Freitag, 24. April 2009

Spielzeit 2009/10 im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

„Ich freue mich über den Zuspruch, den das Hessische Staatstheater Wiesbaden auch in dieser Spielzeit hatte. Dem Vertrauen der Besucher unseres Hauses möchte ich mit einem hochwertigen und abwechslungsreichen Programm gerecht werden“, erklärte Intendant Dr. Manfred Beilharz anlässlich der Vorstellung der Spielplans für die Saison 2009/2010. Er bedankte sich für den großen Einsatz aller Mitarbeiter in der noch bis zum 10. Juli dauernden Saison.

Die kommende Spielzeit wird offiziell am Samstag, den 5. September 2009 mit einem großen Theaterfest eröffnet, das ab 14.00 Uhr bis tief in die Nacht auf allen Bühnen des Hauses stattfindet und in einer Vorstellung im Großen Haus mündet, bei der alle Sparten des Staatstheaters einen Einblick in die neue Spielzeit geben. Die neue Spielzeit wartet neben einer Besonderheit im Schumann-Jahr im Musiktheater mit vier Uraufführungen und einer Deutschsprachigen Erstaufführung im Schauspiel auf und endet im Juni 2010 mit der Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA.

Zum Schumann-Jahr 2010 bietet das Staatstheater Wiesbaden eine Seltenheit: das Lyrische Drama Das Paradies und die Peri, inszeniert von David Mouchtar-Samorai. Den Auftakt der Opernsaison bildet Il Trovatore (Der Troubadour), Giuseppe Verdis Meisterwerk des romantischen Musiktheaters. Es inszeniert der international tätige italienische Regisseur und Autor Cesare Lievi, die musikalische Leitung hat Wolfgang Ott. Weiter geht es mit Cole Porters Musical Kiss Me, Kate in einer Inszenierung von Iris Gerath-Prein, die auch das Musical „My Fair Lady“ realisierte, das seit vergangenem November die Zuschauer begeistert. Mit Falstaff (Musikalische Leitung: Marc Piollet) von Giuseppe Verdi debütiert der Choreograf Christian Spuck als Opernregisseur am Staatstheater Wiesbaden. Spuck stellte sich den Wiesbadenern bei den Maifestspielen 2008 mit dem hochdramatischen Handlungsballett „Lulu“ vom Staatstheater Stuttgart vor. Nach Maillot (Faust) und Pinto/Pollak (Armide) ist Christian Spuck der dritte Choreograf, den Intendant Manfred Beilharz zu einer Opernregie in Wiesbaden einlädt. Marc Piollet und Carlos Wagner setzen ihre gemeinsame erfolgreiche Arbeit mit dem Doppelabend Gianni Schicchi von Giacomo Puccini und L’Heure espagnole (Die spanische Stunde) von Maurice Ravel fort. Die Internationalen Maifestspiele 2010 werden schließlich mit Elektra von Richard Strauss eröffnet.

Ballettdirektor Stephan Thoss wird in drei Choreografien ganz unterschiedliche Themenkreise und ästhetische Ansätze präsentieren: Ab Oktober steht der dreiteilige Ballettabend Labyrinth mit zwei Uraufführungen nach Musiken von Mozart, Verdi, Bizet und anderen auf dem Programm. Im Februar 2010 choreografiert Stephan Thoss Es war einmal... Grimms Märchen für Eilige, eine Ballettkomödie für die ganze Familie (hier wird er choreografisch unterstützt von seinen Ensemblemitgliedern Yuki Mori und Mirko Guido) zum 150. Todestag von Wilhelm Grimm. Als dritte Arbeit der kommenden Spielzeit zeigt Thoss Dornröschen als Neuinterpretation des weltbekannten Handlungsballetts mit der Musik von Peter I. Tschaikowsky als Fortsetzung seiner Beschäftigung mit dem „Schwanensee“.

Das Schauspiel zeigt in der Spielzeit 2009/10 insgesamt 13 Neuinszenierungen, davon eine im Großen Haus, sieben im Kleinen Haus und fünf in der Wartburg. Das Publikum darf sich auf vier Uraufführungen und eine Deutschsprachige Erstaufführungen freuen.

