Sonntag, 27. August 2006

Leipziger Kammerorchester und "Immortal-Bach-Ensemble" unter Leitung von Morten Schuldt-Jensen beim Rheingau Musik Festival

Schon die Orchesteraufstellung ist etwas gewöhnungsbedürftig. Links die Streicher, rechts die Bläser, ein Mischen der Klänge ist damit kaum möglich. Vielleicht nicht erwünscht? Auf jeden Fall ungewohnt. Das Leipziger Kammerorchester unter Leitung von Morten Schuldt-Jensen bricht auf diese Weise in Mozarts berühmter Sinfonie-Nr. 40 in g-Moll (KV 550) schon einmal rein formal mit den Hörgewohnheiten. Warum auch nicht, schließlich gibt es genug Erwartbares im Konzertbetrieb.

Wenn es denn nur aufgehen würde. Doch schon im Kopfsatz kommt das Orchester nicht richtig auf einen Nenner. Müßig zu spekulieren, ob das auch etwas mit der äußeren Unruhe zu tun hat. Das Ensemble poltert ungewohnt heftig voran, spart nicht an forschen Phrasierungen und agiert äußerst selbstbewusst und mutig. Außerdem hat das Leipziger Kammerorchester einen ausgesprochen transparenten Klang zu bieten. Alles gute Voraussetzungen für eine spannende Interpretation. Doch eine glaubhaft vermittelte Linie ergibt das allein noch nicht.

Ein Blick auf den Dirigenten bringt Aufklärung. Schuldt-Jensen dirigiert meist in gebückter Haltung, schaufelt aufwändig im Keller herum und kommt mit seinen Angaben selten einmal über Brusthöhe hinaus. Ihm scheint sein Chor zu fehlen, der erst später kommt. Nahezu unsichtbare Einsätze führen im Finalsatz prompt zu einem irritiert tröpfelnden Einstieg der Instrumentalisten. Leider kein Einzelfall, sondern ein Höhepunkt dieser eher intuitiven Leitung. Ein Glück, dass die Konzertmeisterstelle hier souverän ausgefüllt wird.

Fragezeichen hinterlässt auch das kurze „Stabat Mater“ (D 175) von Franz Schubert. Schuldt-Jensens farb- und konturenlose Leitung wirkt schulmeisterhaft, vermittelt kaum Spannung und rechnet das Werk klein. Es gelingt ihm nur unzureichend, seinen kultiviert singenden Chor, das aus dem Gewandhaus-Kammerchor hervorgegangene „Immortal-Bach-Ensemble“, zu der durchaus möglichen Vermittlungsleistung zu motivieren. Kein Wunder, dass das Publikum nach dem letzten Ton nicht weiß, ob es applaudieren soll und es dann eben lässt.

Etwas klarer strukturiert erklingt Schuberts Es-Dur-Messe, die dank einem pointierten Chorklang immer wieder aufs Neue fesselt. Schade nur, dass das Orchester hier oft etwas zu dominant aufspielt. Dennoch können fast schwebende Momente im Credo feingliedrig transportiert und die Wendigkeit der einzelnen Stimmgruppen im Agnus Dei demonstriert werden. Choreigene Solisten mit unaufdringlicher natürlicher Färbung runden eine saubere Leistung ab.

Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt

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