Mittwoch, 26. Dezember 2007

Sven Hieronymus mit seinem Kabarett-Programm "Ich werd Depp"

„Der macht nix, der will nur spielen.“, versucht das Management zu beruhigen. Doch weit gefehlt, Sven Hieronymus macht wohl was. Er startet einen Angriff auf die Lachmuskulatur und das Hirn zugleich. Dass sich hinter seinen oft derben Scherzen so manche Subtilität verbirgt, mag zunächst etwa konstruiert wirken, doch nach einer vollen Ladung „Ich wird Depp“, verzieht sich das Grinsen nur mühsam aus dem Gesicht und mancher Kalauer, mancher Seitenhieb auf die große und die kleine Politik bleibt im Kopf hängen, um dann dort seine Kreise zu ziehen.

Kabarett oder Comedy zu machen, war eigentlich nicht sein Plan. Der Sozialarbeiter und Gelegenheits-Rocker von „Se Bummtschacks“ geriet durch einen Zufall auf die Bühne. Als er aus seinen AZ-Kolumnen lesen sollte, wurde das als Comedy-Programm angekündigt. Also nutzte er die vier verbleibenden Wochen, um sich eines auszudenken. Mittlerweile ist er eine ordentliche Rampensau geworden, deren Mischung aus einstudiertem Witz und situativ-spontaner Komik unvergleichlich originell ist. Den legendären Schlachtruf „Halldeimaul“, brüllt ihm schon lang keiner mehr entgegen, wie auch vor lauter Zwerchfellkrampf…

Doch was macht Sven Hieronymus eigentlich? Sein Programm ist klar strukturiert, es gibt ein paar Charaktere, mit denen er sich kurzzeitig identifiziert. Doch letzten Endes bleibt er immer er selbst. Was ihm besonders gut liegt ist das Poltern des „Kleinen Mannes von der Straße“. Natürlich steht da die Motzerei über den Nichtraucherschutz ganz oben auf der Liste. „Wenn das europäische Anpassung ist, will ich aber auch, dass sie auf Kreta Winterreifen aufziehen“, krakeelt er. Und er hofft auf eine rasche Erderwärmung, von der die Raucher immerhin profitieren würden. Ganz selbstlos ist seine Aufregung, schließlich raucht er ja nicht mehr, trinkt keinen Alkohol und dem Sex hat er auch abgeschworen. Glauben mag ihm das keiner im Unterhaus.

Dass früher alles besser war, weiß er auch. „Der Body Mass Index hat beschrieben, wie viel Maß Bier in meinen Körper gepasst haben”, beschwert er sich über Gesundheitsmoden. Allerdings ist er auch bekennender Hypochonder. „Mein Fuß schläft nicht ein, der stirbt ab“, ist er überzeugt. Urkomisch auch sein schönstes Ferienerlebnis mit dem dauergeilen Kumpel in Spanien. „Und ich wär’ so gern mit der Bimmelbahn im Volkspark gefahren“, erinnert er sich.

Seine gelungene Mischung aus Alltags-Beobachtungen und dramaturgisch geschickt aufgefahrenen Geschichten mit einem gehörigen Schuss Lokalkolorit machen sein Programm spannend. Auch, wenn er zwischendurch noch in die Rolle einer einschläfernden TV-Astrologin schlüpft und der spätnächtlichen Anruferin Liebestipps gibt. Der Vorzeige-Rowdie mit selbst eingestandener Streber-Vergangenheit wird noch einiges zu erzählen haben.

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

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