Mittwoch, 16. April 2008

Jean-Michel Jarre lässt sich in der Alten Oper als Hexenmeister der Elektronischen Musik feiern

Die Million, die 1979 zu seinem ersten Konzert auf den Pariser Place de la Concorde kam, war es dann doch nicht. Doch auch, nachdem es eine Weile stiller um ihn geworden war, strömte eine erstaunliche Masse zu Jean-Michel Jarre in die Alte Oper. Dort ließ sich der Meister der Elektronischen Musik bei seinem vierten und letzten Deutschland-Konzert seiner Europa-Tournee tüchtig feiern. Im Stil eines 80er-Rockstars animierte er sein Publikum zum rhythmischen Applaus, fegte zwischen seinen Manualen und dem Bühnenrand hin und her, als ob er sich zwischenzeitlich versichern wollte, ob noch alle da seien.


Jarre gehört zu den Pionieren einer Musikrichtung, die das gesamte Geschäft kräftig revolutioniert hat. Als die Technik noch in ihren Kinderschuhen steckte, war er ganz vorne dabei und regte auch emotional engagiert geführte Debatten über den Einsatz von Elektronik in der Musik aus. Für viele aber wurde er Vorbild. Der Mann des pompösen Live-Spektakels hat im vergangenen Jahr sein erfolgreichstes Album „Oxygene“ neu aufgenommen, Anlass war das 30-jährige Jubiläum der Platte, die seinen Ruhm begründet hat.


In Frankfurt beeindruckte er nun gemeinsam mit Francis Rimbert, Claude Samard und Dominique Perrier hinter gut 20 Tastaturen seiner Instrumente, die größtenteils tatsächlich aus eben dem Sortiment stammen, das ihm 1977 zur Verfügung gestanden hat. Alles live, keinerlei vorprogrammierten Sequenzen. Fast verliebt sprach Jarre vor dem Konzert von einer „Stradivari der elektronischen Musik“ und bat um Nachsicht für die „alten Damen“ auf der Bühne, die ihre Arbeit aber ohne größere Ausfälle bewältigten.


Als sich das bemannte Klang-Raumschiff in Bewegung setzte, stellte sich im Publikum eine fast spirituelle Atmosphäre ein. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Begeisterung in ungebremstem, tobendem Applaus Bahn brach. Alle Titel des Albums spielte das Quartett in direkter Abfolge und mit improvisiert wirkenden Übergängen. Flächige Streicherklänge, über denen sich minimalistisch orientierte Melodie-Fragmente entwickelten wurden abgelöst von weichen Stakkato-Folgen und ekstatisch blitzenden Klang-Orgien.


Auch optisch wurde traditionsgemäß so einiges geboten. Eine Neonröhre schwebte anfangs quer über der Bühne und machte später einem gigantischen Spiegel Platz, der es dem Publikum ermöglichte, den Musikern von oben auf die Finger zu schauen. Und während der Hintergrund anfangs lediglich aus einer schmalen Lichtsäule bestand, wurde die Fläche später genutzt, um kurze Filmsequenzen einzuspielen, gegen Ende einen längeren Part über Erblühen und Vergänglichkeit in der Natur. Jean-Michel Jarre sprang bisweilen wie ein irrer Hexenmeister von Manual zu Manual, hielt aber dabei immer Kurs. Auch ans Teremin traute er sich für eine kurze Einlage und drückte damit ganz nebenbei seine beachtliche Vielseitigkeit aus.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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