charakterisiert sie treffend als „ausgespannt zwischen Zorn und Trauer, Erkenntnis, Klassenkampf und dem Erbarmen. Sie endet mit einem Imperativ: seht, unsere Sohne – taub und blutbefleckt. Wärmt sie, es ist ihnen kalt.“

Eisslers Hauptwerk, die „Deutsche Symphonie“, spielt die Staatskapelle und singen der Gewandhaus-Chor Leipzig sowie der Ernst Senff Chor Berlin unter der Leitung von Lothar Zagrosek mit einem hohen Maß an Ausdrucksvermögen und ohne falsches Pathos. Acht Vokalsätze und drei instrumentale Sätze fügen sich zu einem monumentalen und doch oft intim vereinnahmenden Werk zusammen. Zumeist sind es Texte von Berthold Brecht, die Eissler verwendet hat. „O Deutschland, bleiche Mutter“, etwa. Margarete Joswig (Alt) besingt mit Brecht eindringlich Deutschlands „wahre Führer“, die in den Konzentrationslagern eingepfercht sind und ermordet werden. Der knappe fünfte Satz „In Sonnenburg“ erinnert an das Konzentrationslager, in dem 1933 Erich Mühsam, Carl von Ossietzky und der KPD-Reichstagsabgeordnete Erich Schnelle litten.

Das Kunstfest wagt sich mit dieser Aufführung an ein Stück Musikgeschichte heran, das gleichzeitig enorm politisch ist. Das Stück wird heute kaum mehr aufgeführt und dass es in Weimar nun wieder Beachtung findet, gehört zu den mutigen Leistungen des diesjährigen Kunstfests.

Veröffentlicht im Neuen Deutschland

Dienstag, 19. August 2008

C.Beao liest aus ihrem ersten Buch "Stolper Schritte"

Die Autorin C. Beao stellt am Samstag, 23 August um 16 Uhr ihr Buch „Stolper Schritte" in der Eppsteiner Talkirche vor. Der autobiografische Text ist in Gedichtform gehalten und erzählt von einem Weg, der viele Stolperfallen aufweist und davon, wie die Erzählerin diesen begegnet. Die Lesung wird von Daniel Honsack mit Orgelimprovisationen begleitet. Eintritt frei, Spenden für die Kirchengemeinde sind willkommen.

C.Beao ist in Eppstein aufgewachsen und wurde in der Talkirche getauft und konfirmiert. Mit ihrem Werk hat sie schon vor vielen Jahren begonnen. Es hat sie bei ihrer Entwicklung, bei einigen Höhen und zahlreichen Tiefen begleitet. Auf eindrucksvolle, mitunter ergreifende Art lässt sie ihren Gedanken freien Lauf, lässt den Leser an ihren Konflikten teilhaben, die sie immer wieder im Dialog mit fiktiven, für sie aber sehr realen und zum teil existenziell notwendigen Figuren zu bewältigen sucht.

Im vergangenen Jahr hat sie epische Gedicht abgeschlossen und einen Verlag gefunden. Seitdem sucht sie auch die Öffentlichkeit. Gerade wurde eines ihrer Gedichte auch in die Anthologie der Bibliothek Deutschsprachiger Gedichte aufgenommen.

Sonntag, 17. August 2008

Tecchler-Trio mit Haydn, Schostakowitsch und Rachmaninow

Nur zwei Tage nachdem der junge Pianist Joseph Moog in Schloss Waldthausen restlos überzeugt hat, holte der Mainzer Musiksommer drei weitere Jungstars an diesen Ort. Das „Tecchler Trio“ gehört spätestens seit dem ersten Preis beim ARD-Wettbewerb im vergangenen Jahr zu den hoffnungsvollsten Nachwuchs-Ensembles der Republik.

Joseph Haydn ist einer der Komponisten, dessen Werke in der Ausführung immer wieder gerne unterschätzt werden. Ähnlich wie die Musik Mozarts klingen seine Stücke oft leichtgängig und unbeschwert. Doch blickt man etwas tiefer in die Partituren, merkt man rasch, dass sich hinter dieser scheinbaren Schwerelosigkeit oft vertrackte musikalische Konstrukte verbergen. Diese gilt es mit großer Sorgfalt und nicht zuletzt einem gehörigen Schuss künstlerischer Eingebung und Neugier zu erkunden und in eine sorgfältig ausgedachte Interpretation zu gießen. Im Klaviertrio Es-Dur Hob. XV:28 ist dem „Tecchler Trio“ dieses Kunststück außerordentlich gut gelungen. Gerade das Finale geriet den drei Musikern im besten Sinne gefällig, glatt und geschmeidig. Hier war kein Widerstand zu spüren, keine Reibung, sondern einzig und allein munteres Musizieren.

