Montag, 8. September 2008

Mozarts "Don Giovanni" zur Spielzeit-Eröffnung am Staatstheater Wiesbaden

Carlos Wagner beginnt die Spielzeit am Wiesbadener Staatstheater mit einem klug inszenierten „Don Giovanni“.

Der Engel der Rache ist allgegenwärtig. Nur sehen kann ihn keiner. Dennoch steht Don Giovannis frevlerische Tat, die er zu Beginn von Wolfgang Amadeus Mozarts gleichnamiger Oper begeht, Unheil verkündend über allem, was später geschieht. Im Wiesbadener Staatstheater wurde die erste Premiere der Spielzeit von Regisseur Carlos Wagner klug und einfühlsam, verführerisch und unmittelbar über die Bühne gebracht. Von Anfang an wird klar, dass er mit der Geschichte und den Personen etwas anzufangen weiß. Es gibt keine müden Momente, keine ungewollten Brüche und vor allem keinen szenischen Leerlauf. Die Übergänge sind fließend und es funktioniert einwandfrei, wenn er Akteure noch eine Weile auf der Bühne belässt, auch wenn ihr Auftritt schon vorüber ist.

Der Regisseur lässt den reichen Schnösel auf eine Clique halbstarker Halbweltler treffen, aus denen er sich die scheinbar willige Zerlina heraus fischt und in Masetto einen prolligen, daher unwürdigen Gegner findet. Das rauschende Fest im ersten Akt wird zum schemenhaften Disco-Vergnügen, in das die gehobene Gesellschaft bewusst recht deplaziert arrangiert wird. Für die gesamte Oper haben Riafil Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried eine gefällige steinerne Einheitskulisse geschaffen.

Thomas J. Mayer strotzt in Don Giovannis Haut nur so vor Selbstbewusstsein und Egomanie. Für ihn ist alles ein großer Spaß, sein zur Schau getragener Verschleiß an Frauen gar eine Wohltat am weiblichen Geschlecht. Auf wessen Kosten seine Umtriebe gehen, schert ihn kaum, auch seinen Diener Leporello kann er schließlich, wenn es etwas schwieriger wird, mit Geld wieder für sich gewinnen. Mayer gelingt es während der kompletten Spieldauer auf gleichbleibend hohem Präsenz-Niveau zu agieren. Stimmlich kann er mühelos den hohen Anforderungen gerecht werden.

Tatiana Plotnikova wirkt als Donna Anna neben ihm eher sanft und legt auch in ihre Stimme viel Wärme, die mit zunehmender Verzweiflung aber auch scharfe Töne annehmen kann. Donna Elvira ist mit Aga Mikolaj sehr stark und hell timbriert besetzt. Dem ausgesprochen verschmitzt gezeichneten Leporello, der die eroberten Frauen seines Herrn auf dem Leib tätowiert spazieren führt, leiht Hye-Soo Sonn neben seinem Spielwitz auch eine angenehm offene Stimme. Jud Perry übernimmt Don Ottavio kultiviert, Brett Carter ist das zupackende Gegenstück Masetto, Emma Pearson überzeugt restlos als patente Zerlina.

Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Marc Piollet ist das Orchester einmal mehr nicht nur verlässlicher Partner des Ensembles sondern gewichtiger Akteur, ebenso eigenständig setzt der Chor gestalterische Akzente.

Aufführungen unter anderem am 10., 14., 18., 21. und 27. September.

Veröffentlicht u.a. in der Frankfurter Neuen Presse

Keine Kommentare: