Donnerstag, 31. August 2006

Interview mit der Geigerin Julia Fischer

Die 23-jährige Geigerin Julia Fischer kann sich derzeit über mangelnde Beschäftigung nicht beklagen. Die Alte Oper widmet der Münchnerin ab heute ein Interpretenportrait, an der Frankfurter Musikhochschule wird sie mit Beginn des Wintersemesters als Professorin eine Violinklasse leiten. Wir sprachen mit ihr über künstlerische und pädagogische Herausforderungen.


Sie arbeiten seit Jahren mit den bedeutendsten Größen der Musikwelt zusammen. Wie gehen Sie mit diesen Kapazitäten in der Vorbereitung auf Ihre Konzerte um?
Musikalisch ist es eigentlich egal, welches Alter das Gegenüber hat. Natürlich steckt da eine andere Erfahrung dahinter, aber man diskutiert oft auf die gleiche Art und Weise. Man hat sich etwas über das Stück überlegt, hat vielleicht verschiedene Meinung, tauscht sich aus und diskutiert. Dabei überzeugt eben der eine den anderen. In Bezug auf berufliche Entscheidungen habe ich von erfahreneren Kollegen sehr viel gelernt.


Von welchen?
Eine wichtige Person in Bezug auf Repertoire und Aufnahmen ist sicherlich Neville Marriner , dann Lorin Mazel und auch Yakov Kreizberg. Von ihnen habe ich viel darüber gelernt, welche Konzerte man annimmt, welches Repertoire einstudiert werden soll, wie viele Konzerte man überhaupt annimmt…


Und was haben die Herren falsch gemacht, dass Sie jetzt dieses Mammut-Programm in der Alten Oper auf sich nehmen?
(lacht) Also die Idee für das Projekt entstand im Januar 2004, als ich mit der Academy of St. Martin in the Fields und Neville Marriner in Frankfurt gespielt habe. Anschließend waren wir gemeinsam mit dem Intendanten der Alten Oper, Michael Hocks essen und der meinte, es sei doch schade, dass wir nur ein Konzert spielen und dann wieder gehen. Da war ich wieder etwas vorlaut und ich sagte, er könne uns ja mal für mehrere Konzerte einladen.


Nun stehen fünf Konzerte kurz hintereinander an. Ist da viel Neues für Sie dabei und wie haben Sie das Programm zusammen gestellt?
Absolut neu ist es für mich, ein Orchester zu leiten. Auch einige neue Werke sind dabei. Die Elgar- und die Tschaikowsky-Serenade kannte ich vor einem Jahr noch nicht. Schönbergs „Verklärte Nacht“ habe ich schon gespielt, allerdings in der Sextett-Version und in der zweiten Geige. Die „Vier Jahreszeiten“ und die Tschaikowsky-Serenade habe ich im Repertoire. Ich könnte das alles mit einem anderen Orchester als der Academy nicht machen, weil wir uns so gut kenne. Da habe ich richtige Freunde drin, es ist keine anonyme Bekanntschaft. Bei dem Rezital-Programm habe ich mit Yean-Ives Thibaudet telefoniert und wir haben diskutiert, was wir machen wollen. Das war sehr unkompliziert. Daniel Müller-Schott (Cello) und ich haben ein relativ großes Trio-Programm, so dass wir die Wahl immer dem Pianisten überlassen.


Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, die der musikalische Nachwuchs in Deutschland hat?
Ich bin der Meinung, dass es in Deutschland fantastischen Nachwuchs gibt, was nicht heißt, dass man ihn nicht mehr fördern muss. Es gibt nie genug Förderung. Wir stehen aber gar nicht so schlecht da. Dennoch müsste man die Musikschulen finanziell viel mehr unterstützen. Es gibt da große Unterschiede. Es gibt phänomenale und katastrophale. Letztendlich hat aber jedes Kind, das in Deutschland Musiker werden möchte, die Chance dazu, wenn es die Eltern unterstützen.


Fühlen Sie sich selbst als ein Vorbild für andere junge Musiker?
Ich schaue mich nicht um und schaue, ob ich ein Vorbild bin oder nicht. Natürlich gibt es Menschen, die mich nach meiner Meinung fragen, die wissen wollen, zu welchem Lehrer sie gehen sollen und was wichtig ist. Ich beantworte das dann auch und manche folgen meinen Ratschlägen auch. Vielleicht bin ich es für manche, aber ich lebe nicht bewusst so, dass ich als Vorbild dienen kann.


Das wird sich ab September ein wenig ändern müssen. Sie werden als Professorin an der Frankfurter Musikhochschule arbeiten. Wissen Sie, was da auf Sie zukommt?
In gewisser Weise schon. Aber natürlich werde ich Überraschungen erleben. Das erwarte ich und darauf freue ich mich, wie ich mich immer schon auf Herausforderungen gefreut habe. Das wichtigste für mich ist, dass Studenten auf mich zukommen, die etwas lernen möchten und mich als Lehrer respektiert. Ich habe gerne Studenten mit einer eigenen Meinung, aber sie dürfen nicht aus Grundsatz oppositionell sein. Ich führe gerne Diskussionen und tausche mich auch gerne mit anderen Musikern aus. Aber es kann nur funktionieren, wenn das Ziel das gleiche ist: die bestmögliche Interpretation.


Wie werden Sie mit Problemen umgehen, die Sie aufgrund ihrer Begabung und damit verbundenen Karriere vielleicht selbst nie hatten?
Kein Mensch hat in seiner Entwicklung alle Probleme gehabt. Die Probleme, die man in einer Musikausbildung bekommt, hängen nie nur davon ab, wie schnell die Karriere verläuft. Sie hängen vom Charakter ab, von der Frage, wie jemand intellektuell, motorisch, emotional begab ist und ob er eine gute musikalische Intuition besitzt. Die Qualität eines guten Lehrers ist es, sich in die Situation eines anderen Menschen versetzen und dann eine Lösung finden zu können. Es wäre zu einfach, wenn man jedes Problem schon vorher gelöst hätte, das kann ja nicht sein.


Haben Sie sich vorher mit eigenen Lehrern besprochen, wie Sie nun an die neue Aufgabe herangehen können?
Meine Mutter ist ja Klavierpädagogin. Das Wissen, das sie hat, hat sie versucht, an mich weiter zu geben. Meine eigene Lehrerin, Ana Chumachenco wird mir zur Seite stehen. Gerade, was Repertoire-Fragen anbelangt. Das ist eine sehr wichtige Frage in der Ausbildung. Ich habe ja auch nette Kollegen in Frankfurt, die werde ich sicherlich auch fragen. Ich frage prinzipiell gerne andere Musiker um ihre Meinung, daher werde ich das auch machen, wenn es um pädagogische Aspekte geht.


Werden Sie den Konzertbetrieb zugunsten der Lehrtätigkeit einschränken müssen?
Nein. Ich versuche ja ohnehin, nie über 100 Konzerte im Jahr hinaus zu kommen, was sowieso schon zu viel ist. Meine Traumzahl sind 80 Konzerte im Jahr. Die werde ich jetzt auch verteidigen müssen.


Ziehen Sie nach Frankfurt?
Ich werde jetzt erst einmal in München bleiben.



Auszüge veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse und der Wetzlarer Neuen Zeitung

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