Dass es das Klaviertrio Nr. 1 in c-Moll op. 8 von Dmitri Schostakowitsch in sich hat, lässt sich dann schon leichter erahnen. Doch auch hier machte sich das junge Ensemble mit viel Beherztheit und Elan an die Aufgabe heran. Intensive, lang gezogene Striche nutzten Esther Hoppe (Violine) und Maximilian Hornung (Violoncello) weidlich aus. Auch wenn der Ton fordernder und das Tempo rascher wurde, geriet nichts an Direktheit und Tiefe verloren. Während die beiden Streicher mit vollem Klang auffielen, punktete Benjamin Engeli am Klavier mit treffsicheren Läufen und einem außergewöhnlich durchdachtem Anschlag. Die Korrespondenz untereinander riss dabei nie ab.

Schließlich warf das „Tecchler Trio“ seine ganze Vielseitigkeit im „Trio élégiaque“ Nr. 2 d-Moll op.9 von Sergej Rachmaninov in die Waagschale. Der Klang hielt sich satt und wohl differenziert. Die zahlreichen emotionalen Wechselbäder gerieten authentisch und voller ehrlicher Unmittelbarkeit. Das alles auf höchstem technischem Niveau, das so gut wie keine Patzer zuließ. Auf diesem sicherem Fundament nutzten die drei jungen Musiker alle ihre daraus resultierenden Freiheiten aus, um sich voll und ganz einer schlüssigen und spannungsreichen Interpretation zu widmen.

Die Aufzeichnung des Konzertes ist am 24. November um 20.03 Uhr in SWR2 zu hören.

Das nächste Konzert des Mainzer Musiksommers findet am 19. August um 20 Uhr im Kreuzgang von St. Stephan statt. Das „Stuttgart Radio Brass“ spielt Werke von Bach, Händel, Gabrieli und anderen alten Meistern.

Karten und Informationen: www.mainzer-musiksommer.de

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung
Foto: www.tecchlertrio.com

Jochen Kowalski und der Swing

„Der Saal ist so schön, da kann man nur Musik machen!“. Eigentlich hat es David Canisius nicht nötig, sich auf diese Weise bei seinem Publikum im Wiesbadener Kurhaus einzuschmeicheln. Was er mit seinem „Capital Dance Orchestra“ auf die Beine stellt, macht schon Laune genug. Die heute ungewohnte Besetzung aus zwei Trompeten, einer Posaune, drei Saxophonen, drei Geigen und der Rhythmusgruppe wirkt vom ersten Augenblick an. Die Instrumental-Titel kommen gut gelaunt und knackig daher, swingende Titel aus den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wirbeln befreit durch die Gegend.

Dann tritt ein Mann auf die Bühne und setzt in höchsten Töne an. „Wir machen Musik, da geht euch der Bart ab“ trällert er im Falsett und keiner wundert sich. Jochen Kowalski ist seit den 80er Jahren einer der renommiertesten und vor allem beständigsten Countertenöre der Republik und trotz aller Umwerbungen seit 1983 der Komischen Oper Berlin treu geblieben. So viel Heimatbewusstsein belohnte der Berliner Senat denn auch mit dem Titel eines Kammersängers. Kowalski wirkt auf der Bühne vor allem bei den Moderationen so bodenständig, dass man es kaum glauben mag. Mit seinen etwas überformten Theatergesten trifft er genau den Nerv der Schlager, die er zum Besten gibt.

