Sonntag, 13. August 2006

Musica Alta Ripa beim Mainzer Musiksommer

Wenn wir heute manchmal im Konzertsaal, oder, wie beim Mainzer Musiksommer, oft auch in einer Kirche sitzen und mehr oder weniger aufmerksam einer Musik lauschen, die vor hunderten von Jahren entstanden ist, vergessen wir leicht, dass sie nur in seltenen Fällen dafür komponiert wurde. Gerade die Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert waren kaum für gut gefüllte Hallen mit zahlendem Publikum gemacht. Und große Kunst sollten sie manches mal schon gar nicht sein. Die Musikgeschichte kennt unzählige Auftragswerke, Gelegenheits-Stücke oder Übungen für dilettierende gekrönte Häupter. Heute dienen sie als Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit und vermitteln damit neben dem reinen Musikgenuss auch ein wenig von dem Lebensgefühl einer kleinen Schicht dieser Vergangenheit: des Adels und des wohlhabenden Bürgertums.

Das Konzert des Ensembles „Musica Alta Ripa“ aus Hannover reiht sich da hervorragend ein. In deren Programm wimmelt es vor bediensteten „Compositeuren“ und Kapellmeistern, die in ihren unterschiedlichen Funktionen und Ämtern für den guten Ton bei kleineren und größeren Höfen verantwortlich waren. Nur wenige von ihnen genossen einen wirklich überregionalen Ruf – das besorgte bei einigen erst viel später die Wissenschaft.

Den Musikern in St. Ignaz gelang es nun, die unterschiedlichen Eigenheiten dieser Meister anspruchsvoll hervorzuheben, ohne das Konzert zu einem musealen Rundgang zu nutzen. Allein die Idee, ihre Darbietung mit der dafür auseinander gerissenen „Première Récréation de Musique d’une exécution facile“ von Jean-Marie Leclair einzurahmen, spricht für ein gutes Maß an Unbefangenheit und Eigenständigkeit in der Programmgestaltung. Die Suite wäre ohnehin im Vergleich zu den anderen Stücken zu lang gewesen – eine durchaus pragmatische Entscheidung also. So konnte das wuchtig pointierte Menuett in seinem originellen Zwischenton aus Derbheit und Eleganz ebenso effektvoll präsentiert werden wie die Passepied mit ihren überraschenden Rhythmus-Wechseln.

Dagegen wirkten die Cembalo-Sonaten von Domenico Scarlatti schon ein wenig spröde, auch wenn Bernward Lohr technisch sehr souverän und musikalisch einfallsreich agierte. Die Blockflötistin Danya Segal hatte es da mit einer e-Moll-Sonate von Georg Philipp Telemann durchaus leichter und gestaltete die kunstvollen Verzierungen ihres Parts mit improvisatorisch motiviert wirkendem Elan aus. Feinnervig drängend bereiteten die Geiger Anne Röhrig und Christoph Heinemann das Adagio in Jacques Christophe Naudots G-Dur-Sonate für Blockflöte, zwei Violinen und Basso continuo vor, traten im Finalsatz der Partia V in g-Moll von Heinrich Ignaz Franz von Biber in einen packend Dialog ein.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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