Sonntag, 16. September 2007

"Der Rosenkavalier" von Richard Strauss am Staatstheater Mainz

Den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss zu inszenieren, ist von jeher eine Gratwanderung. Musikalisch schwergewichtig, die Geschichte eine wienerische Verkleidungskomödie, die Dauer nahezu episch. Am Mainzer Staatstheater ist dem Intendanten Matthias Fontheim in seiner ersten Opernproduktion an diesem Haus dieser Balanceakt geradezu bravourös gelungen. Der Schauspiel-Regisseur lieferte nun eine kurzweilige, nie überzogen wirkenden Arbeit ab. Seine Figuren sind allesamt ernst zu nehmen, selbst in ihren grotesken Ausprägungen. Bis in die kleinsten Nebenrollen hinein ist zu spüren, dass sich der Regisseur eingehend mit deren Stellung im Beziehungsgefüge befasst hat.

Im „Rosenkavalier“ rankt sich alles um den jungen Grafen Oktavian, der sich mit der deutlich älteren Fürstin von Werdenberg vergnügt, sich später aber in Sophie verliebt. Die wiederum soll den grobschlächtigen Baron Ochs heiraten und Oktavian ist lediglich der Brautwerber. Sophie verliebt sich ebenfalls in den adretten jungen Mann und fühlt sich von dem derben Benehmen des Barons abgestoßen. Gemeinsam führen sie nun den Baron mit einer tolldreisten Maskerade vor, so dass ihm schließlich nichts anderes übrig bleibt, als das Feld zu räumen.

Als Strauss seine Musik zu dem Text von Hugo von Hofmannsthal schrieb und die Uraufführung 1911 in Dresden von Max Reinhardt umgesetzt wurde, gehörte die Geschichte in eine plüschige Rokoko-Welt voller snobistischer Adels-Attitüde und dem Hang zur Intrigen bei den gelangweilten Oberen. Emporkömmlinge, die gerade erst in den Adelsstand erhoben worden sind, wurden von oben herab in ihre Schranken verwiesen. Fontheim holt die Geschichte in die Gegenwart, zitiert aber auch vergangenen Glanz, etwa mit den Commedia dell’arte-Masken, die während der Ouvertüre aufblitzen, oder mit dem Sänger, der im ersten Akt zur Unterhaltung der Fürstin herbeigerufen wird.

Besonders beeindruckend ist, dass es Fontheim immer wieder gelingt, seine Figuren in einem beständigen Dialog zu halten. Es gibt keinen Moment, der ohne körperlich spürbare Spannung verstreicht. Hier hat er die Tugenden und Notwendigkeiten des Schauspiels auf die Oper übertragen. Dort, wo keine Musik ist, muss die Interaktion her. Wenn beides gelungen zusammentrifft, wirkt das umso packender. Die Fürstin, die früh Angst vorm Altern hat, der jugendliche Galan, dessen Liebesschwüre mal dieser, mal jener gelten, der polternde Baron Ochs, sie alle werden bei Fontheim nicht zu plumpen Archetypen, sondern werden geradewegs lebendig.

Auch musikalisch ist der Abend absolut gelungen. Ausdrucksstark und unverkrampft stellt sich Sopranistin Abbie Furmansky in der Rolle der Fürstin Werdenberg als Neuzugang vor. Souverän und darstellerisch in bewährt ruppiger Manier gibt Hans-Otto Weiß den Baron Ochs, Patricia Roach ist als wandlungsfähiger Oktavian optimal besetzt. Auch die Sopranistin Tamara Gallo ist ein Neuzugang, über den sich das Publikum zukünftig freuen darf, sie ist hier in der Rolle der Sophie zu erleben. Edith Fuhr und Jürgen Rust geben ein herrlich komisch tratschsüchtiges Paar ab, das sich in jedermanns Dienste einzuschleichen weiß. Unter der Leitung von Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt bewältigt das Philharmonische Orchester Mainz eine enorme Aufgabe, der es ebenso wie der Chor in jedem Moment absolut gewachsen ist.

Veröffentlicht im Main-Echo und der Frankfurter Neuen Presse

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