Dienstag, 16. Mai 2006

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und die Geigerin Patricia Kopatchinskajaerin in Frankfurt

Drei Mal prasselt Holz auf Saite, mit einer ungeheuren Vehemenz steigt das Orchester in Beethovens Coriolan-Ouvertüre ein. Mit solch krassen Phrasierungen hat man das Stück wohl noch nicht gehört, jeder Ton ist Impulsivität pur. Dann säuseln wieder die Geigen. Selbst der scheinbar nebensächlichste Ton wirkt in dieser Interpretation nie zufällig gesetzt. Genau so gerät auch die Sinfonie Nr. 8. Als nicht enden wollende Aufforderung zum musikalischen Ungehorsam. Beethoven rhythmisch gegen den Strich gebürstet, ohne dass ihm ein Leid geschieht. Jede Stimme wird heraus gestellt, alles ist auf einmal so transparent. Kein Zweifel: Paavo Järvi, der kommenden Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters, hat seine ganz eigenen Vorstellungen von Beethoven und in der Deutschen Kammerphilharmonie einen begeisterten Komplizen gefunden. Sein Schlag ist fordernd, seine Gestik unmissverständlich und schnörkellos. Puristen mögen die Nase rümpfen, doch wer Musik – gleich welcher Art – nicht als lebloses Exponat einer vergänglichen Epoche betrachtet, verfolgt gebannt, was da geschieht. Unerhört im besten Sinne auch das, was die junge Geigerin Patricia Kopatchinskaja mit dem Violinkonzert anstellt. Das Energiebündel aus der jungen Republik Moldau derwischt durch die Läufe, flüstert hauchige Lagenwechsel. Oft klingen die wie eine ganze Reihe Flageoletts. Geradezu eine Neudefinition. Lustvoll wie geistreich ist sie ohne Zweifel. Dabei von erstaunlicher Disziplin und Präzision, die ihr erst einmal nicht zuzutrauen ist, wenn man sie dabei beobachtet, wie sie sich auch ganz körperlich vom Orchester treiben und herumwirbeln lässt. Dazu kommen eigene Kadenzen, die respektvoll aber befreit mit dem Material spielen. Ein außergewöhnliches Konzert-Ereignis und die Erkenntnis: Frankfurt, freu Dich auf Paavo Järvi!

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Keine Kommentare: