Sonntag, 18. Mai 2008

Wunschkonzert mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz

Wenn man die Mainzer fragt, was man ihnen vorspielen soll, muss man sich schon auf ein paar Überraschungen vorbereiten. Diese Erfahrung machten nun Catherine Rückwardt und das Philharmonische Staatsorchester Mainz, die im Winter dazu aufgerufen hatten, ihnen das Programm für das dritte Konzert der Spielzeit in der Phönix-Halle vorzuschreiben. Aus den zahlreichen Einsendungen wurde nun ein Querschnitt präsentiert, der neben den Hits des Klassik-Betriebs auch interessante Entdeckungen beinhaltete. So wurde hier beileibe nicht nur die „leichte Kost“ präsentiert – auch wenn sie schon eindeutig dominierte.


Spritzig erklang die Ouvertüre zu Georges Bizets Oper „Carmen“, Bedrich Smetanas „Moldau“ behnte sich mal munter plätschernd, mal gewaltig wogend ihren Weg durch die Zuhörer. In Felix Mendelssohn-Bartholdys Ouvertüre „Die schöne Melusine“ entwickelte das Orchester einen angenehm weichen und anschmiegsamen Klang. Sanfte Wucht und luftige Durchlässigkeit prägten den Kopfsatz von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 90, zum Schluss vermittelte das Orchester mit der „Finlandia“ von Jean Sibelius noch eine ordentliche Portion Kraft und Selbstbewusstsein.


Dazwischen gab es noch einiges mehr zu entdecken. Etwa das Scherzo und das Finale aus Louise Farrencs Sinfonie Nr. 3 in g-Moll. Die Komponistin gehörte zu den wenigen Frauen, die sich im 19. Jahrhundert bereits in diesem Beruf durchsetzen konnten. Als Klavierprofessorin am Pariser Konservatorium erhielt sie allgemeine Anerkennung, für ihre Kammermusik wurde sie zwei Mal von der Akademie der Künste mit dem „Prix Chartier“ ausgezeichnet. Anders als andere Frauen jener Zeit war es ihr gelungen, ihre Werke von Anfang an unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Verhalten und spritzig zugleich geriet das Scherzo und ließ bei aller Feingliedrigkeit eine hohe musikalische Dichte erkennen.


Eine schwülstige Innigkeit wohnt dagegen in Samuel Barbers 1936 komponiertem „Adagio for Strings“, das von den Hörern des britischen Rundfunksenders BBC vor vier Jahren zum „traurigsten klassischen Stück der Welt“ gewählt worden ist. Besonders effektvoll ist der Russische Matrosentanz aus Reinhold Glières Ballett „Roter Mohn“. Das durch und durch der revolutionären Diktion gehorchende Werk hat alles, was dem pompösen Selbstbild des Sowjetreiches entspricht. Lautmalerisch und mit klaren Formen und Rhythmen zieht das Stück sofort in seinen Bann und wurde damit auch zum Renommierstück dieses spannungsreichen Wunschkonzertes.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Freitag, 16. Mai 2008

Dieter Boyer inszeniert Goethes "Torquato Tasso" in Mainz

Hierzulande wäre der italienische Dichter Torquato Tasso wohl kaum mehr bekannt. Doch Goethe hat ihn in seinem gleichnamigen Schauspiel unsterblich gemacht. Dieter Boyer inszeniert das Stück nun mit dem Mainzer Schauspiel-Ensemble.


Tasso lebte zwischen 1544 und 1595. knapp 200 Jahre nach seinem Tod ließ Goethe sein Drama drucken, 1807 wurde es schließlich uraufgeführt. Seitdem sind nun wieder 200 Jahre vergangen. Die zeitliche Dimension und die Entfernung zwischen heute und dem realen Tasso ändert aber kaum etwas an der Aktualität des Problems, das Goethe verhandeln lässt. Boyer bezeichnet das Stück als Goethes „großes Künstlerdrama“. Es geht schlichtweg um ein „allgemeines Begehren, sich mit Kunst zu schmücken“. Doch Tasso will da nicht mittun. Er beharrt auf der „Relevanz“ seines Schaffens.


