Dienstag, 30. Mai 2006

Interpretationskurs mit Peter Feuchtwanger in Mainz

Die junge Frau am Klavier hört ihren letzten Tönen hinterher und bleibt dann still sitzen. Das schwere Werk ist ihr gut gelungen und nun wartet sie gespannt. In einer der hinteren Reihen des Konzertsaals im Peter-Cornelius-Konservatorium steht ein schmaler älterer Herr auf, geht langsam auf sie zu und setzt sich an den zweiten Flügel. „Fangen sie noch mal an“, sagt er zu Hara Manami, die erneut beginnt. Mendelssohns „Schottische Fantasie“ hat sie sich ausgesucht für den Meisterkurs bei Peter Feuchtwanger.

Am Anfang unterbricht er sie nur manchmal. Etwas Kosmetik bei der Haltedauer mancher Töne, ein paar agogische Hinweise. Dann nimmer er ihren Arm, führt kreisende Bewegungen aus und schlägt einen neuen Fingersatz vor. „Das wird eine elastische Hand, sie wird sich sehr gut entwickeln“, sagt er ihr voraus. Am langsamen Teil arbeitet er lange. „Sie müssen die Spannung halten, das Publikum weiß noch nicht, was passiert“, rät er ihr. Dann lächelt er in die Stuhlreihen: „Eine gewisse Ungeduld hat sie noch.“ Er achtet auf Details, manchmal mehr auf die Pausen als auf die Töne. „Insgesamt mehr Ruhe“, empfiehlt er noch abschließend, dann ist der Unterricht schon zu Ende.

Das ist einer der Nachteile an Kursen dieser Art. Der international renommierte Klavierpädagoge, der heute von London aus in aller Welt Unterricht gibt, mag daher auch lieber die länger andauernden Phasen. Dann kann er auf viel mehr achten. Etwa auf die äußeren Bedingungen. „Ich kenne kaum einen Pianisten, der richtig mit seinem Körper umgeht“, bedauert er später. Viele klagten über Nacken- und Rückenbeschwerden, könnten oft wochenlang nicht schmerzfrei spielen. Er selbst ist Autodidakt und legt Wert darauf, dass alles, was er vermittelt, auf eigenen Erfahrungen in Kindheit und Jugend beruht.

Die ersten Stücke auf dem Klavier hat er vom Grammophon abgespielt – manchmal in der falschen Tonart, weil die Geschwindigkeit des Apparats nicht gestimmt hat. Heute ist er, in der Methode kontrovers diskutiert, als einer der meistbeachteten Klavierpädagogen der Welt. Viele renommierte Künstler kommen zu ihm, um sich in seiner Methode, dem funktionell-natürlichen Klavierspiel, wie er es nennt, unterweisen zu lassen. Auch Claudia Meinardus-Brehm, die den Kurs am Konservatorium initiiert und gemeinsam mit dem Tonkünstlerverband Rheinland-Pfalz organisiert hat, gehört zu seinen Schülern. „Er hat ein gutes Gespür dafür, was er jemandem zumuten kann“, berichtet sie. Denn für viele ist es eine große Umstellung, wenn sie bei ihm unterrichtet werden.

Loslassen können und den richtigen Impuls setzen – das sind zwei wesentliche Elemente, die Feuchtwanger in das Zentrum seines Unterrichts gestellt hat. Beide Eigenschaften führen seiner Überzeugung nach zu einem natürlichen Spiel. Ein Effekt, der sich auch bei international erfolgreichen Künstlern nicht immer zu beobachten ist.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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