Montag, 21. August 2006

Singer Pur mit Vokalmusik des 16. Jahrhunderts

Vokalmusik aus dem 16. Jahrhundert zu singen ist so etwas wie Archäologie zu betreiben. Aus dieser Zeit gibt es zwar mittlerweile ein Fülle an Material, doch den Interpreten bleibt ein großer Ermessens-Spielraum, wie sie mit der vorhandenen Literatur umgehen. Außerdem finden sich immer wieder neue Spuren. Das Sextett „Singer Pur“ hat sich nun für die Gegenüberstellung zweier Komponisten mit ähnlichen Lebensdaten entschieden. In St. Peter gestalteten sie damit beim Mainzer Musiksommer ein durchgängig spannendes Konzert.

Beide Komponisten wurden um 1553 geboren und haben ihr jeweiliges Umfeld musikalisch geprägt. Durch seine Konvertierung zum Protestantismus hatte Leonhard Lechner die Gunst seines Dienstherren, einem Hohenzollern-Grafen verwirkt und fand schließlich eine Anstellung an der Württembergischen Hofkapelle Stuttgart, in der er bis zum Kapellmeister vorrückte.

Bereits in dem ihm gewidmeten Programmteil skizzierten „Singer Pur“ die erstaunliche Vielfalt früher vokaler Polyphonie. Dank ihrer entspannten Klangformung gelang es den fünf Herren und der Sopranistin, eine ungewohnte Musik überaus ansprechend zu vermitteln. Sicher abgefederte Dynamik prägte den vierstimmigen Liedsatz „Gott bhüte Dich“, hier wurde Volumen ohne jeden Druck erzeugt. Das dicht verwobene Klangnetz des Gloria aus der Messe „Nun fu mai cervo“ schlüsselte das Ensemble beherzt und respektvoll auf. Fließende Motivübergaben durch alle fünf Stimmen hindurch hielten die Interpretation stets lebendig.

Damit stellten sie auch einen Bezug zum zweiten Komponisten des Abends, dem Italiener Luca Marenzio, her. Die Messe bezieht sich nämlich auf dessen gleichnamiges Madrigal, das an diesem Abend nicht fehlen durfte. „Singer Pur“ erzählten das üppig dimensionierte Werk packend und vermittelten mit ihrer sensiblen Deutung plastisch auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit irdischen Lebens.

Mit drei kurzen Madrigalen zu sechs Stimmen rundeten „Singer Pur“ ihr programmatisch klug zusammengestelltes und musikalisch pointiert transportiertes Konzert ab. Als lang gezogene Klage entwickelte sich das „Tutte sue squadre“ (All seine Gruppen von Nöten), intensiv kostete das Ensemble die fast süffigen Momente im „Vaghi capelli aurai“ (Dunkles, güldenes Haar) aus, einen einzigen schwebenden Klang projizierte „Singer Pur“ abschließend im „E sio mi doglio“ (Und wenn ich Schmerz empfinde).

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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