Die Konfliktlinien laufen vielschichtig durch das Drama. Der Dichter trifft auf den Macher Antonio, der nicht einsehen mag, dass der Jongleur komplexer Zusammenhänge, die ihn quasi am Handeln hindern, nun zu ehren kommt. „Schnell stellt sich die Frage, was Kunst überhaupt kann“, liest Boyer in dem Stück. Schließlich sei das auch ein Thema, mit dem ein Theatermensch immer befasst ist. Dabei gehe es auch um das „sich ernst nehmen als Künstler“, findet er. Im Drama steht Tasso weitestgehend allein vier „Nicht-Künstlern“ gegenüber. „Tasso und Antonio sind konkrete Gegenentwürfe“, stellt er fest. „Tasso weiß, dass die Dinge kompliziert sind und ist durch seine Beschäftigung damit für die praktischen Aufgaben völlig unbrauchbar“, so Boyer weiter. Da ist ihm Antonio voraus, der in allen politisch relevanten Belangen konsultiert wird.


Besonders fasziniert ist der Regisseur auch von Goetes Sprachwelt. „Die Sprache ist stärker als alles, was wir physisch bauen können“, sagt er mit Blick auf das Bühnenbild, das größtenteils auf Dekoration verzichtet. Licht spielt eine wichtige Rolle, Räume entstehen durch Ausleuchtung. Noch immer kann Boyer ständig etwas Neues in dem Stück entdecken. „Das ist das Besondere an solch komplexen Texten“, zeigt er sich nach wie vor begeistert von dem Stoff. Aber: „Ehrfurcht muss ich wegschaufeln“, darum ehre er den Meister und seine Kunst auch, fürchte ihn aber nicht. Deshalb hat er sich auch an notwendige Kürzungen gewagt, so dass die Aufführungsdauer nun bei unter drei Stunden inklusive Pause liegt.


  • Für die Inszenierung wurden eigens eine Szenenmusik bei Susanna Ridler in Auftrag gegeben
  • Premiere ist am 17. Mai im Kleinen Haus, weitere Aufführungen am 20 und 25. Mai, jeweils 19.30 Uhr
  • Karten unter 06131/2851-222
Erschienen in der Allgemeinen Zeitung Mainz



Donnerstag, 15. Mai 2008

Zum aktellen Ballett-Abend am Staatstheater Mainz

Martin Schläpfer hält nichts von konstruierten Zusammenhängen. Lieber lässt er jedes einzelne Stück für sich wirken. Ohnehin weiß er, wie schwer es ist, getanzte Inhalte und Bedeutungen zu verbalisieren, darum möchte er vor allem neugierig auf das eigene Erleben machen. Das Programm XXVI führt drei sehr unterschiedliche Choreografien an einem Abend also konsequenterweise nicht zusammen, sondern stellt sie neben einander. Wer mag, kann dann darüber hinaus Zusammenhänge entdecken, die mit den eigentlichen künstlerischen Vorträgen wenig zu tun haben. So wurde das „Kammerballett“ von Hans van Manen choreografiert und von Paul Lightfoot und Sol León vor Jahren uraufgeführt. Heute sind die beiden früheren Tänzer ein Choreographen-Paar und steuern zum aktuellen Mainzer Programm ihre Arbeit „Sh-Boom!“ bei.


Doch zunächst gibt es etwas vom „Choreographer in Residence“, Nick Hobbs zu sehen. Der hat sich vom Streichquartett Nr. 1 des ungarisch-österreichischen Komponisten György Ligeti inspirieren lassen, um seine „Métamorphoses nocturnes“ nach dem Beinamen des Stücks zu ersinnen. Die Kostüme von Thomas Ziegler ziehen die 16 Tänzerinnen und Tänzer nach und nach aus, um auch äußerlich so eine Art Häutung vorzunehmen. Eine konkrete Handlung wird es nicht geben, die Dramatik, so verspricht Hobbs, entsteht aus dem Verhältnis der Figuren zueinander und zum Raum. „Es gibt dabei viele Begegnungen, manche verlaufen blutig, die anderen kühl und sind vielleicht so etwas wie die zwei Seiten einer Medaille“, beschreibt er seine Idee.