Sein Publikum hat Jochen Kowalski sofort im Griff. Nachdem er es an die ungewöhnliche Kombination von Altus und Swing gewöhnt hat, schaltet er noch einen Gang weiter und singt in russischer Sprache. Der frühere DDR-Bürger schlägt aus seiner Herkunft sympathisch Kapital und gräbt die Unterhaltungsmusik unter den Trümmern der untergegangenen Sowjetunion hervor. „Darum sind wir Piloten“, schmettert er den Propagandajazz von 1945 aus dem Film „Die Himmelskutsche“. Darin behauten die männlichen Vertreter einer Fliegerstaffel, ihre Maschinen mehr zu lieben als die Frauen. „Beim nächsten Mal singe ich das Frauenlied“, kichert Kowalski und säuselt ein „Spakoinoij Notschij“ (Gute Nacht) aus der Feder des „Katjuscha“-Komponisten Matwej Blanter hinterher. Garniert wird das ganze später noch mit einem kleinen Brecht-Weill-Sahnehäubchen.

Veröffentlicht u.a. in der Frankfurter Neuen Presse

Freitag, 15. August 2008

Beeindruckender Klavierabend mit Joseph Moog

Erst 20 Jahre alt, zeigt Joseph Moog doch, was er an musikalischer Reife zu bieten hat. Mit seinem Klavierabend in Schloss Waldthausen hat er beim Mainzer Musiksommer bewiesen, dass durchdachte Interpretationen nicht nur die Sache alter Hasen sein müssen.

Joseph Moog gehört bereits jetzt zu den spannendsten Talenten auf dem Klaviersektor. Neben allen Komponenten und Ausbildungsstationen eines ordentlichen Wunderkindes bringt er vor allem eine außergewöhnliche Portion an musikalischer Gelassenheit mit. Wenn man ihn hört, spürt man Spannung, aber keine Verkrampfung. Man erlebt Ehrgeiz aber keine Verbissenheit. Damit hebt sich der junge Pianist aus Neustadt an der Weinstraße angenehm aus dem Überangebot höchst talentierter, aber oft überzüchteter Jung-Stars heraus.

Dem Mainzer Musiksommer ist es zu verdanken, dass er diese Entdeckung in sein Programm aufgenommen hat. Moog ist indes gerade hierzulande kein unbeschriebenes Blatt. Er trat bereits mit den wichtigen rheinland-pfälzischen Klangkörpern auf und war bei den renommierten Festivals im Rheingau, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu Gast. In den vergangenen Jahren kamen zusätzliche Erfolge in Form von Preisen und Auszeichnungen dazu.

In Mainz entzog er sich dem Festival-Schwerpunkt konsequent ohne jeglichen Versuch der Anbiederung. Alte Musik gab es einfach nicht zu hören. Er spannte den Bogen lieber von Beethoven über Chopin, Brahms und Skrjabin bis Liszt und bezeugte damit sein Interesse für das 18. und 19. Jahrhundert. Dabei war sein Programm vollgestopft mit pianistischen Höhepunkten. Darunter Franz Liszts „Ungarische Rhapsodie“ in cis-Moll und die „Grande Polonaise brillate“ in Es-Dur op. 22 von Frédéric Chopin.

Ähnlich wie in Ludwig van Beethovens „Waldsteinsonate“ überzeugte Moog dort überall vor allem mit seiner unbändigen Lust an authentisch vermittelten Klangfarben. Note für Note schöpft er aus einem schier endlos scheinenden poetischen Kraftpotential, mit dem er große Linien und plastische Formen modelliert. Die Sicherheit, mit der er sogar dichteste Harmoniestrukturen durchkämmt ist enorm. In den schnellen Sätzen flitzt er unbeirrt durch die Passagen, ohne dabei aber oberflächlich zu erscheinen. Es gelingt ihm immer, die notwendige Tiefe auszuloten und wenn nötig Kontraste herzustellen. In Anlehnung an Waldsteins Ahnung, als Beethoven nach Wien ging, ließe sich zu Moog vielleicht formulieren: er erhielt Margulis' Geist aus Glemsers Händen. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Graf mit seinem Haydn- und Mozart-Bezug nicht übertrieben hat.

