Freitag, 5. Oktober 2007

Anu Tali dirigiert das hr-Sinfonieorchester in der Alten Oper

Es war ihr zweiter Einsatz innerhalb weniger Tage am Pult des hr-Sinfonieorchesters. Die estnische Dirigenten Anu Tali war kürzlich erst bei den „Debüt“-Konzerten im HR-Sendesaal zu hören und sprang nun in der Alten Oper für Kirill Petrenko ein. Zwei gewichtige Werke standen ihr bevor. In Ludwig van Beethovens einzigem Violinkonzert hatte Nikolaj Znaider den Solopart übernommen. Sein Spiel erwies sich als sehr überlegen und ruhig, dabei entwickelte er einen beständig vollen Ton in allen Lagen und dynamischen Abstufungen. Sorgfältige musikalische Analyse und ausgefeilte Technik ermöglichten ihm eine nahezu perfekte Interpretation, die an manchen Stellen jedoch etwas unterkühlt und sachlich wirkte. Das Orchester gab sich beweglich und als unverkrampfter Partner des Solisten. Hier wie in der 6. Sinfonie „Pathétique“ von Peter Tschaikowsky machte Anu Tali ihren Anspruch geltend, auf musikalische Entdeckungsfahrt zu gehen und nicht bloß den Status quo zu verwalten. Die verschwenderische Klangpracht im Allegro con grazia ließ sie fast grenzenlos auskosten, die Unruhe im Allegro molto vivace war permanent gegenwärtig, verhinderte aber nicht die flinken Themenübergaben vor dem Hintergrund eines extatisch schwappenden Marschs. Ungeheuer dicht und voller emotionaler Tiefe gelang das Adagio lamentoso im Finalsatz.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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