Donnerstag, 17. November 2005

Dieter Schnebels "MOMA" im Mannheimer Nationaltheater

Wie hören sich wohl die Meister der modernen Kunst an? Nein, nicht die Komponisten, die Maler. Diese Frage stellte sich wohl Dieter Schnebel, als er seine Collage „für bewegliche Stimmen und Instrumente“ schuf und ihr den Titel „MOMA“ gab. Als Auftragswerk für den Westdeutschen Rundfunk geschrieben hatte es seine Uraufführung vor genau zehn Jahren im Kölner Museum Ludwig. Nun stand die Premiere im Mannheimer Nationaltheater an. Matthias Rebstock hatte sowohl die Inszenierung als auch die musikalische Leitung übernommen und präsentierte seinem Publikum eine Veranstaltung, die zur Schärfung der Sinne einlud. Der 1970 geborene Künstler kennt sich aus mit Schnebel, immerhin hatte er bei den Donaueschinger Musiktagen vor vier Jahren dessen „N.N.“ uraufgeführt.

In Mannheim ließ er nun jedem Zuschauer ein kleines Büchlein in die Hand drücken, in dem 45 Bilder „moderner“ Meister von Jawlensky über Dali und Segal bis hin zu Rebecca Horn und Anselm Kiefer versammelt waren. All jene also, die Dieter Schnebel in Musik gesetzt hatte. Klar gab’s da eine Menge Lautmalerisches zu hören. Da musste das Ensemble beim Meister der Nägel, Günther Uecker, auch Nägel in Klötze hämmern, zu Frida Kahlos „Columna Rota“, der geschundenen Frau, gab’s Kettenrasseln und monoton gedrückten Frauenchor.

Doch die Aufführung blieb nicht bei einer illustrierenden Werkschau stehen. Ausgehend vom Foyer führten die jeweils acht Sänger und Instrumentalisten ihr Publikum um den Schauspielturm herum, verharrten an den verschiedenen Stationen und brachte immer wieder neue Zusammenhänger zum Vorschein. Einzeln oder in Gruppen, miteinander und unabhängig voneinander wurden hier Beziehungen hergestellt, die ständig im Auge des Betrachters und aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus ihre Entwicklungen durchlebten.

Dabei stolperten oder stießen die Akteure gerne mal an laut scheppernde Metallbehälter, stoben hektisch auseinander und ließen sich gemächlich treiben. Fest stand hier kaum etwas, selbst die leblosen Gegenstände wurden am Ende unter lautem Gebrabbel und politphilosophischem Krakeelen in die Mitte des Foyers geschleppt. Die Situation, der Moment und der Prozess dazwischen – das waren die Hauptaugenmerke des Abends, die sich sehr eindrucksvoll miterleben ließen. Zwischen Erstaunen, Erschrecken, Erkennen und Verwunderung waren die Wege dabei oft kurz. Ein spannender Moment jagte den nächsten, die Wechsel zwischen den Bildern ließen immer wieder Raum zum Innehalten. Ein beschauliches Experiment, das von der großen Ernsthaftigkeit seiner Protagonisten lebte.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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