Montag, 25. August 2008

Kunstfest Weimar eröffnet mit Gedenken an KZ Buchenwald

Es gehört mittlerweile zur Tradition des Weimarer Kunstfests und mit ihm auch der Staatskapelle Weimar, vor Beginn der vielen Veranstaltungen mit Musik, Tanz, Theater und Ausstellung die Erinnerung an die Greueltaten zu stellen, die wenige Kilometer und nur ein paar Jahrzehnte entfernt stattgefunden haben. „Gedächtnis Buchenwald“ heißt dieser Vor-Auftakt in der Weimarhalle, der in diesem Jahr besonders denk- und erinnerungswürdig ausgefallen ist. Da war zunächst der unsagbar eindrucksvolle und empfindsame, gleichermaßen kluge und durchdringende Vortrag von Hortensia Völckers, Vorstand und Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes. Nach den Pflichtbeiträgen von Festival-Chefin Nike Wagner und dem Beauftragten für Kultur und Medien, Bernd Neumman, wagte sie ureigene Gedanken und Gefühle wie einen scharfen analytischen Gegenwartsblick.

„Es bleibt eine Kluft“, so sagt sie, wenn sie an Buchenwald denkt. „Auf der steinigen Lichtung des Appelplatzes von Buchenwald dehnen sich die großen Worte Humanität und Barbarei, Terror und Würde zu einem Raum, in dem die furchtbaren Bilder aus den Erzählungen drängen“, formulierte sie eingangs. Doch auch die Ohnmacht dieser Wahrnehmung ist ihr bewusst. „Die Wirkung von Wissen ist begrenzt“, formuliert sie schlicht wie treffend. Und weiter: „Auch den schrecklichsten Bildern fehlt der Ton, der Geruch, die Angst auf dem Appelplatz stößt mein Vorstellungvermögen an Grenzen.“ Ganz persönlich wird sie, wenn sie bekennt: „Etwas in mir kann sich damit nicht abfinden“.

Ähnlich verhält es sich mit der Kunst, die das Unsagbare versucht, zu formulieren. „Kunstwerke können mit Opfern schreien und mit Lebenden trauern“, weiß sie. Aber: „Sie können Gegenwelten entwerfen, die den Skandal der Wirklichkeit demonstrieren.“ Damit wird ihnen ein wenig Macht zuteil. Hanns Eislers „Deutsche Sinfonie“, die später gespielt wird, charakterisiert sie treffend als „ausgespannt zwischen Zorn und Trauer, Erkenntnis, Klassenkampf und dem Erbarmen. Sie endet mit einem Imperativ: seht, unsere Sohne – taub und blutbefleckt. Wärmt sie, es ist ihnen kalt.“

Eisslers Hauptwerk, die „Deutsche Symphonie“, spielt die Staatskapelle und singen der Gewandhaus-Chor Leipzig sowie der Ernst Senff Chor Berlin unter der Leitung von Lothar Zagrosek mit einem hohen Maß an Ausdrucksvermögen und ohne falsches Pathos. Acht Vokalsätze und drei instrumentale Sätze fügen sich zu einem monumentalen und doch oft intim vereinnahmenden Werk zusammen. Zumeist sind es Texte von Berthold Brecht, die Eissler verwendet hat. „O Deutschland, bleiche Mutter“, etwa. Margarete Joswig (Alt) besingt mit Brecht eindringlich Deutschlands „wahre Führer“, die in den Konzentrationslagern eingepfercht sind und ermordet werden. Der knappe fünfte Satz „In Sonnenburg“ erinnert an das Konzentrationslager, in dem 1933 Erich Mühsam, Carl von Ossietzky und der KPD-Reichstagsabgeordnete Erich Schnelle litten.

Das Kunstfest wagt sich mit dieser Aufführung an ein Stück Musikgeschichte heran, das gleichzeitig enorm politisch ist. Das Stück wird heute kaum mehr aufgeführt und dass es in Weimar nun wieder Beachtung findet, gehört zu den mutigen Leistungen des diesjährigen Kunstfests.

Veröffentlicht im Neuen Deutschland

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