Sonntag, 16. November 2008

Historische Ausstellung über "Entartete Musik" in Mainz eröffnet

Als „entartete Musik“ bezeichneten die Nationalsozialisten einst all die Klänge, die nicht in ihre von Rassenwahn bestimmten Vorstellungen passten. Werke jüdischer Komponisten wurden verboten, Musik von Schwarzen galt als verpönt. Eine Ausstellung zu den „Reichsmusiktagen“ 1938 sollte dokumentieren, was sich die braunen Machthaber unter „entartet“ vorstellten. Seit dem 17. Oktober zeigt die Stadt Mainz die von Albrecht Dümling und Peter Girth rekonstruierte und neu bearbeitete Ausstellung im Rathausfoyer. Das Musikwissenschaftliche Institut der Johannes Gutenberg-Universität veranstaltete nun zu diesem Thema eine öffentliche Fachtagung im Rathaus . Kooperationspartner war der Verein für Sozialgeschichte, unterstützt wurde das Unternehmen von den Freunden der Universität Mainz und der ProMusicaViva – Maria Strecker-Daelen Stiftung.

„Gerade angesichts des Umstands, dass die Ausstellung in wesentlichen Teilen von Musikwissenschaftlern konzipiert und durchgeführt wurde, sieht sich das akademische Fach Musikwissenschaft in der Verantwortung, deutlich Position zu beziehen“, hatten die Veranstalter ihr Engagement begründet. Schott-Geschäftsführer Peter Hanser-Strecker bekannte eine „persönliche Betroffenheit“ angesichts dieses Themas. Vor 10 Jahren war er im Lager Theresienstadt, wo seinerzeit viele unliebsame Komponisten eingesperrt waren und unter widrigsten Umständen kreativ waren. Seitdem habe er sich mit besondere Intensität um die Wiederherausgabe der Werke von Viktor Ullmann bemüht. Organisator Prof. Dr. Axel Beer nannete die nationalsozialiste Herrschaft die „mit Abstand übelste Zeit der jüngeren deutschen Geschichte“ und den „Wunsch nach Erkennen, Verstehen und Nachvollziehen können“ als Triebfeder für die kleine Tagung.

Zu den Referenten zählten Musikwissenschaftler und Historiker, darunter der stellvertretende Leiter des Stadtarchivs Mainz, Dr. Frank Teske, Prof. Dr. Anno Mungen von der Universität Bayreuth oder Dr. Sophie Fettauer von der Universität Hamburg, die am „Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit“ mitarbeitet. Das Themenspektrum spannte sich von der nationalsozialistischen Gleichschaltung, unter anderem am Beispiel der Mainzer Liedertafel bis hin zu den Strukturen der Musikpolitik im NS-Staat. Die Sozialarbeiterin Astrid Konter ging in ihrem Beitrag näher auf die Rolle von Hans Gál ein, der 1929 Direktor des Mainzer Konservatoriums wurde und das Land 1933 wegen seiner ungarisch-jüdischen Herkunft verlassen musste.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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