Freitag, 25. November 2005

"Die Tochter des Piraten" von Michael Oberer als Weihnachtsmärchen im Staatstheater Mainz

Kapitänin klingt genau so sperrig wie Kanzlerin. Doch an beides werden wir uns gewöhnen müssen. Was der neuen Bundesregierung recht ist, war dem Mainzer Staatstheater bei seinem Weihnachtsmärchen nur billig.

Nach „Kalif Storch“, der „Chinesischen Nachtigall“ und der „Kleinen Meerjungfrau“ war „Die Tochter des Piraten“ bereits das vierte Weihnachtsstück, mit dem der Schweizer Autor und Regisseur Michael Oberer beauftragt wurde. Dieses Mal ist ihm ein fantasievolles Stück gelungen, mit dem sowohl die kleinen als auch die großen Zuschauer der Premiere offensichtlich einiges anzufangen wussten. Immerhin gab es immer wieder reichlich Zwischenapplaus.

Rau geht es zu auf See – und Michael Oberer will da nichts beschönigen. Es wird kräftig gemordet, geflucht und gespuckt, auch Todes- und Prügelstrafe werden mit dem Einzug des Matriarchats in der Piraterie nicht schlagartig abgeschafft. Doch von Anfang an: Nachdem der Freibeuter Pat O’Connor (Patrick Braun) auf der Jagd nach seinem betrügerischen Bruder Schwarzbart von eben diesem (ebenfalls Patrick Braun) getötet wird, übernimmt seine Tochter Caitleen (Kathrin Molsberger) das Ruder, um den Tod ihres Vaters zu rächen. Als sie ihn endlich stellt, erfährt sie, dass sie eine Schwester Sinead (Maria Weber) hat, die bislang mit Schwarzbart gemeinsame Sache machte und nun entsetzt von ihm ablässt. Dazwischen gibt es noch zwei Liebesgeschichten und eine Spionage-Affäre, weil nämlich die „American Sea Company“ hinter Schwarzbarts Wunderwaffe – der „Dicken Dora“ – her ist.

Das temporeiche Stück lebt zu einem guten Teil von der liebevoll und bis ins Detail durchdachten Bühne und die bunten Kostüme von Christoph Wagenknecht. Da findet sich Caitleen in einem gruseligen Verlies mit knochenübersätem Boden und zwischen verwesenden Leichen wieder. Zwischendrin machen die Piraten auf ihrer Verfolgungsjagd immer wieder Station in exotischen Spelunken und sogar in einem kleinen Theater. Allein das Schiff und auch die wuchtige Kanone (eben die „Dicke Dora“) gehören zu den immer wieder kehrenden Blickfängen der Inszenierung.

Darstellerisch ist vor allem Teamarbeit angesagt. Die wunderbar vielseitig und charakterlich wendig agierende Kathrin Molsberger liefert sich packende Kampfszenen mit Patrick Braun, der in seiner Doppelrolle den Spagat zwischen dem eher aristokratisch auftretenden Pat und dessen drogen- und menschenhandelnden Bruder Schwarzbart glaubwürdig meistert. Felix Pielmeier gibt den schusseligen Spion Skunky, Bruno Lehan plappert sich als „Haifischmaxe“ quer durch die Dialekte der Republik und Lovis Dengler legt eine Bilderbuchkarriere vom Dreckschrubber über den Smutje und den Ersten Leutnant bis zum Bräutigam der Piratenbraut hin. Mit der von Michael Frei ausgesuchten Bühnenmusik erhält die Produktion zusätzliches Tempo.

So sollte ein Weihnachtsstück wohl sein. Viele kurze Szenen, die derart stimmig und abgeschlossen ineinander übergreifen, dass auch die parallele Mini-Handlung mit dem Spionageversuch gestemmt werden kann. Witzig, dabei nie zu überdreht, ist Michael Oberer und dem Ensemble eine schillernde Seeräuberfantasie für Kinder ab sechs Jahren gelungen.

Spieldauer: 2 Stunden mit einer Pause

Karten unter 06131-2851222

Weitere Aufführungen: täglich vom 28.11. bis 8.12., vom 11. bis 13.12., vom 16. bis 21.12. und am 27.12.

Veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

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