Samstag, 6. September 2008

Faltsch Wagoni feiern Silberhochzeit

Das Plakat zur Show sieht nach Klamauk aus. Eine Frau mit Wischmop auf dem Kopf und ein Mann mit albern verzerrter Fratze laden zum „Best-of-Programm“. Wer nicht weiß, was auf ihn zukommt, denkt bei sich: Das kann ja heiter werden. Und das wird es in der Tat. Nur selten kommt man heute noch aus dem Kabarett und fühlt sich aufs Allerbeste unterhalten. Genau das gelingt „Faltsch Wagoni“, dem Münchner Duo aus Silvana Prosperi und Thomas Busse. Witz und Geist, Blödelei und Tiefsinn gehören also doch zusammen, atmet man nach dem Abend im Unterhaus erleichtert auf. Denn die klugen, spritzigen und in irrem Tempo vorgetragenen Dialoge sind gleichermaßen kunstvoll wie verblüffend banal. Doch Vorsicht: Der Witz liegt im Detail und das will herausgehört werden.

Die beiden Routiniers plaudern ohne Ermüdungserscheinungen aus ihrem Silberhochzeitsdasein. „Dein Schweigen auf meine stumme Frage - als du nichts sagtes, als ich dir meine Liebe verschwieg“. Wer zu lange braucht, um die mehrfache Verneinung zu entschlüsseln, hat Pech gehabt, es geht gleich weiter. Doch gerade solche zunächst nur auf die Pointe schielenden verdrehten Sätze entfalten eine ganz eigene Poesie. Anfangs gibt es Szenen, Bedürfnisse und Wünsche einer aufgebrauchten Ehe, ohne feurige Briefe, Brust-Toupets oder gemeinsames Zyankali-Schluken im Ernstfall. Doch sie sind bloß verhindert. Sie fiele ja eigentlich aus heiterem Himmel für ihn und er nähme 70 Pfund ab für sie, dann wäre sie nur halb so schwer. Das alles nimmt jedenfalls die Liebe in Kauf, gerade dann, wenn sie in einer derart gelungenen Mischung aus cooler Gelassenheit und gespielt übertriebener Empörung zelebriert wird.

Der unaufdringliche und herzliche Sarkasmus zweier Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten (Frau und Mann eben), bricht sich pausenlos Bahn. Das alles wird in lebendige Musik gepackt. Sie mit rauem Chansonetten-Timbre, er mit der ganz selbstverständlich von Reinhard Mey ausgeliehenen Stimme. Gespielt wird mit allem, was Keller und Küche zu bieten haben: Kiesbett, Topf und Deckel, Gymnastikball oder Steppschuh. Die musikalischen Multitalente versuchen sich mit beachtlichem Erfolg an Gitarren, Mini-Akkordeon, singender Säge und Mundharmonika. Dazwischen ist Platz für leise Momente wie: „Auf Dauer ist mir meine Gesellschaft zu wenig“. Doch die heilenden Kräfte des Jammerns siegen. Urkomisch der Gangsta-Rap, bei dem ein Lederrock die Base-Drum gibt. Als Zugabe müssen zwei alte Tanten nicht etwa Tango, sondern gleich Pogo tanzen, und das ist auch des Müllers Pflicht.

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung
Foto: Jan Roeder

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