Freitag, 11. April 2008

Giora Feidman mit "KlezMundo" in der Wiesbadener Marktkirche

Wer Giora Feidman besucht, erwartet kein gewöhnliches Konzert. Seine Auftritte stehen für ein Musikerlebnis, das weit über das reine Zuhören hinaus geht. Lange bevor der Begriff „ganzheitlich“ in Mode gekommen ist und Musiker sich publikumswirksam über die Verschmelzungen von Stilen Gedanken gemacht haben, hatte Feidman seinen bereits geprägt. Sicherlich gehört er zu den wenigen Musikern, denen es gelungen ist, ein klassisches Instrument über die Maßen populär zu machen. Seiner Wirkung ist er sich wohl bewusst und er kokettiert auch gerne damit. Wenn er im Vorgespräch gesagt hat, dass er auch vor wenigen Menschen spielen und dabei das Gleiche empfinden würde, liegt es ihm doch sichtlich, vor einem großen Publikum in der voll besetzten Marktkirche aufzutreten.

Seine Zuhörer hat er mit seinem Programm „KlezMundo“ von Anfang an fest in der Hand. Nach einem kurzen Intro seiner bestens ausgerichteten Band aus Jens-Uwe Popp (Gitarre) und Guido Jäger (Kontrabass) – später kommt noch der Perkussionist Murat Coskun dazu -, betritt er den Kirchenraum von hinten, schreitet durch die Reihen und bringt kaum vernehmbare Töne mit. Kein Huster, kein Rascheln begleitet ihn dabei, schon jetzt wird ihm ehrfürchtig zugehört. Ab diesem Moment kann er tun und lassen, was er will, das Publikum hängt buchstäblich an seinen Lippen. Egal, ob er spielt oder spricht.

Sein Programm bedient sich bei allen möglichen musikalischen Formen. Gerne leiht er sich Phrasen und Melodien aus unterschiedlichen Folklore-Bewegungen, holt Mozart zu Scott Joplin und Charlie Parker auf die Bühne. Aber jeweils so, dass schon klar ist, dass er die Herren Komponisten lediglich als Anregungen und keinesfalls als dogmatische Vorformulierer betrachtet. Es ist und bleibt seine Musik, die er spielt. Wenn er schreien will, dann entlockt er seinen Klarinetten die wildesten und markerschütterndsten Töne, wenn er flüstern will, schmeichelt er sich verhalten in die Ohren seiner Zuhörer, zwingt sie ganz nah an sich heran.

Der 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Argentinien geborene Klarinettist hat eine universelle Vorstellung von Musik. Er glaubt, dass sie überall und in jeder Kultur verstanden wird und daher eine Weltsprache ist. In der Welt kennt er sich jedenfalls aus. Fast zwanzig Jahre lang spielte er im Israel Philharmonic Orchestrea und machte sich in den siebziger Jahren auf, die Kletzmer-Tradition zu neuem Leben zu erwecken. Auf der ganzen Welt gibt er Konzerte, spielt die Musik für Filme ein und wirkt in Opern mit. 2001 erhält Giora Feidman das Große Bundesverdienstkreuz am Bande für seine „besonderen Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden.“ Mit welcher Selbstverständlichkeit Feidman auch derart große Aufgaben annimmt, davon konnte man auch in Wiesbaden einen kleinen Eindruck gewinnen.

Veröffentlicht u.a. im Wiesbadener Kurier / Wiesabdener Tagblatt

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