Donnerstag, 27. März 2008

Premierenvorgespräch zu Massenets "Werther" in Mainz

Es gibt Stoffe, die sind einfach für die Oper gemacht. Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ gehört nicht dazu. So dachten und denken zumindest die Komponisten. Die einzige Ausnahme, die der relativ undramatischen Gestalt des Werther eine Funktion in der Oper zugestand, war der Franzose Jules Massenet. Der jüngste Sohn einer großen Offiziersfamilie war Schüler von Charles Gounod und hatte bereits fünf Opern geschrieben, als sein „Werther“ 1892 in Wien uraufgeführt wurde. „Diese aufwühlenden Szenen, diese fesselnden Bilder“, soll er begeistert ausgerufen haben, als er den Text 1885 zum ersten Mal in den Händen hielt.

Massenet ist es tatsächlich gelungen, die Figur des Werther aus seiner dramaturgischen Isolation zu lösen und zum Akteur innerhalb eines verzwickten Beziehungsgeflechts zu befördern. Zwar wird auch hier aus dem Leidenden kein übermäßig Handelnder, doch durch die Aufwertung anderer Figuren gewinnt die Geschichte an für die Oper geeigneter Substanz. In Mainz wird das Werk nun von der jungen Regisseurin Tatjana Gürbaca inszeniert, die bereits im vergangenen Juni Donizettis „Lucia di Lammermoor“ für das Staatstheater eingerichtet hat.

Die Theatermacherin findet den Perspektivenwechsel spannend, den der Komponist vorgenommen hat. „Werther steht nicht mehr allein im Mittelpunkt, Charlotte wird mindestens genauso wichtig“, sagte sie im Premieren-Vorgespräch. „Eigentlich könnte die Oper auch Charlotte und Werther heißen“, ist sie überzeugt. Charlotte ist in der Oper hin- und hergerissen zwischen pflichtschuldig eingegangener Ehe mit Albert und dem Reiz, der den künstlerischen Werther für sie interessant macht.

Tatjana Gürbaca erzählt die Geschichte einer Frau, die zwischen allen Welten steht. Während sie im ersten Akt noch unbeschwert mit dem schwärmerischen Werther auf den Ball geht, erlebt sie im zweiten Akt bei einer Goldenen Hochzeit das Korsett der bürgerlichen Familie. „Die junge Frau steht an einem Scheideweg“, erkennt die Regisseurin und lässt ihre Figuren genau diesen Konflikt austragen.

Ihrem Mainzer „Werther“ hat Tatjana Gürbaca eine „Zeitfreiheit“ verordnet. Die Kostüme von Marc Weeger und Silke Willrett lehnen sich an der heutigen Mode an, lassen aber eine „Traumfähigkeit“ zu, so zumindest beschreibt es die Regisseurin. Und obwohl Massenet für seine Oper eigentlich viele unterschiedliche Räume fordert, wird es in Mainz eine Einheitsbühne über alle vier Akte hinweg geben. Gürbaca verspricht allerdings einen „trickreich gebauten Raum“, der auf die Psychologie der Oper eingeht. Mitunter seien sogar surreale Bilder möglich.

  • Für die Premiere am 29. März um 19.30 Uhr sind noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich.
  • Weitere Aufführungen finden am 8., 13., 20. und 30. April statt.
  • Die musikalische Leitung hat Thomas Dorsch
  • Kartentelefon: 06131/2851-222
Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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