Sonntag, 4. November 2007

Felix Prader inszeniert „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach am Staatstheater Mainz

„Vielleicht muss man das heute so machen“, meint der ältere Herr im Fahrstuhl ein wenig resigniert zu seiner Begleiterin. Diese nickt nur müde. Beide scheinen bei aller Toleranz, um die sie sich bemühen, vor allem eines zu sein: traurig. Für sie ist es schade um einen Theaterabend, der amüsant hätte sein können und in ihren Augen doch vor allem zur Klamotte geriet. „Die Schöne Helena“, Jacques Offenbachs Opéra bouffe stand in Mainz auf dem Spielplan. Regisseur Felix Prader hatte bereits im Vorgespräch angekündigt, dass er keine historisierende Griechengeschichte erzählen will. Seine Vorstellung von Werktreue ist die zeitgemäße Veränderung. Denn schließlich gehe es heute ebenfalls darum, die Handelnden so zu zeigen, wie sie Offenbach gemeint habe: eben im Hier und Jetzt verankert.

Die schlimmsten Untiefen menschlichen Zusammenlebens hat Prader ausgekramt, um sie seinen Helden überzustülpen. Sie leben auf einem Campingplatz. Natürlich einem griechischen. Helena träumt einen eher bizarren Traum, vorher hat Kalchas, Großaugur des Zeus, die Spielregeln erklärt. In Praders Version ist er ein proletenhafter Platzwart. Ihm zur Seite steht ein ganzes Panoptikum an archetypischen Camper-Gestalten, so wie man sie, wenn man nicht selbst zu den Freilufturlaubern zählt, eigentlich nur aus den „Reportage“-Formaten der Privatsender her kennt (und nicht glauben mag, dass es sie in so großer Zahl gibt).

Hier also wird die Geschichte der schönen Helena verhandelt, die eigentlich dem etwas trotteligen Menelaos angetraut ist. Doch wie es nun mal so ist als Spielball der Götter, wird sie flugs dem Paris versprochen, weil er Venus zur schönsten Göttin gekürt hat. Der erobert die schöne Sterbliche kurzerhand, indem er ihr vorgaukelt, dass alles nur ein Traum sei – und in dem könne man ja mal versuchen… Zwischendurch wird ein Intelligenz-Wettbewerb ausgerichtet - schließlich ist der Pöbel nicht nur schön, sondern auch klug -, den Paris selbstverständlich gewinnt. Agamemmnon, hier in Gestalt eines Alleinunterhalter-Verschnitts, leitet die Show. Hinzu kommen krude Typen, die sonst Helden wären. Achill etwa im Gips, wegen der Achilles-Ferse.

Es ist vor allem dem Ensemble zu verdanken, dass die Fassung nicht ins Peinliche abrutscht. Denn allen auf der Bühne ist eine unbändige Spielfreude anzusehen. Ob sie sich eine „Augen-zu-und-durch“-Mentalität angeeignet haben, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall hat es etwas von der Unbekümmertheit derer, die nichts mehr zu verlieren haben. Und so funktioniert es dann auch. Vor allem Patricia Roach glänzt als rappender und Müllwagen-surfender Orest, der außer Partys nichts im Kopf hat. Sie kann auch stimmlich voll und ganz überzeugen. Ebenfalls perfekt besetzt ist Jürgen Rust in der Rolle des Menelaos. Rusts komisches Talent und sein schneidender Tenor werden hier gebraucht. Etwas zu dramatisch fallen Tamara Gallo als Helena und Sergio Blasquez als Paris aus. Der Chor hat viel zu tun und nimmt seine Rolle mit Elan an, ebenso wie das Orchester unter Leitung von Thomas Dorsch.

In verschiedenen Fassungen veröffentlicht, unter anderem in der Frankfurter Neuen Presse

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