Weitere Konzerte beim Mainzer Musiksommer
16.8.: Tecchler Trio in Schloss Waldthausen
19.8.: Stuttgart Radio Brass in St. Stephan

Der Klavierabend wird am 27.9. um 20.03 Uhr in SWR2 gesendet

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

Foto: www.josephmoog.de

Donnerstag, 14. August 2008

Schüler erobern bei Move@School die Theaterbühne in Wiesbaden

Laut ist es auf der Bühne und wuselig auch. Doch als die Musik beginnt, stehen sie ganz still da und warten auf ihre Zeichen. Erst laufen sie energisch von verschiedenen Seiten der Bühne her in die Mitte, bleiben dann stehen, strecken die Arme über ihre Köpfe und drehen sich ganz schnell um ihre eigene Achse. Dann wieder Ruhe. Vor allem die Jüngsten sind mit großem Eifer und erstaunlicher Disziplin mit von der Partie. Bei den Größeren wird es immer wieder unruhig. Mal schubsen sich zwei gegenseitig an, mal ist das Mitteilungsbedürfnis allzu groß, um bis nach der Probe warten zu können.

Gabriel Sala muss manchmal energisch eingreifen. Gemeinsam mit Veronika Villar studiert er mit 112 Schülerinnen und Schülern von zwei Grundschulen, zwei Lernhilfe-Schulen und einer Haupt- und Realschule mit Förderstufe eine Choreografie ein. Die beiden Tänzer und Choreographen gehören zu dem riesigen Künstler-Team des Wiesbadener Staatstheaters, das sich für das Projekt „Move@School“ engagiert. Komponisten, Musiker und Tänzer erarbeiten ihre Teilprojekte mit den Schülern neben ihren normalen Diensten für das Theater in ihrer Freizeit.

Jede Woche kommen sie zu den Kindern und Jugendlichen zwischen zweiter und neunter Klasse in die Schulen, um in den Teilbereichen Komposition, musikalische Improvisation und Tanz zu arbeiten. Damit werden insgesamt 350 Schüler angesprochen, noch mehr als beim ersten Projekt im Jahr 2006. Am 1. November findet eine Gala im großen Haus statt, bei der die Ergebnisse präsentiert werden. Schirmherr ist Wiesbadens Oberbürgermeister Helmut Müller.

„Wir sprechen viele Kinder an, die ansonsten keinerlei Erfahrung mit bürgerlicher Hochkultur machen“, berichtet Theaterpädagogin Priska Jansens während der Probe. Hier werden ihnen klassische Musik und spannende Geschichten ohne erhobenen Zeigefinger näher gebracht. „Mir kommt es darauf an, dass etwas konkret passiert“, betont die Jugendreferentin den praktischen Bezug. Die ehemalige Grundschul-Lehrerin und Theaterpädagogin Christine Rupp-Kuhl steht ihr organisatorisch zur Seite und berichtet von einem Mädchen, das nach dem vergangenen Projekt ein Praktikum am Theater absolviert hat. „Die Erfahrungen hier bringen die Kinder unheimlich weiter“, weiß sie aus Gesprächen mit „Ehemaligen“. „Es geht um Selbstbewusstsein und gerade beim Tanzen um ein spielerisches Ausprobieren des eigenen Körpers“, sagt sie.

„Spannen, spannen!“, ruft Gabriel Sala in diesem Moment seinen jungen Tänzern zu. Unermüdlich fordert er die Kinder zu neuer Konzentration auf. Veronika Villar greift auch während der Einstudierung immer wieder ein, schiebt Ausreißer auf ihre Position oder verstärkt die Zeichen des Choreographen. Die Ideen zu den Figuren stammen übrigens größtenteils von den Kindern. Die Profis haben sie schließlich zu einer tanzbaren Fassung zusammengefügt. Sie erzählen die Geschichte vom Zauberlehrling nach der Musik von Paul Dukas nach dessen eigener Musik sowie Eric Saties „La belle excentrique“. Pate für „move@school“ stand übrigens das legendäre „Rhythm is it“-Projekt von Simon Rattle.

Foto: RMB/Heiko Kubenka

Montag, 11. August 2008

Beim Rheingau Musik Festival gastierte der Klarinettist Martin Fröst nicht nur als Musiker

Die Frage, warum die ersten Geigen nun so zusammengequetscht am linken Rand der Bühne spielen müssen, wird rasch beantwortet. Wenn Anders Hillborg ein Solokonzert schreibt, dann hat er nicht nur Töne im Sinn. Schon gar nicht, wenn er genau weiß, für wen er komponiert. Vor genau zehn Jahren hat der schwedische Komponist sein Konzert für Klarinette und Orchester „Peacock Tales“ seinem Landsmann Martin Fröst gewidmet. Grund genug wohl, um nun beim Jubiläumskonzert im Wiesbadener Kurhaus selbst mit auf die Bühne zu kommen und sich den Applaus dafür abzuholen.