Die Schauspielsaison eröffnet Intendant Manfred Beilharz im Kleinen Haus mit Ödon von Horváths Glaube Liebe Hoffnung. Im Großen Haus inszeniert Tilman Gersch eine der berühmtesten Liebesgeschichten überhaupt: Shakespeares Romeo und Julia. Gerschs zweite Regiearbeit wird die Deutschsprachige Erstaufführung des Schauspiels Kunstschwimmer von David Drábek sein. Die tschechische Uraufführung von „Kunstschwimmer“ war 2006 zu Gast bei der Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA. Slobodan Unkovski, der in der Spielzeit 2006/07 „Heuschrecken“ von Biljana Srbljanović auf die Bühne brachte, inszeniert Marius von Mayenburgs Der Stein. Der bekannte Schauspieler, Regisseur und Medienkünstler Herbert Fritsch, der in der vergangenen Spielzeit mit seinem Stück „Spielbank“ in der Wartburg erstmals in Wiesbaden inszenierte, nimmt sich Ben Jonsons 1606 geschriebener Komödie Volpone an, und Konstanze Lauterbach zeigt in einer Wiesbadener Fassung die Novelle Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist. Nach „Der Gott des Gemetzels“ und „Die Räuber“ wird sich Ricarda Beilharz einem Klassiker der Weltliteratur widmen: Gotthold Ephraim Lessings Tragödie Emilia Galotti. Als Abschluss der Schauspielpremieren steht die Uraufführung der Komödie Meeresfrüchte nach dem Film von Olivier Ducastel und Jacques Martineau auf dem Spielplan. Der französische Film „Meeresfrüchte“ kam 2005 in die Kinos und wird im Kleinen Haus zu sehen sein. Es inszeniert der junge Berliner Regisseur André Rößler, der auch für die am heutigen Abend stattfindende Uraufführung „Jailhouse Blues“ verantwortlich zeichnet.

In der Wartburg zeigen junge Regisseurinnen und Regisseure ihre Sicht auf die Welt: Caroline Stolz inszeniert Das große Fressen nach dem Film von Marco Ferreri sowie Shopping Queens (UA), die musikalische Antwort auf „Männerhort“. Tobias Materna zeigt Dario Fos und Franca Rames Offene Zweierbeziehung, die türkische Autorin und Regisseurin Yeşim Özsoy Gülan wird in der Auftragsarbeit Türkiye – Almanya 0:0 (UA) in türkischer und deutscher Sprache mit Schauspielern beider Nationalitäten arbeiten. In Kooperation mit der Hessischen Theaterakademie realisiert Stephan Seidel die Uraufführung des Schauspiels Das Gähnen der Leere.

Das Junge Staatstheater präsentiert – in der letzten Spielzeit unter der Leitung von Matthias Faltz – fünf Produktionen für Kinder und Jugendliche, darunter das große Stück zur Weihnachtszeit – in diesem Jahr Ronja Räubertochter.

Die acht Sinfonie-, Kammer- und Jungen Konzerte des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden sowie der vier Produktionen der musik-theater-werkstatt und die Musicalaufführungen des jugend-club-theaters (Crazy for you von Gershwin im Kleinen Haus und in der Wartburg Der kleine Horrorladen von Alan Menken und Howard Ashmann) runden das Programm ab.

Das Jugendreferat wird in der kommenden Spielzeit wieder eine große Fülle von Angeboten für junge und junggebliebene Teilnehmer bereit halten. Das Großprojekt Gilgamesch – Eine Stadt macht Musiktheater wird sich unter der Leitung von Priska Janssens über zwei Spielzeiten erstrecken, Künstler des Staatstheaters werden gemeinsam mit Wiesbadenern jeden Alters eine Oper kreieren und zur Aufführung bringen.

Vom 17. - 27. Juni 2010 präsentiert das Hessische Staatstheater Wiesbaden zum vierten Mal die Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA, das weltweit größte Festival für europäische Gegenwartsdramatik.

(Quelle: Hessisches Staatstheater Wiesbaden)

Donnerstag, 23. April 2009

Oper Frankfurt stellt Spielzeit 2009/2010 vor

Auf dem Spielplan 2009/10 stehen 13 Premieren mit 85 Vorstellungen. Sicherlich steht diese kommende Saison zum einen im Zeichen von Richard Wagners Ring des Nibelungen, den Vera Nemirova mit dem Rheingold am 2. Mai 2010 zu schmieden beginnt. Am Pult des Frankfurter Museums- und Opernorchesters steht Generalmusikdirektor Sebastian Weigle. Die Walküre folgt am 31. Oktober 2010, Siegfried am 30. Oktober 2011 und Götterdämmerung am 29. Januar 2012. Für Juni 2012 sind zwei vollständige Ring-Zyklen geplant.

