Dienstag, 1. April 2008

Charlotte Roche liest aus ihrem Roman "Feuchtgebiete"

Charlotte Roche war wütend. Deshalb hat sie ein Buch geschrieben. „Zum Glück merkt man das dem Buch aber nicht mehr an“, beruhigt sie. Ihr Zorn richtete sich gegen die Werbe-Industrie, weil dort immer mehr Hygiene-Produkte angepriesen werden. „Für mich bedeutet das, dass ein Mal duschen am Tag nicht reicht“, filterte sie eine Botschaft heraus. Das ärgert sie, denn das würde für sie bedeuten, abends aus Geruchsgründen keinen Geschlechtsverkehr mehr haben zu dürfen. Es sei denn, sie hätte eines dieser Produkte benutzt. „Frauen sind ohnehin nicht die lockersten“, beäugt sie das weibliche Geschlecht und ist überzeugt, dass das viel mit der Erziehung zu tun hat. „Dagegen wollte ich angehen und habe mir eine Anti-Heldin erfunden, die frei von solchen Beklemmungen ist“, sagt sie.

Als sie anfing, zu schreiben, waren es vor allem Spielereien, die ihr eingefallen sind. „Dinge, die sich Helen ausdenkt, um Jungen eine Freude zu machen“, beschreibt sie es. „Das wäre dann eher so eine Art Sachbuch, vielleicht ein Ratgeber darüber, was Charlotte Roche deutschen Frauen rät“, blickt sie zurück. „Das wäre aber sehr von oben herab gewesen und auch langweilig“, hat sie schnell befunden. In der Heldin ihres Debüt-Romans „Feuchtgebiete“ steckt auch ein wenig Charlotte drin. Helen liegt im Krankenhaus und versucht, ihre geschiedenen Eltern wieder zusammen zu bringen. „Für mich war es nahe liegend, meine Familiengeschichte zu nehmen“, erklärt sie. „Scheidungsdrama, das Kind, das an der Scheidung leidet, das ist voll meine Geschichte“, fügt sie hinzu.

„Ich habe beim Schreiben an keinen gedacht als an mich“, berichtet sie über den Schreibprozess. Sie hat dabei keinen besonderen Kundenstamm im Auge gehabt. Auch die Frage, ob sie darin Tabus brechen könnte, hat sie sich nicht gestellt. „Es ist wohl ein Buch, das sehr schwer mit anderen zu vergleichen ist“, weiß sie nun auch. Und sie ist sich sicher, dass es mit seiner Thematik und in seiner Herangehensweise einzigartig ist. Die „Feuchtgebiete“ findet sie deshalb so faszinierend, weil „es als böse gilt, darüber zu sprechen“. Sie möchte das Gegenteil beweisen und ihren Geschlechtsgenossinnen Mut zum selbstbewussten Umgang machen.

Ein Problem hat sie nun aber: „Ich wüsste gern, wer das Buch kauft“, fragt sie sich. Sicher ist, dass das Internet-Geschäft gut funktioniert. „Die einzigen, die ich sehe, sind die in den Lesungen“, berichtet sie. Viele junge Frauen sind darunter, was sie „sehr beruhigend“ findet. „Ich bin froh, dass es nicht immer ein voller Saal geifernder älterer Herren ist“, ergänzt sie. Der Reiz für Voyeuristen besteht schon – immerhin weiht Charlotte Roche ihre Leser in die tiefsten Geheimnisse des weiblichen Organismus ein und beschreibt detaillierter, als es so manchem lieb ist, körperliche Vorgänge, zu denen es ansonsten bestenfalls wissenschaftliche Literatur gibt.

Charlotte Roche liest am Donnerstag um 20 Uhr im Frankfurter Hof aus ihrem Roman.


Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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