Zuvor hatte Fröst eine ungewöhnliche Vorstellung gegeben, die mal vorsichtig spähenden, mal vor Erzählungsfreude übersprudelnden Klänge mit Pantomime und Tanz verbunden. Dafür also der Platz, auf den die Geigen nun verzichten mussten. Das Stück ist streckenweise höchst virtuos und fordert vom Interpreten ein besonderes Maß an technischer Überlegenheit, zumal auch die darstellerischen Momenten viel Kraft binden. Unterhaltsam ist das Ergebnis allemal.

Die Göteborger Symphoniker hatten hier vor allem illustrierende Funktion, dafür konnten sie zuvor in „La Valse“ von Maurice Ravel und in der anschließenden „Symphonie fantastique“ op. 14a von Hector Berlioz ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Ihr junger Chefdirigent Gustavo Dudamel steigerte sich dabei rückhaltlos in die Musik hinein und übertrug seine Energie unmittelbar auf die Orchestermitglieder, die ihm voller Begeisterung folgten. Bei aller Euphorie konnte Dudamel doch immer auch durch enorme Konzentration und die Fähigkeit, jederzeit klangliche Differenzierungen heraus zu arbeiten, überzeugen.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Foto: www.martinfrost.se

Sonntag, 10. August 2008

Hille Perl am Hof des Sonnenkönigs

Es gibt Namen, die erwecken allein durch ihre Nennung bereits große Erwartungen. Zu diesem Personenkreis gehört ganz unzweifelhaft auch Hille Perl. Der aus Bremen stammende Musikerin ist es gelungen, sich eine Position zu erarbeiten, um die sie so mancher ihrer Kollegen sicherlich beneidet. Hille Perl gilt als Inbegriff für die gleichermaßen authentische wie zeitgemäße Vermittlung Alter Musik auf historischen Instrumenten. Seit Jahrzehnten bereits ist sie eine der prägenden Protagonisten der Szene. Zudem ist es ihr zu einem großen Teil zu verdanken, dass dieses Genre heute eine große Popularität weit über die eng gezogenen Expertenkreise hinaus genießt.


Gemeinsam mit dem Saitenspezialisten Lee Santana hat die Gambistin bereits seit Beginn der 1980er Jahre zahlreiche außergewöhnliche Programme zusammengestellt und so manches Werk aus der jahrhundertelangen Vergessenheit heraus gerissen. Nun waren die beiden gemeinsam mit dem Gitarristen Steve Player beim Mainzer Musiksommer eingeladen. Für die drei Musiker eher ungewöhnlich war wohl der Rahmen. In der Villa Musica entsteht schnell eine intime Atmosphäre, die wenigen Plätze waren auch schon lange vor Beginn des Festivals ausverkauft.


Neben dem großen Vorteil, ganz besonders nahe an den Künstlern zu sein, hat dieser Umstand allerdings auch so seine negativen Aspekte – auch wenn sie eher profaner Natur sind. So konnte, aus Furcht vor Störgeräuschen bei der Aufzeichnung durch den SWR, trotz der rasch eintretenden stickigen Hitze kein Fenster geöffnet werden. Ein Zugeständnis, das die hier so geforderte Konzentration des Zuhörers manchmal merklich in Mitleidenschaft zog.


Nichtsdestotrotz konnten Hille Perl und „los Otros“, was soviel wie „die Anderen“ bedeutet, ihren Ruf einmal mehr untermauern. Diesmal erklang Musik aus den Gemächern von Louis XIV, jenem Sonnenkönig Frankreichs, der zwischen 1643 und 1715 in einer Weise regierte, die als Höhepunkt des Absolutismus gilt. Mit der Losung „Der Staat bin ich“ legte er seinen unteilbaren Herrschaftsanspruch fest. Zugleich aber regte seine luxuriöse Lebensweise ein reiches kulturelles Leben an. Viele Komponisten, die heute nicht mehr bekannt sind, wurden durch seine Gunst reich und berühmt.


