Mittwoch, 2. Juli 2008

Virtuosi Saxoniae beim Rheingau-Musik-Festival

Plötzlich ist das Stück zu Ende. Einfach so, ohne irgendeine Vorwarnung hören die Musiker auf, zu spielen. Auch eine besondere Schluss-Dramatik war vorher nicht zu erkennen, so dass der abrupte Schluss eine gewisse Ratlosigkeit hinterlässt. Johann David Heinichens Sinfonia für zwei Hörner, zwei Querflöten, drei Oboen, Streicher und Basso continuo in F-Dur gehört nicht gerade zu den Standards des Konzertrepertoires. Gerade deshalb hätte eine klare Stukturierung und musikalische Führung schon gut getan. Die Virtuosi Saxoniae, Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden haben sich unter der Leitung von Ludwig Güttler zusammen getan, um sich „in Fragen der Aufführungspraxis historischen Kriterien anzunähern“, wie sie es selbst beschreiben. Dies jedoch auf modernen Instrumenten.


Daher kann man Intonationssicherheit bei den Bläsern voraussetzen, was jedoch nicht immer geboten wurde. Auch rhythmisch gab es immer wieder Unklarheiten, die das Zuhören arg erschwerten. Frisch und zupackend war noch der Einstieg in ein Concerto D-Dur (RV 564a) von Antonio Vivaldi gelungen. Auch das Adagio wurde als verständliches ruhiges Gegenkonzept zu der Aufregung des Kopfsatzes transportiert. Im abschließenden Allegro jedoch drängten einzelne Musiker mitunter derart eilig vorwärts, dass ein insgesamt regelrecht zappeliger Eindruck entstand. Dass Güttler dabei eher intuitiv als zupackend dirigierte, bestätigte diese Empfindung noch zusätzlich. Auch in der Sinfonie Nr. 31 D-Dur (Hob. I:31) von Joseph Haydn ließ sich durch unterschiedliche Tempovorstellungen der Beteiligen kein einheitliches Bild erkennen.


Von ähnlichen Unebenheiten war Johann Sebastian Bachs Concerto D-Dur (nach BWV 249a) durchzogen. Hier gelang zunächst ein beeindruckend festlicher Kopfsatz, auch das Oboen-Motiv im Adagio wurde von den Streichern sanft getragen. Ähnlich wie bei Heinichen aber gelang es hier nicht, das Stück als Gesamtpaket zu verkaufen. Unklar blieb der Übergang zwischen drittem und viertem Satz, hier fand weder eine erkennbare Zäsur statt, noch ließ sich ein attaca deutlich erkennen. Auch hier schien die Gestaltung vor allem dem Zufall überlassen. Im Divertimento Nr. 3 für Streicher F-Dur (KV 138) von Wolfgang Amadeus Mozart verloren sich Struktur und Spannung der Satzteile schließlich komplett.


Zumeist lassen sich diese Unklarheiten auf das verschwommene Dirigat von Ludwig Güttler zurück führen, der zwar fantasievolle Figuren in die Luft zeichnete, jedoch weder Einsätze noch sonstige klare Anweisungen gab. Als Interpret konnte der Trompeter indessen restlos überzeugen. Bei seinen Auftritten fiel nach wie vor ein schlakenfreies, brillant wie einfühlsam ausgestaltetes Spiel auf.


Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt, in verkürzter Version in der Frankfurter Neuen Presse

Keine Kommentare: