Mittwoch, 12. November 2008

Ehrgeiziges Projekt in der Künstlerkolonie Walkmühle

Provisorien nehmen mit der Zeit gerne die Eigenschaft an, besonders langlebig zu sein. Darum, dass der Walkmühle das Schicksal etwa der ewig vorüber gehenden Bundeshauptstadt Bonn erspart bleibt, kümmern sich Wulf Winkelmann, Christiane Erdmann und die fünf weiteren Mitglieder des Künstlervereins Walkmühle. Richtig gelesen, in diesem Verein gibt es bloß sieben Mitglieder. Sie schultern gemeinsam und verbindlich die Verantwortung für die Entwicklung und den Ausbau des Gebäude-Ensembles, in dem derzeit vier Künstler Platz zum Arbeiten gefunden haben. Ein Förderverein um diesen Mini-Verein herum sorgt für weitere Unterstützung. Dort sammelt sich auch Fachwissen, auf das die Macher gerne zurück greifen. Architekten, Juristen oder Steuerfachleute wurden bislang schon mehr als ein mal gebraucht.

Der heutige Verein ist das Ergebnis einer Fusion zweier Einrichtungen, die im April 2005 beschlossen, zusammen arbeiten zu wollen. Damals hatte es bereits seit vielen Jahren den Verein „Walkmühle e.V“. gegeben, dem es gelungen war, die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen und damit den Abriss der städtischen Immobilie zu verhindern. Den zweiten Herkunfsstrang bildet der Verein „Kunst und Raum Wiesbaden e.V.“, in dem sich Wiesbadener Künstler zusammen geschlossen hatten, um geeignete Räumlichkeiten für die Arbeit aber auch für die Präsentation zu finden. Heute werden diese Interessen mit der Konzentration auf die Walkmühle gemeinsam vertreten.

Wer in die Ateliers oder den riesigen Veranstaltungsraum kommt, wird von einem Charme umgeben, der schwer zu beschreiben ist. Man sieht dem Gebäude von innen wie von außen an, dass seine Bedürfnisse über viele Jahre hinweg ignoriert wurden, eine Sanierung ist augenfällig. Auf der anderen Seite aber ist es den Künstlern gelungen, mit einem hohen Maß an Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Kreativität hier einen Ort zu schaffen, an dem man sich gerne aufhält. Aus allen Ecken strahlt der Wille zum Gestalten. Die Arbeitsbedingungen sind indes nicht optimal. Allein die sanitären Anlagen, berichtet Winckelmann, sind ein einziges Provisorium. Die Infrastruktur für Strom und Wasser, ergänzt Christiane Erdmann, musste in der Anfangsphase eigens neu installiert werden. Für die Zukunft hat sich der Verein ein funktionierendes Arbeits-, Wohn- und Veranstaltungszentrum mit etwa 50 Einheiten vorgenommen. Dafür stehen 5.000 überdachte Quadratmeter zur Verfügung.

Doch schon im Provisorium ist der Verein alles andere als untätig. 60 Veranstaltungen haben hier innerhalb der vergangenen fünf Jahre stattgefunden. Eine stolze Bilanz, wenn man bedenkt, dass alle Arbeit ehrenamtlich geleistet wird, die Hauptakteure als Künstler zudem gut im Geschäft sind. Sie stecken eine Menge Energie in die Rahmenbedingung für ihre Arbeit, die, so könnte man glauben, darunter leiden könnte. Doch weit gefehlt. „Da kommt auch viel zurück“, hat Winckelmann festgestellt. Durch die Beschäftigung mit dem Raum und den Ideen, die ihn füllen, entstehen neue kreative Impulse. Vielleicht nicht gerade dann, wenn Ausgabenbelege geprüft und Anträge gestellt werden. Aber im Miteinander der Akteure, die alle auf ein Ziel hin arbeiten.

Unterstützung seitens der Stadt hatten sie schon immer. Die damalige Stadtverordnete und heutige Schuldezernentin Roselore Scholz hatte den Verein „Kunst und Raum“ auf die Fährte Richtung Walkmühle gebracht, der damalige Kämmerer und heutige Oberbürgermeister Helmut Müller die ersten Verhandlungen mit dem möglichen Betreiber geführt. Gerne würde der Verein heute ein Erbpacht-Verhältnis mit dem Eigentümer eingehen, doch bis dahin müssen noch einige grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden. Die Walkmüller sind der Überzeugung, dass ihre Arbeit auch der Stadt und ihrer Wirkung nach außen zugute kommt. Schon jetzt strömen angesehene Künstler aus der gesamten Republik herbei, wenn die Walkmühle zur Schwerpunkt-Ausstellung einlädt. Vernissagen mit 300 Besuchern sucht man außerhalb der Mauern des Ausnahme-Vereins wohl auch selten. Darüber hinaus verstehen sich Winckelmann, Erdmann und Kollegen als Ansprechparter auch für Projekte, die über die Disziplin der Bildenden Kunst hinaus gehen. Ausrichter von Konzerten, Lesungen und anderen Veranstaltungen haben hier bereits eine Bühne gefunden.

Die daraus resultierende Funktion einer Heimstadt, in diesem Fall für die Kultur, hat übrigens Tradition an diesem Ort. 1737 war die Walkmühle am Bornhofenweg von Pfarrer Egidius Günther Hellmund als Waisenhaus mit Werkstätten gebaut worden. Die Mietzahlungen der Seiler, Schlosser und Schmiede, die das Hauptgebäude nutzten, wurden für die Waisen verwendet. Und auch diese Mischkalkulation ist Bestandteil des aktuellen Konzepts. Denn darin ist nicht nur die Einbindung von Künstlern vorgesehen, auch Gewerbetreibende sollen zukünftig die Walkmühle beleben. Dann wäre das Nebeneinander von Kunst und Gewerbe, bezahlbarem Wohn- und Arbeitsraum möglich.

Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt
Foto: http://www.walkmuehle.net/Pictures/WalkmuehleInfo/Historie2.jpg

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