Samstag, 15. September 2007

Element of Crime beim 3sat-Festival

Nanu, haben wir uns verirrt? Dort, wo ansonsten brav die Stühle im halben Rund stehen, ist nun für das Publikum Stehen angesagt. Im 3sat-Zelt ist das ein ungewohntes Bild, aber es hat seinen tieferen Sinn. Aus dem Off erklärt der zuständige Regisseur das Warum. Für die Gruppe „Element of Crime“ wolle man ein „Rock-Feeling“ erzeugen. Also gut, dann Rocken im Stehen, so wie es sich gehört. Aber aufpassen auf die Kameraleute, die einen möglicherweise „sacht anstoßen“ könnten. Verletzte sind jedenfalls nicht bekannt.

Unbändiger Jubel schallt dem ungewöhnlichen Quartett entgegen, das sich mittlerweile seit 22 Jahren hält. Gegründet 1985 in West-Berlin hat es alle Moden und alle Stil-Verformungen drum herum gut überlebt und ist sich bei aller Flexibilität treu geblieben. Die Fans wachsen offensichtlich nach, denn neben den in Würde leicht ergrauten Anhängern der Pionierzeit mit Anfängen in Berlin (damals wichtig: West) hat sich auch das Mainzer Studentenmilieu zum Lerchenberg aufgemacht. Gemeinsam ist allen der Wunsch nach rund zwei Stunden Abtauchen in die immer leicht melancholischen Melodien von „Element of Crime“.

Im Gegensatz zu vielen Gruppen, die sich auf der ersten, zweiten oder dritten Ausgabe der „Neuen deutschen Welle“ ihre Taschen gefüllt haben, glaubt man „Element of Crime“ den Bezug zur Muttersprache, obwohl der Titel ja gerne in die Irre führen könnte. Das hat nichts mit dumpfer Deutschtümelei zu tun, im Gegenteil: Bei „Element of Crime“ gibt es neben musikalisch Rührseligem auch sprachlich kluge Tiefsinnigkeit, die gerne mit Wörtern und Sätzen spielt.

Auch jetzt, zu Zeiten der neuen CD und zugehörigen Tournee „Mittelpunkt der Welt“, hat die Band nichts von ihrer Sogwirkung verloren. Immer noch geht es um die seltsame Larmoyanz in der Stimme von Sven Regner, oder seine Trompetensoli, die ein wenig wie die Verlängerung seiner gesungenen Worte mit anderen Mitteln wirken. Wer zu „Element of Crime“ kommt, wird mit einem Konzert in Moll bedient, egal ob es sich um eine Polka-Art oder einen Walzer handelt, egal ob das Stück schnell oder langsam ist. Und das Lieblings-Intervall dieser Band ist und bleibt die Quinte. Manchmal kommt schon der Gedanke auf, dass die vier sich einmal ein Lied ausgedacht haben und nun in mehr oder minder treuer Nähe drum herum improvisieren. Langweilig wirkt das merkwürdigerweise nie.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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