Montag, 10. September 2007

Puccinis "Tosca" am Staatstheater Wiesbaden

Mit Puccinis „Tosca“ eröffnet das Hessische Staatstheater Wiesbaden die Spielzeit und lässt Sarah Leupold eine durchwachsene Inszenierung vorlegen.

Offensichtlich war die Theaterpause zu lang. Begeisterte Bravos und entrüstete Buh-Rufe waren selten in dieser Deutlichkeit vom Wiesbadener Publikum zu hören. Schuld war die Eröffnungspremiere, Puccinis „Tosca“. Für die Inszenierung kehrte Regisseurin Sandra Leupold wieder ins Rhein-Main-Gebiet zurück. In der vergangenen Spielzeit hatte sie in Mainz eine faszinierende Deutung von Debussys „Pelléas et Melisande“ abgeliefert, was die Erwartungen für ihr Wiesbaden-Gastspiel entsprechend in die Höhe schraubte. Doch denen wurde sie letzten Endes nur teilweise gerecht, grundsätzlich gab es einige interessante Ideen zu verfolgen.

Relativ zeitlos ist die Szene, eine etwas nüchtern wirkende Kirchen-Innenkulisse mit vom Kunstlicht angestrahlten Heiligen (Bühnenbild: Tom Munsch). Es gibt keine Umdeutung des Stoffes wie etwa vergangenes Jahr in Darmstadt, wo Philipp Kochheim die Geschichte in einer südamerikanischen Diktatur verhandelte. Sandra Leupold versucht allerdings, ihre „Tosca“ vom Rezipienten-Plüsch zu befreien. Das ist ehrenwert, immerhin haben doch viele Opernfreunden vor allem die zwei zentralen Arien und auch ansonsten den süffigen Puccini-Wohlklang in den Ohren. Dass sich dazwischen menschliche und politische Dramen abspielen, wird gerne gnädig übersehen, der Sturz von der Engelsburg gerät gar zum Pausengespräch, sensationslüstern überlegt man sich schon im Voraus, wie der wohl dieses Mal gelöst wird.

In Wiesbaden gehört auch dieses wohl Bekannteste aller Opernfinale mit zur realistisch inspirierten Arbeit von Sandra Leupold. Während Cavaradossi gut sichtbar in Kruzifix-Haltung gefoltert und später per Kopfschuss aus nächster Nähe hingerichtet wird, erleidet Tosca den Tod durch Scarpias prügelnde Schergen. All das könnte gut funktionieren, wenn zwischen diesen effektvollen Momenten Verbindungen bestehen würden, die hier allerdings kaum zu entdecken sind. Auch die sichtbaren Veränderungen der Kulisse, die doch immer gleich bleibt, hilft nur bedingt. Der Altar wird zu Scarpias Tafel, die Nischen, in denen im ersten Akt noch die Heiligen standen, starren am Ende als leere, düstere Fenster auf den Innenraum. Die Darsteller haben jedoch scheinbar keine Anhaltspunkte bekommen, wie sie diese Form zu füllen haben.

Einhellige Begeisterung aber rief die musikalische Leistung hervor. Das Staatsorchester rückte unter Leitung von Generalmusikdirektor Marc Piollet jede Szene in ein atmosphärisch klar erkennbares Licht, schwelgte und zerriss, je nach Stand der Situation. In der Titelrolle brillierte Janice Dixon als Gast in Wiesbaden. Neben ihrer Renommier-Arie, die sie mit größtmöglichem Anteil an Empathie umsetzte, gelang es ihr immer wieder, darstellerisch glaubhaft zu wirken. Alfred Kim als Cavaradossi überzeugte mit tenoraler Strahlkraft, die mittlerweile auch auf langer Strecke trägt. In der Rolle des Scarpio war mit Krister St. Hill ebenfalls ein Gast engagiert worden, der sich die düster-lüsterne Partie wirkungsvoll zueigen machte.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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