Mittwoch, 5. Dezember 2007

Über die 2006 eingeweihte Orgel in der Idsteiner Kirche St. Martin

Das klingt schon fast nach luxuriöser Verschwendung. Eine neue Orgel. Und das in Zeiten, in denen Gemeinden der Geldhahn zugedreht wird, oft nur noch das Nötigste finanziert werden kann. Dann so ein riesiges Projekt. Bis das Instrument in der Idsteiner Kirche St. Martin angeschafft wurde, dauerte es allerdings viele Jahre. In den Jahren 1989 bis 1991 war Thomas Gabriel Kantor in der katholischen Gemeinde und setzte sich vehement für den Bau einer Empore für den Chor und eine neue Orgel ein. Das bislang genutzte Instrument, eine 1974 von der Firma Walcker gebaute Orgel, hatte erhebliche Mängel aufgewiesen. In den 70er Jahren wurden nämlich seit Jahrhunderten bewährte Materialien wie Leder oder Holz durch Kunststoffe, Schaumstoff oder Aluminium ersetzt. Die Verschleiß-Spuren waren mittlerweile derart weit fortgeschritten, dass eine Renovierung zu teuer geworden wäre, um das Ergebnis zu rechtfertigen.

Also sollte ein neues Instrument her. Nach und nach wurde klar, dass ein solches Unternehmen auch zu einer Veränderung an der Bausubstanz der Kirche führen würde, so wurde der bisherige Orgel-Förderverein zum Förderverein für die Neugestaltung des Innenraums. Schließlich entschloss sich der Pfarrgemeinderat gegen eine Empore, die im hinteren Bereich der Kirche hätte gebaut werden müssen. Geplant wurde ein Umbau des Chorraumes, so dass die Sänger während des Gottesdienstes nicht ständig ihren Platz wechseln müssen, die Orgel wurde in der Mündung vom Querschiff zum Hauptschiff vorgesehen.

Mittlerweile war viel Zeit ins Land gegangen, im Jahr 2002 ging es endlich los. In der Zwischenzeit hatte Franz Fink das Kantorenamt übernommen und sich um den Bau der Orgel gekümmert. Seine Vorgabe: Die neue Orgel sollte mit den alten handwerklichen Techniken gefertigt werden. Eine Ausschreibung wurde durchgeführt, die schließlich von der Firma Mebold aus Siegen gewonnen wurde. „Jeder Organist hat sein Idealinstrument im Kopf“, sagt Franz Fink und ist sich der privilegierten Situation bewusst, an der Entwicklung seines persönlichen Ideals maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. „Sie sollte auf jeden Fall mehr können als die alte Walcker-Orgel“, so lautete die erste Bedingung. Vor allem sollten die stilistischen Möglichkeiten erweitert werden.

Der finanzielle Rahmen jedoch war eng gesteckt, das Bistum gab keinen Zuschuss für das Instrument. „Wir wollten eine kostengünstige Orgel, aber es sollte nicht auf Kosten der Qualität gehen“, so Fink. Also wurde ein „kleines Konzept“ entwickelt. So hat das Instrument nun zwei, statt anfangs erhoffter drei Manuale. Durch eine raffinierte Technik aber kann diese vermeintliche Einschränkung geschickt überspielt werden. 8.000 verschiedene Klangkombinationen sind immerhin möglich. Bei der Ausschreibung hat die Gemeinde übrigens keinen Betrag vorgegeben. Während sich die anderen Firmen mit deutlich höheren Kosten bewarben, machte Mebold ein Angebot von unter 400.000 Euro. Und auch die Qualität, die das Unternehmen versprach, überzeugte.

Dass der Orgelbau überhaupt zustande gekommen ist, verdankt die Gemeinde allerdings sich selbst. Schon beim Abbau der alten Orgel waren viele Mitglieder ehrenamtlich am Werk. Auch der Aufbau des neuen Instruments wurde unter der Anleitung der Profis von den „Orgelbaugehilfen auf Zeit“ bewerkstelligt. Während der drei- bis viermonatigen Bauzeit wurden die Orgelbauer von Gemeindemitgliedern verpflegt, außerdem stellte ihnen die Gemeinde eine Wohnung zur Verfügung.

Bei der Klanggestaltung hat Franz Fink intensiv mitgewirkt. „Ich kann meine Finger da nicht rauslassen“, grinst er. Sein Glück war, dass er mit dem Intonateur Uli Skriwan einen optimalen Partner gefunden hat. „Oft war er schon früh morgens an der Orgel, weil ihm nachts noch etwas eingefallen ist“, erinnert sich der Kantor. Das Ergebnis kann sich hören lassen. „Auch unsere Gastorganisten sind jedes mal verzaubert“, beteuert Fink. Mittlerweile werden hier Prüfungen der Kirchenmusikerausbildung im Bistum durchgeführt. „Die Orgel ist das Gegenteil von aggressiv – sie schreit nicht“, umschreibt der Musiker den Klang.

Und tatsächlich besticht das Instrument durch eine unaufdringliche Brillanz. Dennoch hat sie Durchsetzungsvermögen, kling niemals schwach oder willenlos. Eine besondere klangliche Eigenheit ist das Martinsgans-Quietschen, das die Orgel ebenfalls imitieren kann. Das Instrument verfügt insgesamt über 33 Register auf zwei Manualen und dem Fußpedal sowie 1888 Pfeifen. Für das Gehäuse wurden 10 Kubikmeter Eiche verbaut

Stilistisch kann nun endlich eine gewaltige Spannbreite abgedeckt werden. Barocke Klänge lasse sich hier ebenso erzeugen wie die satten Vorgaben romantischer Klassiker. Das Instrument kommt vor allem im Gottesdienst zum Einsatz. „Ich habe den Ehrgeiz, jedes Mal eines der großen Werke der Orgelliteratur zum Auszug zu spielen“, sagt Franz Fink. Mittlerweile bleiben auch viele Gottesdienstbesucher extra bis zu der letzten Note sitzen, weil sie wissen, dass sie hier fast ein kleines Konzert geboten bekommen. „Darüber freue ich mich, weil ich das Orgelspiel als Teil des Gotteslobs verstehe“, so Fink.

Doch wie war nun die Finanzierung möglich? Ganz besonderen Anteil daran hatte das Ehepaar Annethee und Dieter Schnell, die Motoren des Fördervereins. Durch Basare an Ostern und Weihnachten und die Beteiligung am Idsteiner Weihnachtsmarkt war rund ein Drittel der 290.000 Euro zusammen gekommen, die der Verein letztendlich aufbrachte. Verkauft wurden 4.000 Gläser Gelee und 2.600 Flaschen „Orgelwein“. Unterstützung gab es außerdem von der Stadt Idstein und der Stiftung „Initiative und Leistung“. Außerdem haben viele Gemeindemitglieder einen Dauerauftrag eingerichtet und die Arbeit damit persönlich unterstützt. Ohne sie wäre die Orgel, die am 22. Januar 2006 eingeweiht wurde, nie nach Idstein gekommen.

Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt

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