Aber auch das übrige Programm der Oper Frankfurt verspricht eine Menge an spannenden Neuproduktionen: den Beginn macht Karl Amadeus Hartmanns Simplicius Simplicissimus am 6. September 2009. Der Frankfurt fest verbundene Christof Nel hat seine Inszenierung bereits in Stuttgart und München gezeigt. Bei den Frankfurter Aufführungen steht Kapellmeister Erik Nielsen am Pult. Franco Leonis L’oracolo ist eine Frankfurter Erstaufführung und wird in Kombination mit Giacomo Puccinis Le Villi von Sandra Leupold als Opern-Doppel inszeniert. Bei der Premiere am 4. Oktober 2009 führt Stefan Solyom den Taktstock.

Gaetano Donizettis Anna Bolena führt am 23. Oktober 2009 die Reihe konzertant dargebotener Werke in der Alten Oper Frankfurt fort. Es dirigiert Giuliano Carella. Am 6. März 2010 folgt im Haus des Koproduzenten dieser Reihe Puccinis La Rondine unter der musikalischen Leitung von Marc Soustrot. Den Chor der Oper Frankfurt studiert Chordirektor Matthias Köhler ein.

Weiter geht es im Opernhaus am 22. November 2009 mit Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt in der Sicht von Anselm Weber und mit Sebastian Weigle am Pult. Zeitgenössisches Musiktheater folgt am 10. Januar 2010 mit Thomas Adès The Tempest in Deutscher Erstaufführung. Keith Warner inszeniert das nach Shakespeare entstandene Werk, Johannes Debus dirigiert.

Die erste Produktion der Spielzeit 2009/10 im Bockenheimer Depot am 24. Januar 2010 ist eine Frankfurter Erstaufführung: Owen Wingrave von Benjamin Britten, Regie führt Walter Sutcliffe, die musikalische Leitung hat Kapellmeister Yuval Zorn. Die zweite Depot-Produktion ist die Szenische Erstaufführung von Francisco António de Almeidas La Giuditta am 12. Juni 2010 in der Sicht von Guillaume Bernardi, am Pult steht Studienleiter Felice Venanzoni. Als letzte Produktion in Bockenheim präsentiert das Ensemble Modern einen Doppel-Abend mit Kurt Weills Mahagonny-Songspiel und Helmut Oehrings Die WUNDE Heine am 27. Juni 2010. Diese Frankfurter Erstaufführung wird dirigiert von Kapellmeister Hartmut Keil, die Inszenierung besorgen Stefanie Wördemann und Helmut Oehring.

Zurück in der Zeit und zurück ins Opernhaus: Dort steht am 14. Februar 2009 Vivaldis Orlando furioso als Frankfurter Erstaufführung auf dem Programm. Schauspielregisseur David Bösch legt damit seine zweite Inszenierung für das Musiktheater vor, es dirigiert Barock-Experte Andrea Marcon. Am 28. März 2010 feiert Daphne von Richard Strauss in einer Neuproduktion von Claus Guth Premiere, der aus diesem Anlass erstmals mit GMD Sebastian Weigle zusammenarbeitet.

Den Abschluss der Saison im Opernhaus bildet Hector Berlioz’ Fausts Verdammnis am 13. Juni 2010. Regie führt Altmeister Harry Kupfer, Julia Jones kehrt dafür ans Pult des Frankfurter Museums- und Opernorchesters zurück. Berlioz wird dann auch das Begleitprogramm unter dem Titel Oper Finale gewidmet sein.

15 Wiederaufnahmen mit 93 Vorstellungen sind im Opernhaus terminiert. Zahlreiche Erfolgsproduktionen der Oper Frankfurt aus der letzten Saison werden wieder in den Spielplan aufgenommen, darunter Christof Loys Inszenierungen von Arabella (11. September 2009), La clemenza di Tito (10. Oktober 2009), Così fan tutte (19. Februar 2010) und Simon Boccanegra (9. April 2010) sowie Die Frau ohne Schatten (18. Oktober 2009) und Parsifal (7. März 2010) von Christof Nel. Zudem gibt es auch ein Wiedersehen mit Richard Jones’ Billy Budd (9. Mai 2010) und David McVicars Don Carlo (21. Mai 2010).

Auch in der Saison 2009/10 bieten 8 Liederabende im Opernhaus eine außergewöhnliche Mischung aus etablierten Klassikstars und vielversprechenden „Newcomern“: David Daniels, Countertenor (29. September 2009); Michael Nagy; Bariton (20. Oktober 2009); Michaela Schuster, Mezzosopran (17. November 2009); Krassimira Stoyanova, Sopran (19. Januar 2010); Pavol Breslik, Tenor (2. März 2010); Sophie Karthäuser, Sopran (23. März 2010); Bernarda Fink, Mezzosopran (25. Mai 2010); Michael Schade, Tenor (8. Juni 2010).