Aus diesem Fundus hat das Trio eine ausgesprochen vielfarbige und darüber hinaus spannende Mischung zusammen gestellt. Allein in der „Suite du troisème livre de pièces de viole“ von Marin Marais kommt die musikalische Bandbreite einer ganzen Epoche zum Tragen. Den mitunter leidenschaftlichen, dann wieder sorgsam analytischen Interpretationen des Trios verdankten die Zuschauer schließlich einen aufschlussreichen Konzertabend.


Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung
Foto: www.hillenet.net

Freitag, 8. August 2008

Bad Hersfeld zeigt in dieser Spielzeit "La Traviata" und "Hänsel und Gretel"

Auch wer die Oper nicht gerade zu seinen bevorzugten Hobbys zählt, gibt es doch das eine oder andere Exemplar, das ihm zumindest dem Namen nach bekannt ist. Bei Giuseppe Verdis „La Traviata“ hat sich zudem die Fernsehwerbung derart freizügig bedient, dass auch der Erstbesucher so manchen Takt munter mitsummen kann. In Bad Hersfeld hat Oper Tradition und erneut haben sich die Festspiel-Ausrichter zwei Publikumslieblinge vorgenommen.


Am ersten Abend also große italienische Oper. Wie enttäuschend ist es dann aber, zu erleben, wie die Protagonisten versuchen, große Gefühle in holprigem, prosaisch anmutendem Deutsch zu transportieren. Opernübersetzungen, die Erkenntnis hat sich eigentlich seit geraumer Zeit durchgesetzt, schaden dem Stück mehr als sie dem Verständnis dienen. Zumal in einem Betrieb, der ohnehin international ausgerichtet ist. Und wenn man die drei Hauptpartien mit koreanischen Künstlern besetzt, kann man ohnehin nicht mit Textverständlichkeit argumentieren. Vielleicht lohnt sich zukünftig die Investition in eine Übertitelungs-Anlage.


Die Bühne teilen sich ausschließlich junge Sängerinnen und Sänger am Anfang ihrer Karriere und mit schmaler Repertoire-Erfahrung. Erfrischend wirkt das bei Su-Youn Kang, der Violetta des Abends. Für sie ist es die erste große Rolle außerhalb des Hochschulbetriebs und sie nimmt sich ihrer Partie mit einem erstaunlich hohem Maß an Überlegtheit und Reife an. Sie verfügt über eine angenehm leichte Stimme, die sicherlich noch wachsen kann. Schon jetzt aber hat die junge Sängerin sowohl die musikalische Tiefe als auch die klangliche Vielseitigkeit zu bieten, die hier notwendig ist. Sehr lebendig gestaltet sie ihr Duett mit Giorgio (solide: Young-Wook Kim), der sie bedrängt, von seinem Sohn Alfredo abzulassen. Authentisch vermittelt sie da den Schmerz um den drohenden Verlust. Im letzten Akt entfaltet sie ihre darstellerischen Qualitäten vollständig, wenn sie Leid und Zerbrechlichkeit ohne falsches Pathos vermittelt.


Byoung-Nam Hwang gelingt es hingegen noch nicht ganz so überzeugend, sich die Partie des Alfredo anzueignen. Zu sehr ist er noch damit beschäftigt, alle ganze Kraft in seine Stimme zu stecken. Das wirkt mitunter angestrengt, wenngleich er immer wieder klangliche Glanzmomente liefern kann. Das Dvorak-Sinfonieorchester Prag vermittelt in der Stiftsruine unter Leitung von Siegfried Heinrich souverän die sich entwickelnde Atmosphäre, der Chor trägt wesentlich zum gelungen Gesamtbild bei. Dieter Reuscher hat eine recht farblose Inszenierung hingelegt. Für eine konsequent spartanische Einrichtung, die hier sicherlich angemessen ist, wirkt das Bühnenbild mit ein paar Korbmöbeln und zwei wackeligen Spiegel-Stelen einfach zu beliebig.


