Donnerstag, 3. Juli 2008

Harfenistin Isabelle Moretti mit dem Quatuor Ebene beim Rheingau-Musik-Festival

Die Harfe gehört nicht zu den Instrumenten, die sich aufdrängen. Nur selten tritt sie im Orchester in Erscheinung, meist dann, wenn besonders mystische oder zauberhafte Momente unterstrichen werden sollen. Doch das Instrument, das zu den ältesten der Menschheit gezählt werden kann, ist deutlich vielseitiger und als Kammermusik-Partner durchaus ernst zu nehmen. Allerdings gibt es nur wenige Interpreten auf hohem Niveau, denen es gelungen ist, international Anerkennung zu gewinnen Führend auf diesem Gebiet ist wohl die französische Harfenistin Isabelle Moretti. Schon früh hat sie die ungewöhnliche Neigung zur Profession ausgebaut, 1983 gar der gestrengen Jury des renommierte ARD-Wettbewerbs als Einzige eine Auszeichnung abgerungen. Auch kommerziell ist sie wohl eine viel versprechende Künstlerin, immerhin nahm die Plattenfirma Harmonia mundi sie schon 1987 unter Vertrag.

So bekam das Publikum auf Schloss Johannisberg nun alles andere als eine Nischenspezialistin zu hören, sondern eine selbstbewusste Vertreterin einer Künstlergattung, die sich die ihr zustehende Aufmerksamkeit erspielen kann. Auch die Auswahl der Stücke passen zu diesem Selbstverständnis, die in Lyon geborene Musikerin brachte Musik aus ihrem Heimatland mit. Beide Werke stammen zudem aus dem 20. Jahrhundert. Präzise und dennoch voller Temperament und Leidenschaft gelangen ihr die beiden Tänze „sacrée“ und „profane“ für Harfe und Streichquartett von Claude Debussy. Die charakteristischen Arpeggien wirkten besonders im direkten Dialog mit dem Quartett, das sich im Gegensatz dazu bewusst sparsam verhielt. Luftig schwebten die tänzelnden Charaktere in unterschiedlichen Abstufungen durch das direkt ansprechende Werk.

Diese verspielte Harmlosigkeit stand in frappierendem Kontrast zu „La masque de la mort rouge“ von André Caplet, der sich dafür die gleichnamige Erzählung von Edgar Allan Poe zum Vorbild genommen hat. Nur oberflächlich entspannt wirkende Ball-Amtosphäre stößt unmittelbar auf das alles zerschneidende Signal der zwölften Stunde, das Dunkelheit, Verfall und den „Roten Tod“ ankündigt. Die Musiker konnten durch eng verwobenes Zusammenspiel die Situationen plastisch vor Augen führen und vermittelten dadurch eine unbeschreibliche Dramatik.


Zuvor hatte das Streichquartett mit Werken von Maurice Ravel und Claude Debussy überzeugt. Beherzte Pizzicati standen im Adagio von Ravels Quartett F-Dur neben vollem Klang auch im Pianissimo. Den langsamen Satz nutzten die vier Musiker geschickt, um für kurze Zeit die Gesetze der Zeit auszuhebeln und ein unruhiges Pulsieren, das sich immer wieder bemerkbar machte, knapp unter der Oberfläche zu halten. In Debussys Quartett g-Moll op. 10 hinterließ insbesondere der nach innen gerichtete, empfindsam gespielte dritte Satz bleibenden Eindruck. Das gesamte Konzert hindurch fielen die Musiker durch ihren klar formulierten Gestaltungswillen auf.


Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt und in veränderter Form in der Frankfurter Neuen Presse

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