Erneut sind mehr als 100 Sonderveranstaltungen geplant, wobei es hier zwei neue Programmpunkte geben wird: der erste ist die fünfteilige Reihe Quast spielt Offenbach, die Michael Quast ab 1. Dezember 2009 im Opernhaus präsentiert. Der ganze Offenbach aus einer Kehle, in Koproduktion mit der „Fliegenden Volksbühne Frankfurt“. Michael Quast singt, tanzt und spielt die großen Operetten von Jacques Offenbach in neuer Übersetzung von Michael Quast und Rainer Dachselt, am Flügel begleitet von Rhodri Britton und Theodore Ganger. Als zweite Neuerung bietet die Dramaturgie der Oper Frankfurt den Vorlesungszyklus Wagner verstehen an, pünktlich zum Auftakt des Frankfurter Rings.

Selbstverständlich bereichern auch die bereits bekannten Sonderveranstaltungen weiterhin das Programm der Oper Frankfurt, darunter die Einführungen zu den Premieren der Saison (Oper extra). Unter dem Motto Oper für alle werden erneut Vorstellungen zu 15,- bzw. 10,- € auf allen Plätzen angeboten. Auch wird es wieder ein breitgefächertes Kinder-Programm geben, darunter Veranstaltungen wie Oper für Kinder (ehemals Werkstatt für Kinder), Konzerte für Kinder, Oper unterwegs sowie Opernprojekte für Schüler und deren Lehrer. Wieder angesetzt ist auch die Reihe Oper für Familien, in deren Rahmen ein voll zahlender Erwachsener drei Freikarten für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren erhält, sowie Nachmittagsvorstellungen mit kostenloser Kinderbetreuung. Zudem lädt Steffen Seibert erneut ein zu den Foyergesprächen der Reihe Oper lieben. Veranstaltungen wie Happy New Ears (Werkstattkonzerte mit dem Ensemble Modern), Kammermusik im Foyer sowie die Museumskonzerte in der Alten Oper runden das Angebot ab. Einführungsvorträge vor jeder Opernaufführung werden weiterhin jeweils eine halbe Stunde vor Beginn im Opernhaus angeboten.

(Quelle: Oper Frankfurt)

Dienstag, 21. April 2009

Mit einem reinen Mozart-Programm überzeugt „Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen“ unter der Leitung von Herbert Blomstedt in der Alten Oper

Vor wenigen Tagen ist der Vater von Arabella Steinbacher gestorben und wohl niemand im Saal der Alten Oper hätte es ihr verübelt, wenn sie ihren Auftritt abgesagt hätte. Doch sie wollte das Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart ganz bewusst ihm zu Ehren aufführen. Als Achtjährige, so teilte der neue „Pro Arte“-Geschäftsführer Michael Herrmann mit, habe sie das Werk gemeinsam mit ihrem Vater einstudiert. Ihre Interpretation des populären Stückes fiel enorm sinnlich aus. Sie überzeugte mit sattem, warmem Klang, der sich oft auch ins Brillante wandelte, dabei erzeugte sie einen unmittelbar wirksamen Ton. Gleichzeitig gelingen ihr wie organisch fließende musikalische Zusammenhänge, dennoch wirkt sie ausgesprochen zupackend. Es scheint eine stille Leidenschaft zu sein, aus der sie allein den Facettenreichtum des Kopfsatzes aushorcht und zur Geltung bringt. Mit überraschend herber Burschikosität stattet sie hingegen das abschließende Andante aus. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen bewies unter der Leitung von Herbert Blomstedt, der mehr als ein halbes Jahrhundert an Erfahrung mit offensichtlicher Begeisterung in die Waagschale wirft, eine große interpretatorische Klugheit. Ein voller Klang, der auch im verhaltenen Pianissimo trägt, umfasste das Publikum in erstaunlicher Direktheit. Das steht sowohl der kleinen Sinfonie Nr. 34 als auch ihrer großen C-Dur-Schwester, der „Jupiter-Sinfonie“ Nr. 41 aufs Beste. Intensive dynamische Entwicklungen und eine ungebremste Neugier auf die Fortschreibung der musikalischen Einfälle des Komponisten vereinen sich in diesem Ensemble wie in nur wenigen anderen Orchester.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Samstag, 11. April 2009

Der Mainzer Dom-Chor probt - ein Blick hinter die Kulissen

Selten bekommt man nach einer Probe Applaus gespendet. Doch die Gäste, die auf Einladung der AZ an der Generalprobe des Dom-Chores passiv teilnehmen durften, applaudieren spontan, gern und reichlich.