Mit Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ kommt ein weiteres populäres Stück auf die Bühne. Hugo Wieg ist es deutlich besser geglückt, mit wenigen Mitteln eine ansprechende Produktion zu gestalten. Das musikalische Märchen wird zwischen beweglichen Wald-Elementen, Knusperhäuschen und der ärmlichen Behausung der Besenbinderfamilie erzählt. Die Geschwister Hänsel (Merit Ostermann) und Gretel (Julia Caroline Küsswetter) sind muntere Kinder mit einer Menge Flausen im Kopf. Beide gestalten ihre Rolle unprätentiös und verspielt. Kernig und voll engagiertem Spielwitz ist Johannes Wollrab als Vater, etwas verhaltener Claudia Götting als Mutter zu erleben. Die Knusperhexe wird von Brigitte Schweizer verwegen dargestellt. Höhepunkte sind sicherlich der Auftritt der 14 Engel der Ballettschule Karin Harth sowie der abschließende Kinderchor des Bach-Hauses Bad Hersfeld. Dazu motiviert Ekkehard Klemm das Dvorak-Sinfonieorchester Prag auf beständigem Niveau zu einer farbenfrohen Begleitmusik.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Montag, 4. August 2008

Dieter Wedel erzält die Geschichte der "neuen" Nibelungen in Worms

Das Nibelungenlied ist das zentrale Heldenepos, auf das sich die wüstesten Fantasien projiziert haben, bis hin zur wirren Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. In Worms wird die Geschichte um den blauäugigen Superhelden Siegfried und den Untergang der burgundischen Linie in der brennenden Halle des Hunnenkönigs Etzel seit nunmehr sieben Jahren pompös vor dem Nordportal des Doms zelebriert. Regisseur Dieter Wedel hat dafür zwei Vorlagen („Siegfrieds Frauen“ und „Die letzten Tage von Burgund“) von Moritz Rinke zur Verfügung, die er in diesem Jahr erstmals innerhalb einer Spielzeit aufführen lässt und gleichzeitig unter anderem durch die Verwendung von einschlägigen Texten Friedrich Hebbels neu auflegt.


Heraus kommt ein bildermächtig und mit viel Pathos erzähltes Sagenwerk. Zentrale Motive sind Macht und Sex. So knapp lässt sich das problemlos zusammenfassen. Der schwache König Gunter (Roland Renner) hat die Staatsführung weitestgehend an Hagen (Uwe Bohm) abgegeben und sinnt in seiner dekadenten Langeweile vor allem darauf, seine Schwester unter die Haube zu bekommen und für sich eine adäquate Bettgefährtin aufzutreiben. Da kommt Siegfried (Robert Dölle) wie gerufen, denn der siegreiche Held heiratet nicht nur Kriemhild (Annett Renneberg) sondern besorgt, beschläft und domestiziert seinem König gleich noch die isländische Powerfrau Brünhild (Meret Becker).


Nach Hagens Meuchelmord bleiben zwei trauernde Witwen zurück. Kriemhild heiratet Hunnenkönig Etzel, verliebt sich bald in ihn und scheint ihre alte Welt langsam verdrängt zu haben, bis die, erneut geleitet von Gunthers Libido, brachial in ihre Idylle reinplatzt. Die alten Wunden brechen wieder auf, jetzt hilft auch Hagens verleumderische Diplomatie nichts mehr. Das Kartenhaus aus Lüge, Verrat und Intrige, das vorgeblich zu Gunsten des Burgunder-Staates aufgebaut wurde, fackelt buchstäblich ab.


Am ersten Abend sorgt vor allem Meret Becker für bewegende Augenblicke. Sie gibt die Brünhild nicht als männermordende Kampfmatrone, sondern wirkt seltsam zart und zerbrechlich. Dadurch wird unmittelbar deutlich, wie sehr sie betrogen wurde, sowohl um ihre Heimat als auch um ihre Liebe. Sie wird durch den Beischlaf mit Siegfried ihrer Kraft und Selbständigkeit beraubt und lebt fortan nur noch das Leben eines königlichen Anhängsels. Mit aller Macht prallen die beiden betrogenen Frauen später aufeinander. Die zeitweise versuchte Annäherung, die kurz auch homoerotische Züge anzunehmen schien, ist aufgerieben worden im Streit um den Besitzanspruch am toten Helden.


Die Rolle des Hagen macht Uwe Bohm indes zur zentralen Figur der Inszenierungen. An ihm ist es, die tölpelahfte Machtgier seines Regenten in zielführende Bahnen zu lenken. Dabei bricht er nach Belieben Moral und Recht im Sinne der Krone. Mit dem Sänger Volker von Alzey (Walter Plathe) führt Wedel zusätzlich eine Figur ein, die der Struktur erzählerischen Halt gibt.