Das Duo León und Lightfoot hat sich lange Zeit mit einer gemeinsamen Produktion beschäftigt, die immer wieder ein anderes Gesicht bekommen hat. Amerikanische, finnische, spanische und britische Songs der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts stehen dabei Pate. Die vordergründige Lebensfreude, die sie ausstrahlen korrespondiert dabei unmittelbar mit der politischen Intention, die hinter dem Durchhalte-Soundtrack des Weltkriegs steckte. Auch hier kommt dem Raum wieder eine große Bedeutung zu, darüber hinaus wird die Arbeit mit Licht eine wichtige Rolle spielen. Ganz nebenbei sei bemerkt, dass die beiden Choreographen grundsätzlich sehr unterschiedliche künstlerische Vorstellungen haben, die es in der gemeinsamen Arbeit kreativ zu nutzen galt.


Dazwischen dann das „Kammerballett“ van Manenes, dessen Arbeiten schon oft in Mainz zu sehen waren. Ballettdirektor Schläpfer geht mittlerweile schon so weit, davon zu sprechen, der „Meister der Choreographie“ habe seine Compagnie wesentlich mit geprägt. In dem Stück stecke ein „ungeheures Wissen über die Traurigkeit und auch über die Kraft, mit der die Welt dieser gegenüber steht“. Für Sol León sind es „bewegende Momente“, nun der Einstudierung des Stücks zuzuschauen, mit der sie selbst wichtige Impulse verbindet.

Veröffentlicht u.a. in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Montag, 12. Mai 2008

Dale Duesing zeigt an der Frankfurter Oper mit Rossinis „Il viaggio a Reims“ eine einfallsreich erzählte Posse wider Willen

Eigentlich verdient Dale Duesing seinen Unterhalt ja auf der Bühne. Doch Ende 2004 hat er an der Oper Frankfurt gezeigt, dass weit mehr Talente in ihm schlummern als die eines veritablen Baritons. Gioacchino Rossinis Dramma giocoso „Il viaggio a Reims“ aus dem Jahr 1825 hatte er sich seinerzeit für sein Regiedebüt ausgesucht und damit aus dem Stand eine mehrfache Nominierung als „Regisseur des Jahres“ im Fachmagazin „Opernwelt“ ergattert. Das gleiche Magazin hatte ihn 10 Jahre zuvor bereits zum „Sänger des Jahres“ gekürt. Seitdem hat er nun zwei weitere Inszenierungen abgeliefert, für die Spielzeit 2010/11 soll eine vierte in Frankfurt gezeigt werden.


In dieser Saison kann sich das Frankfurter Opernpublikum aber noch einmal Duesings Erstling anschauen. Rossinis Reise nach Reims steht zum zweiten und letzten Mal als Wiederaufnahme auf dem Spielplan und überzeugt immer noch mit seiner Beweglichkeit und Luftigkeit, seinem Witz und seinem entspannten Einfallsreichtum. Die Lust an der Überspitzung von Nichtigkeiten ist in jedem Moment spürbar, die Dramatisierung des Banalen wird in Musik und Szene immer wider pointiert aufs Korn genommen. Dass Duesing dabei seine Figuren geschickt zwischen Lächerlichkeit und Tragik positioniert, hat Axel Weidauer als szenischer Leiter der Wiederaufnahme gut durchschaut.


