Samstag, 30. April 2005

Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" am Wiesbadener Staatstheater

Sex und Gewalt beherrschen die Bühne. Und Josef Stalin mochte das 1936 einfach nicht dulden. Obwohl Dimitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ zwei Jahre lang bereits internationale Erfolge feierte, verbot er seinerzeit die weitere Aufführung. Sie passte nicht ins Bild des damals als „sozialistischer Realismus“ ausgegebenen Leitlinie. Doch noch war dem Diktator aufgefallen. Text und Musik sind voller Möglichkeiten für aktuelle Gesellschaftskritik. Da werden starre Hierarchien ebenso wie staatliche Willkür, verlogene Autoritäten und die Deformation des Einzelnen durch gesellschaftlichen Druck angeprangert. Erst nach Stalins Tod wird Schostakowitsch rehabilitiert, die Oper nach einigen Änderungen 1964 wieder aufgeführt. Nach weiteren 15 Jahren wird die Urfassung wieder gespielt.

Dass das Wiesbadener Staatstheater gerade dieses Werk ausgewählt hat, um die Internationalen Maifestspiele mit einer Eigenproduktion zu eröffnen, scheint gewagt. Drei Stunden lang gibt es kaum etwas schönes. Sperriger Gesang, wuchtige Klangspielereien eines gigantischen Orchesterapparats, fratzenhafte Gestalten.

Gutsherrin Katerina Ismailowa (Milana Butaeva) langweilt sich mit ihrem dümmlichen, aber wohlhabenden Gatten Sinowi (Johann Valdimarsson) und nutzt die Gelegenheit seiner Abwesenheit für einen Quickie mit dem neuen Arbeiter Sergej (Dan Chamandy). In der Zwischenzeit sinniert Schwiegervater Boris (Hannu Niemelä) über seine verlorene Jugend und darüber, dass er der kinderlosen Schwiegertochter zu seiner Zeit schon zu einem Erben verholfen hätte. Dabei ertappt er das heimliche Paar und lässt Sergej öffentlich auspeitschen. Katerina vergiftet daraufhin den verhassten Peiniger, später wird der heimkehrende Boris, der ebenfalls in ein Tête-à-tête platzt, brutal erwürgt. Nun wird geheiratet. Während der Feier wird die im Kelle verwesende Leiche des ehemaligen Hausherrn entdeckt, das Mörderpaar ins sibirische Straflager verbannt. Dort verliert Sergej sein Interesse an der nun mittellosen Katerina und vergnügt sich mit einer Zwangsarbeiterin. Die Abgeschobene stürzt sich in die Fluten eines Flusses und reißt die Nebenbuhlerin mit sich.

Für Milana Butaeva ist der Abend eine enorme Tortur, die sie bravourös absolviert. Bizarr ihre überreizte Totenklage im vierten Bild oder die wahnhaften Liebesbezeugungen. Neben ihr vermittelt Dan Chamandy mit klarer, aussagekräftiger Stimme und großer Spielfreude den Inbegriff eines schmierigen Taugenichts.

Intendant Manfred Beilharz setzt die Oper ohne falschen Pomp in Szene. Die martialische Kargheit der Bühne von Bernd Holzapfel lässt ihm auch genug Raum. Immer neue Konfliktlinien werden nachgezeichnet, beeindruckend ist die endlos scheinende Kolonne der Zwangsarbeiter im letzten Bild. Chor und Orchester laufen unter der Leitung von Fabrizio Ventura zu Höchstform auf und runden damit ein faszinierendes Opernspektakel ab.

Veröffentlicht in NEWS Frankfurt