Draußen scheint die Sonne und verbreitet in der Mainzer Altstadt ein Flair, das man aus der Toskana kennt. Doch für rund 80 Jungs und junge Männer müssen Eiscreme und Laissez-faire noch einen Moment warten. Sie sitzen hoch konzentriert im Halbrund des Chorhauses am Dom und warten auf die Einsätze von Domkapellmeister Mathias Breitschaft. Mit kurzen Hosen, wippenden Füßen und hellwachem Blick sitzen sie da und singen lateinische Texte mit einer Begeisterung, als ginge es um ein entscheidendes Fußballspiel.

„Ein bisschen geheimnisvoller“, fordert Breitschaft seine Mannschaft auf. Er spart weder mit Lob noch mit Tadel. „Was ich toll fand, war die Fuge“, freut er sich. „Ihr seht: Proben lohnt sich“, fügt er mit einem bübischen Grinsen hinzu. „Aber morgen kommen die Dom-Akustik und die große Entfernung dazu“, warnt er vor allzu großer Genügsamkeit. Dann sorgt der Chor nämlich für die musikalische Umrahmung des Ostersonntags-Gottesdienstes.

Geprobt werden die „Nelson-Messe“ von Joseph Haydn und das „Terra tremuit“ von Johann Ernst Eberlin, einem Zeitgenossen seines heute deutlich berühmteren Kollegen. Das Offertium wurde eigens für die festliche Liturgie des Ostersonntags am Salzburger Dom geschrieben. Das Werk ist zwar im Vergleich zu der Messe relativ schlicht, wirkt aber durch seine klangmalerischen Momente, die ein Erdbeben darstellen, sehr plastisch. Außerdem wird der Dom-Chor das populäre „Halleluja“ aus Georg Friedrich Händels „Messias“ singen. Auf deutsch wohlgemerkt und nicht in der Originalsprache Englisch. Breitschaft betont in der Probe, dass der Chor schließlich kein Konzert singe, sondern den Gottesdienst begleite. Und da soll der Zuhörer so viel wie möglich vom Text mitbekommen.

Für die Zuhörer der Probe hat es sich gelohnt ins Chorhaus zu kommen. Karin Achenbach etwa fand es besonders interessant, derart junge Menschen beim Proben zu beobachten. „Spannend auch, wie es dem Leiter gelingt, sie zu manövrieren“, sagt sie. Birgit Nagel findet besonders die Leichtigkeit der jungen Stimmen faszinierend. „Das fehlt bei Erwachsenen-Chören manchmal“, meint sie. Ebenso wie Karin Achenbach verfügt sie über eigene Erfahrungen als Chorsängerin. Voll des Lobes ist sie auch für Breitschafts Art und Weise, die Probe zu leiten. „Er macht das sehr locker und humorvoll und dennoch herrscht eine große Disziplin“, sagt sie beeindruckt.

Der Domkapellmeister hat die gesamt Probe lang beide Augen und Ohren gleichzeitig bei seinem Chor, dem Orchester und den vier Solisten. Nur selten muss er eingreifen, wenn es in einer Ecke allzu unruhig wird. Die Strenge in der Sache hat auch etwas mit dem Respekt vor der Musik zu tun, den er ebenfalls vermittelt. „Tut mir leid – was ihr da singt, ist nicht von Haydn. Da steht piano“, bricht er etwa mitten im Takt ab, um die Stelle noch einmal und nun deutlich leiser zu wiederholen. Ein andermal möchte er die Musik „mit mehr Schmackes“ hören. Beides liefern ihm seine Sänger prompt und gestalten damit einen Klang, der dem Anlass mehr als entspricht.

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

Donnerstag, 9. April 2009

Mainzer Dom-Chor nimmt 22 Volkslieder auf

Was hat der Mainzer Domchor denn mit Volksliedern zu tun? Eigentlich nichts, möchte man meinen. Mit der CD „...die Lieder klingen“ hat der traditionsreiche Knabenchor nun bewiesen, dass ihm auch das weltliche Repertoire gelingt.

„Volkslieder zu singen weckt den Sinn für Vergangenes“, schreibt Domkapellmeister Mathias Breitschaft in seinem Vorwort zu der Scheibe. Er weist auf zahlreiche Naturschilderungen ebenso hin wie auf die emotionale Bandbreite von Schmerz, Freude oder Wehmut. „Das Singen der alten Weisen weckt aber auch die Freude an Melodie, an Harmonie, am Nachsingen, am Leben“, stellt Breitschaft fest.

Die Sammlung von 22 alten Weisen gehört nicht zum Alltag eines kirchlich geprägten Chores. Hauptaufgabe ist die Mitgestaltung der Domliturgie an Sonn- und Feiertagen, die Aufführung geistlicher Werke im Dom und darüber hinaus. Große Oratorien wie Bachs Weihnachtsoratorium und seine Passionen, Haydns „Schöpfun“, Mozarts Messen und Vespern und Mendelssohns „Elias“ nennt Breitschaft beispielhaft für die großen Meisterwerke, die in der Vergangenheit auf den Programmen des Mainzer Domchores standen.

Der Mainzer Domchor hat sich unter Breitschafts Leitung an die Klassiker der Gesangvereins-Literatur heran gewagt. Das hat einiges mit Mut zu tun. Denn das „Ännchen von Tharau und die „Loreley“ werden nahezu täglich und in sehr unterschiedlicher Qualität landauf, landab von Chören aller Art skandiert, was nicht immer mit den angenehmsten Erfahrungen verbunden ist. Mit diesen Liedern verbindet man mitunter eine gewisse Altbackenheit, die sie im übrigen nicht verdient haben.

Was den Knaben und jungen Männern des Chores nun gelingt, ist deshalb nicht hoch genug einzuschätzen. Mit kultivierten, gut ausgebildeten Stimmen interpretieren sie etwa „Kein schöner Land in dieser Zeit“ zwar nicht neu, aber in einer ansprechenden klanglichen Reinheit, die dem Lied einen geradezu unbekümmerten Charakter verliehen. Auch Männerhor-Klassiker wie „Aus der Traube in die Tonne“ kann man hier transparent und gleichzeitig überaus lebendig vorgetragen hören. Sehr ausdrucksstark gelingt das „Heidenröslein“, ohne falsche Süßlichkeit der „Lindenbaum“. Hinzu kommen Ersteinspielungen von Männerchor-Liedern von Michael Haydn. Die Auswahl vereint die bekanntesten Volkslieder und führt den Zuhörer durch alle Jahreszeiten, so dass die CD unabhängig von Frühling, Sommer, Herbst und Winter eingelegt werden kann.
  • Die CD kostet 15 Euro und ist erhältlich bei der Dominformation (Markt 10), im Infoladen des Bistums (Heiliggrabgasse 8), bei der Kunsthandlung Jaeger (Schöfferstraße 6) und bei der Dombuchhandlung (Markt 24).
  • Weitere Informationen: www.mainzer-domchor.de
Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Montag, 6. April 2009

Matthias Fontheim bringt Alban Bergs Oper „Wozzeck“ in einer bewegenden Interpretation auf die Bühne des Mainzer Staatstheaters

Dieses seltsame Dramenfragment von Georg Büchner war mal Oberstufen-Pflichtlektüre. Woyzeck, ein heruntergekommener Soldat mit unehelichem Sohn versucht verzweifelt, seine Ehre und seine Männlichkeit zu beweisen, oder wieder herzustellen. Um sein Leben kämpft er ebenso verzweifelt wie aussichtslos.

Am Mainzer Staatstheater gelang nun eine sehr bewegende Interpretation der fast gleichnamigen Oper von Alban Berg in der Regie von Intendant Matthias Fontheim und unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt. Zuvor hatte Fontheim Wozzecks Scheitern als das „sehr heutige Schicksal eines normalen Menschen, der stark unter Druck gerät“, bezeichnet. Er sieht in ihm den „Normalo“, der in der Welt nicht zuletzt aufgrund seiner „sozial prekären Situation“ nicht mehr zurecht kommt und immer weiter in den Strudel gerät, der ihn am Ende vernichtet.

Er hat die Handlung in ein Schlachthaus verlegt, in dem sich die bizarren Gestalten ihrer unsinnigen Dialoge und Taten hingeben. Keiner der Figuren gelingt es dabei, in eine wirklichen Interaktion mit einer anderen einzutreten. Trotz ihrer Vereinzelung müssen sie doch in einer Gesellschaft existieren. Wer oben ist, kann dort durch Feigheit oder Hochmut bleiben, was man am Doktor oder dem Hauptmann erkennt, die Wozzeck für ihre absurden Wortschwälle oder Experimente missbrauchen dürfen. Marie hingegen, die hier mit groben Strichen als vollkommen überforderte Unterschicht-Mutti dargestellt wird, kann nur unrealistischen Sehnsüchten nachhängen und in ihrer Liaison mit dem Tambourmajor von einem Glück hoffen, dass in der Konstellation von vorne herein nicht angelegt ist.