Johannes Debus leitet das musikalische Geschehen vom Hammerklavier aus, möglicherweise liegt es an dieser nicht ungewöhnlichen Doppelrolle, dass so manche Passage arg ins Wanken gerät und erst nach deutlichen Anstrengungen alle Beteiligten wieder zueinander finden. Dem Genuss an dieser Posse wider Willen tut das aber keinen Abbruch. Der Chor zeigt sich von seiner besten Seite, auch das Solisten-Ensemle mit Simona Saturova (Madame Cortese), Elin Rombo (Corinna) und Don Profondo (Simon Bailey) an der Spitze gibt sich meisterhaft dem verspielten Reigen hin. Routiniert und zupackend rundet das Museumsorchester eine gelungene Produktion ab.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Erfolgskonzept Rheinische Orchesterakademie Mainz

Das Konzept ist gar nicht mal so neu, dafür umso erfolgreicher und mittlerweile auch in Mainz bewährt. Man nehme, je nach Bedarf, plus minus 60 motivierte junge Nachwuchsmusiker, Profis oder Laien, eine handvoll versierter Dozenten und lasse sie gemeinsam an dramaturgisch schlüssigen Programmen arbeiten. Heraus kommt die Rheinische Orchesterakademie, kurz ROAM. In der Regel bekommen die Mainzer das Ergebnis zwei mal im Jahr vorgespielt. Hinter dem Projekt steht ein Verein, viel ehrenamtliches Engagement und keine institutionelle Förderung. Für die musikalische Qualität sorgen neben dem jeweiligen Dirigenten, der projektweise verpflichtet wird, Dozenten wie der Geiger Arndt Heyer (hr-Sinfonieorchester) und der Posaunist Felix Degenhardt vom Philharmonischen Staatsorchester Mainz.


Die neunte Orchesterwerkstatt hat sich mit der nordeuropäischen Musik beschäftigt. Erkki-Sven Tüür, geboren 1959, gehört zu den wenigen estnischen Komponisten, die auch international Beachtung finden. Sein Orchesterstück „Searching for Roots“ ist eine Hommage an den finnisch-schwedischen Komponisten Jean Sibelius, sicherlich ein Übervater für Komponisten aus dem nordischen Raum. Das kurze Orchesterstück wurde nun im Mainzer Schloss engagiert und facettenreich zwischen scheinbar chaotischem Zirpen markigen Klangsäulen aus Blech vorgestellt.


Unwirkliches Säuseln bestimmt den Streicherapparat zunächst im Konzert für Violine und Orchester op. 33 von Carl August Nielsen (1865-1931), dem bedeutendsten dänischen Komponisten – hierzulande freilich kaum gespielt. Dorottya Ulyaky nimmt sich zupackend und mit kultiviertem Klang ihres Soloparts an. Das Orchester unter der Leitung von Clemens Heil, derzeit Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung am Mainzer Staatstheater, begleitete hier sehr exakt und erwies sich als sehr aufmerksam. Gleichsam kosteten die Musiker die schwelgerischen Momente des Stücks gerne aus, ohne dabei aber zur Übertreibung zu neigen.


Diese Disziplin, gepaart mit großer musikalischer Neugier und einem beachtlichen Gestaltungswillen des Dirigenten, lies auch die Sinfonie Nr. 2 in D-Dur von Jean Sibelius zu einem unbestreitbaren Erfolg werden. Immer blieb Raum für musikalische Nuancen, ohne dabei den Sinn für den Gesamtklang außer acht zu lassen.


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Freitag, 9. Mai 2008

Das hr-Sinfonieorchester und der Cellist Gautier Capucon können in der Alten Oper restlos überzeugen

Der Brahms-Zyklus des hr-Sinfonieorchesters neigt sich dem Ende zu. Die vorletzte Ausgabe der Konzerte für diese Spielzeit konfrontierte das Publikum in der Alten Oper mit der 3. Sinfonie. Wobei es Konfrontation kaum triff. Es war eher eine absolute Vereinnahmung der Zuhörer, die dem bestens aufgelegten Klangkörper unter seinem Chef Paavo Järvi gelungen ist. Gleich um die Ecke, in Wiesbaden, hat Brahms das Werk im Sommer 1883 vollendet und dem hr-Sinfonieorchester ist es gelungen, es in all seinen unterschiedlichen Schattierungen 125 Jahre später anregend zu beleben.


Schon zuvor war aufgefallen, wie besonders aufmerksam das Orchester an diesem Abend musizierte. Man ist ja einen gewissen Standard von den Radiosinfonikern gewohnt, doch diesmal schienen die Musiker von einer besonderen Begeisterung getrieben. Dass Gustav Mahlers Totenfeier zur eindrucksvollen Demonstration von Kraft und Emotion werden würde, konnte erwartet werden. Doch die Sensibilität, mit der hier zu Werke gegangen wurde, war atemberaubend. Viele kleine Momente ließen immer wieder aufhorchen. Da blies sich der Klang buchstäblich auf, um einer einsamen Melodie Platz zu schaffen, die zunächst von hellem Holz, später einem schwülen Geigentutti übernommen wurde. Der empfundene Puls wechselte ständig, mitunter schien er ganz zu erlöschen oder im Gegenteil zu explodieren.


Im Cellokonzert von Antonín Dvorák fand das Orchester genau den richtigen Ton zwischen Zurückhaltung sowie Stütze und Forderung des Solisten. Gautier Capucon kostete diese besonders organische Form des Musizierens hörbar aus, zog Motive wie an einem silbernen Faden herbei, ließ zarte Eleganz aufblitzen und faszinierte mit pfiffigen Läufen. Dabei trübte keine Unsauberkeit die Klarheit seines Tons.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Donnerstag, 1. Mai 2008

Bei einem Doppelabend beschäftigen sich die Schwetzinger Festspiele zur Eröffnung mit dem Niobe-Stoff

Zwei Mal wurde das Publikum mit dem Stoff der sich göttlich wähnenden Niobe konfrontiert. Zunächst enorm zeitgenössisch und am Rande der Verständlichkeit. Dafür war der Spuk nach einer halben Stunde wieder vorbei. Gerade so lange dauerte Adriana Hölskys A-Capella Drama für Stimmen. Die Auftragskomposition für die Schwetzinger Festspiele konnte als Vorspiel für das spätere Barock-Opus hingenommen werden, außer der inhaltlichen Vorlage dürfte es kaum Berührungen gegeben haben.


„Hybris / Niobe“ ist der komplette Titel nach einem Libretto von Yona Kim, die sich bei Ovid, Shakespeare, der Bibel und einer Textcollage aus „Die Landplagen“ von Jakob M.R. Lenz bedient hatte. Aus dem Textwust hat die Komponistin nur einen Teil vertont, den aber in einer beeindruckenden Weise in einer seltsamen Gleichzeitigkeit der Geschehnisse. Wirkliche Dialoge finden nicht statt, weil alle kreuz und quer übereinander singen. Das Personal der Handlung ist auf sechs Solisten aufgeteilt, ihnen wird ein Chor aus dem SWR Vokalensemble Stuttgart zur Seite gestellt, der als Geräuschkulisse ordentlich Lärm veranstaltet. Man kann diese Form des Musikdramas vielleicht noch als eine Rückbesinnung auf die alte Form des Madrigals verstehen, Verständlichkeit wird aber nicht mehr als Kriterium angesehen. Unterhaltsam ist das dennoch, nicht mehr und nicht weniger. Die Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Dennis Comtet haben sich jedenfalls mit beachtlichem Engagement ins Zeug gelegt.


Den Löwenanteil in Sachen Länge nahm Agostino Steffanis Oper „Niobe, regina di Tebe“ in Anspruch. Historische Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer wurden mitunter durch moderne Bühnen- und Lichtelemente von Raimund Bauer kontrastiert, was dem barocken Drama eine gewisse Geschwindigkeit der Erzählung unterschob. Regisseur Lukas Hemleb hat den Zusammenprall zwischen menschlicher Unfertigkeit und göttlichem Anspruch vor dieser Folie durchaus nachvollziehbar eingerichtet. Niobe wurde von Maria Bentsson mit strahlendem, lupenreinem, sehr sinnlichem Sopran gegeben, für eindringliche Arien sorgte Jacek Laszczkowski als Anfino. Pfiffig Delphine Galou als Kindermädchen Nerea, sehr voll und manchmal etwas düster Tobias Scharfenberger als blinder Seher Tiresia. Mit Fleiß und Engagement steckte das Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock einen soliden Rahmen an.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse