Sonntag, 2. März 2008

Das Litauische Staats-Sinfonieorchester in Rüsselsheim

Das Baltikum gilt nicht gerade als Kaderschmieder für klassische Musik. Zwar haben sich hier wichtige Komponisten wie Richard Wagner, Jean Sibelius oder Edvard Grieg zwischenzeitlich inspirieren lassen, auch die Mittlerfunktion dieser Region zwischen Russland und Europa ist beachtenswert. Doch denkt man über herausragende Künstler und Kompnisten nach, fallen einem spontan bestenfalls der estnische Kompnist Arvo Pärt, sein lettischer Kollege Peteris Vasks oder dessen Landsmann, der Cellist Mischa Maisky ein. Daher stellt die Begegnung mit dem Litauischen Staats-Sinfonieorchester von vorne herein schon einmal ein lohnenswertes Ereignis dar.

Für ein Orchester blickt der Zusammenschluss der talentiertesten Musiker des Landes auf eine sehr junge Geschichte zurück. Erst 1988 wurde Gintaras Rinkevicius damit beauftragt, ein Orchester zu gründen. Diesem steht er noch heute als Chefdirigent vor. Seit seiner Gründung widmet sich das Litauische Staats-Sinfonieorchester den großen Werken der Literatur, hat Mahlers achte und Beethovens fünfte Sinfonie erfolgreich aufgeführt. Auch Opernproduktionen wie Wagners „Fliegender Holländer“ und die „Salome“ von Richard Strauss wurden absolviert. Rinkevicius bekam die Pionierarbeit von seinem Land öffentlichkeitswirksam gedankt. Er erhielt den Nationalpreis der Republik Litauen, den den Nationalen Musikpreis und den „Orden von Gediminas“, der an den Großfürsten erinnert, unter dessen Regentschaft Litauen im 14. Jahrhundert zu einer bedeutenden Regionalmacht aufstieg.

Nun stand das Orchester auf der Bühne des Rüsselsheimer Stadttheaters. Auffallend schon gleich zu Beginn ist der samtig weich kultivierte Streicherklang. Der macht sich in Michail Glinkas Walzer-Fantasie h-Moll mit ihrem humorig-melancholischen Gestus besonders gut, funktioniert aber auch in der ersten Sinfonie von Johannes Brahms hervorragend. Rau und robust können die Streicher dann werden, um sich in sanfteren Passagen aber auch wieder auf ihre innige Wärme zu besinnen.

Gintaras Rinkevicius erweist sich im Klavierkonzert a-Moll op. 54 von Robert Schumann als ein geschickter Lenker und aufmerksamer Mittler zwischen Orchester und Solist. Der erst 24-jährige Pianist Victor Emanuel von Monteton macht einen sehr überlegenen Eindruck und bringt alle technischen Voraussetzungen mit, um sich dieser Aufgabe zu stellen. Überraschenderweise nimmt er den Einstieg recht langsam, gewinnt aber schnell an Fahrt und gefällt rasch mit perlenden Läufen und zunehmender Kraft im Gesamtklang.

Mitunter wirkt er allerdings etwas unvorbereitet – auch der ungewöhnliche Umstand, dass er nicht auswendig spielt, lässt darauf schließen. Seine beeindruckenden Leistungen jedoch schmälert diese Empfindung nur selten. Das Orchester ist hier mit filigranen und präzise formulierten Einwürfen präsent, rhythmisch überzeugen Wandlungsfähigkeit und Flexibilität. Die sanglichen Momente im Andantino grazioso tragen dazu bei, die mitunter gewollte Beiläufigkeit des Solos zu umspielen.


Veröffentlicht in der Main-Spitze

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