In „Siegfrieds Frauen“ halten sich Licht und Dunkel noch die Waage. Der marode gesellschaftliche und private Kern kann oft noch hinter einer prachtvollen Fassade und einer vorgeblich heilen Welt verborgen werden. Die „Letzten Tage von Burgund“ aber liegen von Beginn an unter einem Grauschleier, Wedel macht sehr deutlich, dass die allumfassende Katastrophe nicht mehr verhindert werden kann. Hier gibt es nur für einige kurze Momente wieder helles Licht, in dem Kriemhild im Hunnenland ihr neues Glück feiern darf, ohne die nahende Bedrohung ahnen zu müssen.

Freitag, 1. August 2008

José Feliciano beim einzigen Deutschland-Auftritt auf der Festung Ehrenbreitstein

Das Weltkulturfestival „Horizonte“ findet in diesem Jahr zum sechsten Mal auf der Festung Ehrenbreitstein statt und das in einer kompakten Form. Beide Bühnen stehen auf dem gleichen Gelände, nichts desto trotz ist der musikalische Andrang wie der des Publikums groß. Zum Auftakt boten die Organisatoren vom Koblenzer Café Hahn sogar eine kleine Sensation. José Feliciano kam gemeinsam mit seiner Band zum einzigen Deutschland-Konzert dieser Saison. Ohnehin macht sich der aus Puerto Rico stammende amerikanische Musiker in letzter Zeit ganz schön rar. Das Koblenzer Gastspiel ist im Juli der einzige öffentliche Auftritt überhaupt gewesen, auch ansonsten sucht der blinde Sänger und Gitarrist sich seine Konzerttermine sehr sorgsam aus.


Umso größer natürlich die Erwartungen auf der Festung. Die Atmosphäre hier hat echten Festival-Charakter, hinter dem eingegrenzten bestuhlten und von aufmerksamem Sicherheitspersonal behüteten Bereich findet die Stehparty mit Tanzeinlagen statt. Auch im Bereich der Versorgungsstände lässt sich der Abend wunderbar genießen. Feliciano heizte die Stimmung von der Bühne aus nach Kräften an, erfreute die Fans mit einer Mischung aus lateinamerikanischen Rhythmen und erdig-markanten Rockfetzen. „In Koblenz leben viele Latinos“, schmeichelte er seinem Publikum, das ihm den Irrtum natürlich aus vollem Herzen bestätigen mochte.


Als Fünfjähriger kam er mit seiner Familie in den New Yorker Stadtteil Harlem, wo er aufwuchs und schon mit neun Jahren im „Teatro Puerto Rico“ mitspielte. Mit 17 verließ er die Schule, spielte in Clubs und ernährte damit seine Familie, seinen ersten Festival-Auftritt hatte er 1966 in Argentinien. Schnell wurde er zum Star in Lateinamerika, mit „Feliz Navidad“ gelang ihm auch darüber hinaus der Durchbruch. Während des Vietnamkriegs machte er mit seiner eigenwilligen Version der amerikanischen Nationalhymne bei den „World Series“ auf sich aufmerksam und wurde zum Idol der Antikriegsbewegung. Noch heute ist ihm das Engagement für Frieden in der Welt ein besonderes Anliegen. Mittlerweile wurde eine öffentliche Schule nach ihm benannt und seinen Stern auf dem „Hollywood Walk of Fame“ hat er auch bereits bekommen.


In Koblenz war jedoch von Altersruhe nichts zu spüren. Seine unglaublich lässige Version von Michael Jacksons Hit „Billie Jean“ wirkt wie eine Einstiegsdroge, Jason Donovans „Listen to the rhythm of the falling rain“ bekommt einen großen Schluck Melancholie verabreicht. Funkiger Latin-Sound würzt den Sommerhit „Bamboleo“ von den Gipsy Kings, wobei der Meister im Solo dabei ordentlich übers Griffbrett hinaus fingert und die höchsten Klimpertöne ertastet. Dick und voller Kraft der Sound bei „If you don't know me by now“ und mit noch viel mehr Seele als bei Simply Red ohnehin eingesetzt wurde. Der Doors-Klassiker „Light my fire“ ist natürlich ein absoluter Höhepunkt, den sich der Musiker auch bis zum Schluss aufhebt. Ganz am Ende aber entlässt er sein Publikum mit John Lennons „Imagine“, wie gehabt einer Friedenshymne.


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz