Dienstag, 20. November 2007

European Union Baroque Orchestera bei den Bach-Wochen in Wiesbaden

Mit der Verpflichtung des European Union Baroque Orchestras ist Martin Lutz neben den großen Oratorien und den behutsam zusammengesuchten kammermusikalischen Perlen ein ganz besonders spannender Konzertabend gelungen. Das Ensemble ist derzeit international sehr gefragt, einen Tag vor seinem Gastspiel im Herzog-Friedrich-August-Saal spielte es in Portugal, am Folgetag wurden die Musiker bereits in Brüssel erwartet. Doch auf die Leistungsbereitschaft und die überschäumende Spielfreude hatte der straffe Tourneeplan keinerlei bemerkenswerte Einflüsse.

Das European Union Baroque Orchestra ist eines der beiden von der Europäischen Kommission als offizielle Repräsentanten anerkannten Orchester. Das allein sagt noch nicht unbedingt allzu viel über die künstlerische Qualität des Ensembles aus, allerdings zeigt es, dass der Kommission offensichtlich eine frühe Spezialisierung bei jungen Musikern besonders wichtig ist. Wer Mitglied dieses erlesenen Kreises von 21 Künstlern werden möchte, muss sich bei einer europaweiten Ausschreibung qualifizieren. Im Durchschnitt sind die Mitglieder 24 Jahre alt und arbeiten sechs Monate lang konzentriert mit führenden Barockspezialisten an einem Konzertprogramm. Damit gehen sie weltweit auf Tournee. Mittlerweile sind viele Ehemalige in den besten Barockensembles der Gegenwart zu finden – ein deutliches Indiz für die wichtige Funktion dieses Ausbildungs-Programmes.

Wie ein Studentenorchester klang das European Union Baroque Orchestra aber bei weitem nicht. Hier paarten sich im Gegenteil die jugendliche Frische, die unterstellt werden darf, mit einer ernsthaften und tiefgründigen Auseinandersetzung mit der Materie. Effekte wurden nicht um ihrer selbst Willen gezündet, sondern gehörten nachvollziehbar zum gesamtmusikalischen Konzept der Interpretation. Historisch informierte Bogentechnik, Klangerzeugung und die bewusst extrem gegensätzliche Dynamik sind Bestandteile des Erfolgs, den das Publikum in Gestalt pointiert vorgetragener Werke erleben konnte. Die Begeisterung schlug dem jungen Ensemble bereits nach dem ersten Stück ungebremst entgegen.

Sicherlich hatte der Zuspruch auch mit dem berühmten Funken zu tun, der an diesem Abend sofort übersprang. Der Zuhörer konnte sich hier jederzeit individuell angesprochen fühlen, die Musiker vermittelten von jedem Pult aus ihr ganz persönliches Anliegen. Margaret Faultless leitete das Ensemble als Prima inter pares und drehte dabei ein ums andere Mal beherzt am Schwungrad, konnte aber auch bremsen, wenn notwendig und dabei sensibel aufgeraute Töne im leisesten Pianissimo erschaffen.

Das Programm setzte sich aus Populärem und Unbekanntem fast zu gleichen Teilen zusammen. Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen in d-Moll wurde mit begeisternder Frische transportiert, im Brandenburgischen Konzert Nr. 3 schwelgten die Musiker in komplexen Klanggebilden, ohne dabei an Präzision zu sparen. Geheimnisvolle Momente barg das Concerto grosso „Il pianto d’Arianna“ von Pietro Antonio Locatelli in sich, schroffe Passagen überraschten im Concerto grosso D-Dur op. 6/4 von Arcangelo Corelli. Ausgeglichen und mit homogenem Klang ausgestattet beendete das Ensemble sein Programm mit dem Concerto grosso B-Dur op. 6/7 von Georg Friedrich Händel.

Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt

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