Montag, 15. September 2008

Sandra Leupold inszeniert Richard Wagners Oper „Parsifal“ als Bühnenprobe im Mainzer Staatstheater

Wer wagt, gewinnt. Das abgegriffene Sprichwort hat sich Sandra Leupold zu Herzen genommen und gewinnt durch das Wagnis zunehmend die Anerkennung und Begeisterung von Publikum, Künstlern und Kritik. Was die Regisseurin in die Hand nimmt, wird auf sein Sekelett hin reduziert und all seiner Überladenheit entrissen. So ist ihr nun am Staatstheater Mainz ein „Parsifal“ gelungen, wie ihn sich Richard Wagner, dem vor allem „Kostüm- und Schminke-Wesen" graute, nicht reiner hätte vorstellen können. Für ihre Deutung braucht Sandra Leupold weder eine zugestellte Bühne (Tom Musch) noch üppige Kostüme (Marie-Luise Strand). Sie holt das Bühnenweihfestspiel schlichtweg in die kargen Realitäten einer Bühnenprobe. 

Dort lässt sie die Darsteller kurz vor ihrem Auftritt die zweite Haut überstreifen, ansonsten aber mal gebannt auf das Geschehen starrend, mal unbeteiligt im Hintergrund umherstreichen. Zu Beginn sind alle auf der Bühne, die jemals hier etwas zu suchen haben, erst allmählich lichtet sich das Feld. Das, was da geprobt wird, scheint dafür umso plakativer inszeniert zu werden, als das, was sich Leupold vorgenommen hat. Da modert der alte Titurel schon im Leichensack vor sich hin, der Gral ist ganz gegenständlich ein mickriges rotes Deko-Gefäß und Parsifal wirft seinen Schwan samt Pfeil vor sich her, bevor er ihm an der Liane hinterher springt.

Die Darsteller dürfen hier zeigen, wie fertig sie sind, welchen Aufwand sie betreiben müssen, um durchzuhalten. Am Ende schlurft Gurnemanz ohne Kutte umher, Kundry zieht sich immer öfter von der Szene zurück, um sich am Bühnenrand zu erholen. Sandra Leupold bricht die bedeutungsaufgeladen Stimmungen und Symbole gnadenlos herunter und dennoch entsteht eine unglaublich flimmernde Spannung. Das Spiel im Spiel wirkt umso konzentrierter, der Zuschauer will unbedingt wissen, wie es weiter geht. 

Das Ensemble ist darstellerisch wie musikalisch bestens auf seine großen Aufgaben vorbereitet. Hans-Otto Weiß leistet schier Unmenschliches in der Dauerbelastung des Gurnemanz, Ruth Maria Nicolay verleiht der Kundry eine beeindruckend vielschichtige Persönlichkeit zwischen heiliger Hure und knorrigem Waldmensch, kann stimmlich glaubhaft zwischen schnarrig und empfindsam umschalten. Alexander Speemann gibt den Parsifal mit größtmöglicher Ambivalenz zwischen mitleidigem Toren und strahlendem Helden, auch Dietrich Greve (Amfortas) und Peter Felix Bauer (Klingsor) stehen ihren Bühnenpartnern in nichts nach. Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt sortiert Wagners Musik unbeirrbar präzise und ohne der Verlockung zu verfallen, in pathetische Extreme zu verfallen.

Weitere Aufführungen am 28.9., 3. und 12.10.
Karten unter 06131/2851-222 oder www.staatstheater-mainz.de

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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