Fontheim gelingen eindrucksvolle Bilder menschlichen Scheiterns. Seine Hinführung zu Wozzecks Mord an Marie ist ebenso schlüssig wie dessen Freitod im Wasser. Dazu kommen einige pointiert eingesetzte Ideen, die sich zu einem nachvollziehbaren Werk zusammen fügen. Bis hin zu der bitteren Erkenntnis, dass auch der Sohn der Beiden keinen anderen Weg vor sich hat.

Mit Dietrich Greve steht ein enorm glaubwürdiger Wozzeck zur Verfügung, der auch der stimmlichen Herausforderung gewachsen ist. Abbie Furmansky überzeugt in der Rolle der Marie ebenfalls, stellt sie doch zwischen der halb erkannten Hoffnungslosigkeit und dem Restfunken an Illusion an ein besseres Dasein auf authentische Weise den früh gebrochenen Menschen dar. Aus dem Orchestergraben tönen indes gewollte Missstimmungen zu fast jeder Zeit. Zupackend und ohne Kompromisse beteiligt sich der schlagfertige Klangkörper an dem Dilemma.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Foto: Staatstheater Mainz

Samstag, 4. April 2009

Ingo Appelt im Mainzer unterhaus

Die Zeiten sind vorbei, in denen Ingo Appelt große Hallen gefüllt hat. Bei der Vorstellung seines aktuellen Programms „Männer muss man schlagen!“ blieb im Unterhaus so mancher Platz leer.

Man muss sich ein wenig dran gewöhnen, das Gesicht, das einem aus dem Fernsehen doch mit dieser markanten Dreiecks-Frisur so bekannt scheint, unter der nur leicht geänderten Haartracht zu erkennen. Und obwohl er einen ordentlichen Wirbel um seinen Auftritt macht, das Publikum zum Jubeln und Kreischen auffordert, oft genug sein Lieblingswort, das mit F beginnt, benutzt und nach wie vor deutsche Altrocker imitiert, scheint der Mann ruhiger geworden zu sein. Er rumpelt zwar immer noch mächtig durch jede Zote und jeden politisch korrekten Fettnapf, den er finden kann, doch er hat einen Sprach- und Auftrittswitz gefunden, der aufhorchen lässt.

Worum es in seinem Programm geht, ist klar. Darum, dass Männer bloß ein Auslaufmodell der Evolution sind, denen man das nur oft genug klar machen muss. Appelt spult genüsslich sein Repertoire an Stereotypen ab, um sie mit gleicher Gewalt auch wieder anzugreifen oder sich über sie lustig zu machen. Dabei biedert er sich niemandem an, sondern fordert die Frauen lieber direkt auf, zu kreischen und die Männer, zu brüllen. Männer tituliert er als „testosterongesteuertes Sicherheitsrisiko“ und verhält sich haargenau wie ein Musterexemplar dieser Gattung.

„Die Finanzkrise ist auch von Männern gemacht und nun muss Bundes-Mutti Merkel wieder alles gut machen“, versucht er manchmal einen Ausflug ins politische Geschehen. Dann aber bloß, um seine schlüpfrigen Späße unterzubringen. Doch immer wieder bekommen die Männer ihr Fett weg. „Männer sollen Macho und Weichei gleichzeitig sein und was kommt heraus? Ein Matsch-Ei“, konstatiert er verzweifelt.

Und die Frauen? Na, die bekommen alles bloß durch ihre Anwesenheit kaputt. Dabei sind sie nie Schuld, sondern haben gute Gründe. Außerdem zerstören sie Männerdomänen wie den Fußball. Früher habe niemand Fußballer, echte Kerle also, mit Namen wie Jogi, Schweini oder Poldi verunstaltet. Auch im Motorsport sei es längst nicht mehr so spannend wie früher. „Formel eins war mal wie die Papstwahl – alle warteten darauf, dass Rauch aufsteigt“, sinniert Appelt.

Wie kaum in anderer seiner Zunft, das muss man ihm lassen, traut er sich an Tabu-Themen in gnadenloser Brachialität heran. Kostprobe? „Xavier Naidoo könnte man mit zwei Balken und drei Nägeln als Jesus-Bausatz nach Rom schicken – dann hätte Benedikt auch mal was zu nageln.“ So was kommt auch in Mainz an. Im zweiten Teil beweist er sein Talent zur Improvisation, als er tatsächlich so lange wartet, bis ein Besucher wieder von der Toilette zurück kommt und ihn dann genüsslich ins Rampenlicht zerrt. Entsetzlich pragmatisch sind seine „Liebeslieder von Männern, aber ernst gemeint“. Doch eigentlich will Ingo Appelt nur geliebt werden und ein Held sein. Sagt er.
Ingo Appelt wurde am 20. April 1967 in Essen geboren und ist gelernter Maschinenschlosser.

Seinen ersten Auftritt hatte er 1989 auf einer Jugendkonferenz der IG Metall.

„Männer muss man schlagen!“ ist sein viertes Bühnenprogramm.


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

Donnerstag, 2. April 2009

Alban Bergs Oper "Wozzeck" in Mainz zu sehen (Vorschau)

Es war Liebe auf den ersten Blick, die den Komponisten Alban Berg am 5. Mai 1914 erfasst hatte. Nach der Wiener Erstaufführung von Georg Büchners Drama „Woyzeck“ in einer Fassung von Karl Emil Franzos, entschloss er sich spontan zur Komposition einer Oper.

Sein besonderes Augenmerk galt der ungewöhnlichen Struktur der Vorlage. Er fühlte sich inspiriert „durch die vielen Szenen und Zwischenspiele gegebenen Möglichkeit, viel und vielerlei Musik zu machen.“ Doch zunächst musste er – wie passend – in den Militärdienst eintreten, um dort aufgrund seiner eher miserablen körperlichen Verfassung eine leidvolle Zeit hinter sich zu bringen. 1921 vollendete er das Werk.

Für die Mainzer Produktion der Oper haben sich Intendant Matthias Fontheim und Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt zusammen getan und zeigen große Begeisterung für das Werk. Auch das eigene Haus kommt gut weg. „Wir machen 'Wozzek', weil wir eine tolle Besetzung dafür haben“, sagt Fontheim selbstbewusst und meint damit sicherlich nicht nur Dietrich Greve (Wozzek) und Abbie Furmansky (Marie). Bisher hat er weder die Oper noch das Stück von Büchner inszeniert, sich aber nach eigenem Bekunden schon länger mit dem Stoff befasst.

Der Intendant sieht in Wozzecks Scheitern das „sehr heutige Schicksal eines normalen Menschen, der stark unter Druck gerät“. Er beschreibt ihn als einen Mann, der in der normalen Welt nicht mehr zurecht kommt – nicht zuletzt aufgrund seiner „sozial prekären Situation“. „Ein absolut modernes Thema, das immer wieder auf der Straße liegt“, unterstreicht Fontheim.

Für Sänger und Orchester ist die Oper die in eineinhalb Stunden abgründig Menschliches skizziert, eine hohe Herausforderung. Sowohl sangliche als auch expressive Momente sind darin enthalten. „Man wird als Darsteller selbst ein wenig verrückt“, ahnt Catherine Rückwardt. Die Darsteller müssten kämpfen, stellten sich aber gerne, ergänzt der Intendant. Für das Publikum bezeichnet Rückwardt die Oper allerdings als „perfektes Einsteigerstück“, da es auf die Menschen zugehe. Sie nennt das Geschehen einen „frei zugänglichen Trip in den Alptraum“, der vor allem für Teenager besonders interessant sein könnte.

Die Dirigentin schwärmt von der Musik und spricht von „unglaublich vielen Farben“, die darin vorkommen. Vom vollen Satz bis zu kammermusikalischen Momenten sei alles enthalten. Zudem ergreift das Orchester Partei für die Akteure. Und sie stimmt mit Fontheim in ihrer Einschätzung über die Aktualität des Themas überein: „Es berührt uns so wie Büchner, als er den Krankenbericht las und wie Berg, als er das Drama auf der Bühne sah.“

  • Restkarten zur Premiere am 3. April um 19.30 Uhr im Großen Haus sind noch erhältlich.
  • Weitere Aufführungen u.a. am 6., 13., 24. und 26. April sowie am 17., 22. und 27. Mai.
  • Beginn jeweils 19.30, mit Ausnahme der Vorstellung am 26. April, die um 14 Uhr stattfindet.
  • Weitere Informationen: www.staatstheater-mainz.de, Karten unter 06131/2851-222
Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung