Donnerstag, 24. November 2005

Patricia von Blumröder mit Cage, Gompper und Thewes im Frankfurter Hof (Mainz)

Glücklicher hätte das vorläufige Finale der „Reihe Avance“ kaum ausfallen können. Viel zu selten sind die Sonatas and Interludes für präpariertes Klavier von John Cage zu hören. Einfach auch, weil es oft an Werken fehlt, die wenn nicht gleichbedeutend, dann doch wenigstens illustrierend, kommentierend oder ein wenig vergleichend daneben gestellt werden könnten.

Im Frankfurter Hof ist es dem Organisationsteam um Achim Heidenreich nun gelungen, nicht nur dieses Kunststück zuwege zu bringen, sondern auch mit der kalifornischen Pianistin Patricia von Blumröder eine ausgewiesene Expertin für die Klassiker der zeitgenössischen Musik zu verpflichten. Zwei Uraufführungen unterbrachen die „Sonatas and Interludes“ und vermittelten damit auch unterschiedliche Möglichkeiten, mit der von Cage vorgegebenen Präparierung umzugehen.

Die Schrauben, Gummi- und Plastikteile, die an und zwischen den Saiten des Instruments angebracht sind, erschließen eine Reihe von klanglichen Neuorientierungen. Neben dem perkussiven Effekt wird dabei auch en passant die wohltemperierte Stimmung überwunden. Heraus kommen neue Klangfarben, die das Werk deutlich bereichern.

Sowohl David Gomppers „Inside Cage“ als auch das „Ricochet“ von Bernd Thewes, beides Auftragskompositionen für diesen Abend, arbeiten behutsam mit den zahlreichen Möglichkeiten, „neue“ Klänge zu schaffen. Dabei verlassen sie erstaunlicherweise kaum eingefahrene harmonische Konventionen, man könnte sogar von eher rückwärtsgewandten Formen sprechen. Der progressive Effekt entsteht aber gerade durch dieses seltsame Zusammenwirken. Das Instrument ist schließlich der Star des Abends und das, was Komponisten und Interpretin herausholen, ordnet sich ganz der „Deformation“ der Saitenklänge unter, wie es Thewes auch formuliert. Dass man sich an de Klang überraschend schnell gewöhnen kann, ist ein weiterer Nebeneffekt dieser Behandlung.

Patricia von Blumräder dosierte ihre dynamische Verteilung und ihre Anschlagstechnik sehr wohlproportioniert und überlegt, passte sie an die Gegebenheiten jeder einzelnen Saite an, ohne dabei den Fluss aufzuhalten. Markig wuchtige Säulen ließen das Scheppern und Klirren besonders herausplatzen, dazwischen entstanden gedämpfte Akkordbrechungen, die an Glocken- oder Xylophon-Schläge erinnerten. Wenn sich der Zuhörer am Ende des Cage-Werkes eine geraume Zeit in einer plätschernden Endlos-Schleife wähnt, ist das nur ein Abklingen wieder entdeckter Hörmomente, aus der uns Patricia von Blumröder ganz unauffällig herausgleiten lässt.

Die Reihe Avance wird am 24. Januar um 20 Uhr fortgesetzt. Das Ensemble Avantgarde aus Leipzig spielt dann im Frankfurter Hof unter anderem Werke von Steffen Schleiermacher, Daniel Smutny und Friedrich Schenker.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz und im Wiesbadener Kurier/Wiesbadener Tagblatt




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