Montag, 14. November 2005

Beethovens Missa solemnis mit der EuropaChorAkademie und dem Philharmonischen Orchester Luxemburg unter Michael Gielen in Mainz

Nur wenige sakrale Werke besitzen diese musikalische Anziehungskraft wie Beethovens Missa solemnis. Deren stets auf’s Neue tief empfindsame und bei aller Gegensätzlichkeit emotional wie inhaltlich schlüssige musikalische Großtat kann daher nicht nur in der Kirche ihre volle Wirkung entfalten. In der Mainzer Rheingoldhalle bewiesen das die Europa Chor Akademie und das Philharmonische Orchester Luxemburg unter der Leitung des 78-jährigen Dirigenten Michael Gielen.

Zwei sehr unterschiedlich strukturierte Klangkörper fanden hier unter der überblickenden Stabführung eines Mannes zusammen, der in seinen sanften Schlägen oft unerreichte Klangvorstellungen realisierte. So ließ er den Chor im Gloria zwar mächtig anschwellen, ohne aber jemals einen gewalttätigen Eindruck zu vermitteln. Die von Joshard Daus einstudierte Europa Chor Akademie bewahrte sich auch in den mächtigen Momenten volle Flexibilität, konnte sich schlagartig zurücknehmen. Im weiteren Verlauf des Glorias wurden die einzelnen Stimmen präzise herausgearbeitet und bauten passgenau aufeinander auf. Hauchfein und doch enorm tragfähig setzte der Tenor im „Et incarnatus est“ beim Credo ein, fast wispernd fiel der Chor ein und vollzog nach und nach eine effektvolle und behutsam ausbalancierte Steigerung.

Trotz der enormen Anstrengungen, die das Werk von den Choristen fordert, ließen die jungen Sängerinnen und Sänger keine Ermattungserscheinungen zu. Intonation und Spannkraft blieben bis zur letzten Note erhalten. Eindrucksvoll blühte der Chor noch einmal im „Dona nobis paem“ des Agnus Dei auf. Das Philharmonische Orchester Luxemburg hatte für diese Aufführung einen geschmeidigen und unaufgeregten Tonfall gefunden, der sich immer wieder mit kernigem Biss und präziser Artikulation verband. Feinsinnige Bläsersoli und ein konturenreiches Streichertutti sorgten für eine beziehungsreiche Interpretation, Konzertmeister Hao-Xing Liang überzeugte mit einem empfindsamen Violinsolo im Sanctus.

Den Gesangs-Solisten gelang es gerade im Quartett nicht immer, die Stimmung adäquat zu treffen. So gaben sie sich bereits im Kyrie über die Maßen üppig und präsent, im Gloria ergaben sich immer wieder Unstimmigkeiten bei der Tempovorstellung. Im Sanctus hingegen überraschten sie mit beachtlicher Zurückhaltung, die einen hohen Grad an Spannung erzeugte. Einzeln wussten sie in der Regel zu überzeugen. Luba Orgonásová (Sopran) konnte ihre große Stimme auch an sensibleren Stellen zur Geltung kommen lassen, Birgit Remmert stattete die Altpartie mit warmer Fülle aus, Tenor Christian Elsner gewann mit eleganter Strahlkraft. Lediglich Bjarni Thor Kristinsson (Bass) verfehlte hörbar den Zugang. Flach und unausgewogen gerieten einige seiner Einsätze zur gefährlichen Zitterpartie, die er mit sehr viel Kraft auszubalancieren suchte.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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