Mittwoch, 23. August 2006

Ewa Kupiec beim Rheingau Musik Festival

Eine Künstlerin wie Ewa Kupiec kann sich so etwas leisten. Beim Rheingau Musik Festival bot die renommierte Pianistin nun einen Klavierabend an, der kaum auf den Geschmack der Massen ausgerichtet war. Und so blieben die wirklichen Liebhaber ihrer Kunst auf Schloss Johannisberg für die Festival-Verhältnisse auch überschaubar. Intendant Michael Hermann verwies allerdings ausdrücklich auf die Besonderheit des Abends und auf die exklusiv für diesen Abend zusammengestellte Auswahl – was mit Blick auf die Mosel-Festwochen allerdings nicht ganz haltbar ist.

Unter Umgehung jeder konzertdramaturgischer Konvention startete die polnische Künstlerin ihren Abend mit Neuer Musik im weiten und engen Sinn. Zu seinen „Metopen“ op. 29 wurde Karol Szymanowski wohl 1915 von den gleichnamigen reliefgeschmückten Platten an den griechischen Tempeln inspiriert, die er zuvor auf Sizilien besichtigt hatte. Die kurzen, effektvollen „poèmes“, wie der Komponist sie nennt, ließ Ewa Kupiec mit einer ungeahnten Präzision und stimmungsvollem Glanz Revue passieren.

Ohnehin kann sie mit einer beneidenswerten Genauigkeit aufwarten, die nie starr oder einengend wirkt. Im Gegenteil: aus dieser Eigenschaft scheint sie kreative Kraft zu schöpfen. Dabei nutzt sie ihre Souveränität als eine Art ruhiges Gewissen ob einer musikalisch hoch angelegten Basis, hinter die sie nie zurückfallen wird. Dieses Bewusstsein macht sie frei und auch mutig.

Damit ist sie für das „Labyrinth“, das ihr Randall Meyers 1998 geschrieben hat, ausreichend gewappnet. Anders als bei John Cage, der seine Klavier oft starr präparieren lässt, so dass der ursprüngliche Klang dauerhaft ausgeschlossen bleibt, hat Meyers keine permanenten Einbauten vorgesehen, lässt die Künstlerin aber dennoch oft genug im Innern des Instruments hantieren. Ein tiefes, beängstigendes Klopfen steht da am Anfang, wird mittels Pedal mit viel Hall versehen. Das wirkt fast synthetisch und steht damit im feinen Kontrast zu den resignierenden tonalen kleinen Läufen. Die wirken rau und wiederholen sich immer wieder, bis schließlich das letzte Klopfen in der Stille verhallt.

Im zweiten Teil sind die Klänge dann gewohnter. Franz List hat zwischen 1839 und 1846 drei Sonette des italienischen Dichters Francesco Petrarca in Klaviermusik übersetzt. Ähnlich wie die Szymanowski-Gedichte nur eben stilistisch auf ganz andere Weise führen die kurzen Stücke in mal träumerisch verzagte, mal verzweifelt drängende Situationen. Schließlich konnte Ewa Kupiec in „Romeo und Julia“ von Sergej Prokofjew gleichzeitig unbeirrbare Virtuosin und faszinierende Erzählerin sein. Kluge Zurückhaltung bei Pater Lorenzo, aufgeregte Zerrissenheit bei Mercutio und ein gewaltiges Aufbegehren beim Zusammentreffen von Montagues und Capulets verschmolzen bei dieser Pianistin zu einer dichten musikalischen Schilderung.

Veröffentlicht im Wiesbadener Kurier / Wiesbadener Tagblatt

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