Donnerstag, 11. September 2008

Möbel und Interviews erzählen Geschichten von einst

Wenn man sich mit Raul Gschrey trifft, kann es schon mal vorkommen, dass er sein Wohnzimmer mitbringt. Das hängt damit zusammen, dass er sich aktuell mit den Möbeln fremder Leute beschäftigt, die damit nichts mehr anfangen können, weil sie tot sind. Der Künstler, der zudem Anglistik und Kunstpädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität studiert, wurde nun eingeladen, zusammen mit von ihm ausgewählten Kolleginnen und Kollegen eine Ausstellung während des Palliativ-Kongresses vom 25. bis 27. September in den Rhein-Main-Hallen zu organisieren. Das Thema: „Begegnungen und Abschiede“. Der auf Entwicklung gemünzte Titel passt zum Motto des Kongresses „Identitäten im Wandel“.

„Was bleibt übrig, wenn alte Menschen sterben?“, hat sich der 27-jährige Künstler überlegt. Mit Hilfe einer Frankfurter Spedition, die sich auf Haushaltsauflösungen spezialisiert hat, ging er seiner Frage auf den Grund. Von dem Unternehmen bekommt er nun immer wieder Möbel ins Haus geliefert, aus denen er sich dann geeignete Objekte für seine Arbeit aussucht. Darunter auch ganz persönliche Dinge wie Fotoalben oder Filme. Aber eben auch Stühle, Tische und Schränke, die auf den ersten Blick wenig über die früheren Besitzer aussagen. Doch wenn man sich damit näher auseinander setzt, fallen doch Bezüge auf.

„Wir werden kleine Inseln im Konferenz-Alltag installieren“, sagt Raul Gschrey. Seine Installationen etwa werden sich vielleicht nicht jedem als Kunst erschließen, sondern zunächst einmal zum Ausruhen einladen. Wer aber dann die Mappen vom Tisch nimmt und sich plötzlich mit den schwarz-weißen Urlaubsaufnahmen wildfremder Menschen konfrontiert sieht, wird ins Grübeln kommen. Auf die Idee, sich mit Tod und Vergänglichkeit intensiver zu befassen, kam er durch ein Negativ-Erlebnis. Auf einer Ausstellung mit dem Titel „Tod ohne Ende“ wurde er mit plakativen Stücken, wie etwa konserviertem Wasser aus einer Leichenwäsche konfrontiert. „Das hat mich geärgert und zunächst war da auch nur Ekel“, erinnert er sich. Damals hat er sich vorgenommen, sich selbst mit dem Thema auseinander zu setzen.

Neben den Möbel-Ensembles zeigt Raul Gschrey auch eine Dreikanal-Videoinstallation unter dem Titel „Augenblicke“. Dafür hat er sowohl seinen Großvater, seinen Vater als auch sich selbst nach ihren prägendsten Erfahrungen gefragt. Die Antworten waren erwartungsgemäß unterschiedlich. Während der Großvater von seiner Todesangst in Kriegsgefangenenschaft sprach, berichtete sein Vater über die Kindheit in einer konservativ-dörflichen Umgebung. Der Künstler selbst erinnert sich an die Zeit, in der er bei seinen Großeltern aufgewachsen ist, weil die Eltern gerade mit ihrer Arztpraxis so viel zu tun hatten.

Insgesamt werden bei dem Kongress zwölf Arbeiten von acht Jungen Künstlern aus der Region gezeigt, die sich auf ganz unterschiedliche Weise den „Begegnungen und Abschieden“ genähert haben.


Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier
Foto: http://www.pro-ton.net/begegnungen/bilder/gschrey01.jpg

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