Sonntag, 26. Oktober 2008

Karin Neuhäuser entdeckt die „Fledermaus“ von Johann Strauß im Schauspiel Frankfurt neu

Ein beschaulicher Operetten-Abend war das ganz und gar nicht. Doch als einen Kulturschock hat es wohl wohl kaum jemand aufgefasst, wie Karin Neuhäuser am Schauspiel Frankfurt mit der guten alten „Fledermaus“ von Johann Strauß umgegangen ist. Der experimentierfreudigen Regisseurin und ihrem überaus engagierten und lustvoll aufspielenden Ensemble ist es gelungen, mit einer Mischung aus Trash-Musical, Revue und Operetten-Persiflage sowie einer gehörigen Portion Nonsens zu begeistern.

Die Filmsequenz zu Beginn macht deutlich, welche Schmach Dr. Falke (Matthias Redlhammer) erlitten hat. Sein Freund Gabriel von Eisenstein (Martin Butzke) hat ihn nach einer durchzechten Nacht nicht nur volltrunken, sondern auch im Batman-Kostüm auf einer Parkbank zurück gelassen, wo er am nächsten Morgen zum Gespött von Touristen und Geschäftsleuten wurde. Nun ist sein Moment der Rache, die „Rache der Fledermaus“ gekommen. Eisenstein muss für acht Tage ins Gefängnis und Falke inszeniert ihm eine rauschende Ballnacht mit anschließendem Kater samt Ehedrama und Identitätskrise. Doch die Geschichte ist ja bekannt.

Für Karin Neuhäuser ist die Vorlage ein Skelett, das sie genüsslich mit Fleisch füllt. Dafür dreht sie an allen Hebeln des Klamauks und der bitterbös beißenden Groteske. Susanne Buchenberger mimt eine aufgesetzt gelangweilte Rosalinde, die ihren Gatte später unerkannt als amerikanisches Sanges-Starlett umgarnt. Sandra Bayrhamme ist eine erstaunliche Verwandlungskünstlerin und gibt sowohl das devot-weinerliche Kammermädchen Adele sowie deren Wiedergängerin Olga, die sich mit frech-frivoler Kleinmädchen-Masche den Aufstieg sichert. Martin Butzke verliert sich als Eisenstein immer mehr im Rausch seiner Gier. Unvergleichlich sein französisches Rededuell mit seinem späteren Gefängnisdirektor Frank (Victor Calero), der eine im Asterix-, der andere im Obelix-Kostüm, beide bar jeder Sprachkenntnis. Stefko Hanushevsky ist ein überzogen-dekadenter Prinz Orlovsky im schwarzen Ballett-Röckchen und mit tapferem Falsett.

Es gehört zu den Verdiensten dieser einfach nur glänzend unterhaltsamen Inszenierung, das Original in Teilen durchaus ernst zu nehmen. So manche Melodie wird gerettet, mitunter sogar nahe an der Vorlage. Doch gleich danach rockt das Haus zuverlässig in bester Rocky-Horror-Manie. Running Gags wie ein ab und an durch die Szene platschender Frosch mit Luftballons oder die alten Muppet-Männer, die aus luftiger Höhe Robert Gernhardt zitieren und sich darüber kaputt lachen, halten das Tempo an keiner Stelle auf. Musikalisch wird das Stück von einem Salon-Sextett unter der Leitung von Matthias Flake, das sowohl den Wiener Schmäh als auch rotzigen Hardrock kann, voran getrieben.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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