Sonntag, 10. Mai 2009

Gerd Knebel in Wiesbaden

Eine Turnhalle ist keine Kleinkunst-Bühne. Deshalb würden sich wohl nur wenige Vertreter jener Zunft dorthin wagen. Für Gerd Knebel aber ist das kein Problem. Als solistische Hälfte von „Badesalz“ geht ihm ein Ruf voraus, der die Dotzheimer Turnhalle zur Eröffnung der Kulturtage des Vereinsrings nahezu komplett füllt. Knebel hat sein Publikum von Anfang an im Griff. Mit dieser seltenen Mischung aus Brachialhumor und Subversivität lässt er sich immer nur momentweise in eine Schublade stecken, aus der er überraschend schnell stets wieder heraus krabbelt.

In den ersten Minuten gefällt er sich als Rüpel. Da weiß er, wie das geht, muss kein Neuland betreten, so kennen und lieben ihn die Fans. Da macht es auch nichts, wenn er Peter Gauweiler für einen CDU-Politiker hält und ihn zum Erbauer von Aids-Konzentrationslagern dämonisiert. Wie ist er darauf gekommen? Klar, durch die Verhaftung der „Sängerin“ Nadja Benaissa („No Angels“), die angeblich wissentlich einen Mann mit dem HI-Virus angesteckt haben soll. Warum interessiert ihn das? Weil er gerne auch mal von der Bühne weg verhaftet werden möchte. Auf diese verschlungenen Pfade durch seine Hirnwindungen lädt Knebel unverzagt ein und erntet von seinen Verfolgern hemmungslose Begeisterung.

Auch seine Mario-Barth-Parodie kommt an und seine Publikumsbeschimpfung ebenso: „Ihr seid freundlich, nicht zu kritisch und ungebildet“. Aber es ist nett gemeint, Schlaumeier findet er nämlich blöd. Dann freut er sich über „Medien, die einen vor der Wahrheit verschonen“ und erklärt Metaphern. Urplötzlich wird er so etwas wie politisch. Dann, wenn er über sein schlechtes Gewissen sinniert, dass ihn beschleicht, wenn er von der Startbahn West, gegen die er mit seiner Band „Flatsch!“ seinerzeit protestiert hat, in Urlaub fliegt. Seine bizarre Fantasie von einem Startbahn-West-Modell im Bord-Magazin sollte er dringend ausbauen, die hat surrealistisches
Potenzial.

Auch was er über schwäbische Waffen zu sagen hat, die, von der Bader-Meinhof-Gruppe getestet, nun in Georgien eingesetzt würden, birgt echte Kabarett-Qualitäten: „Den Waffen ist's egal, wer der Herr ist, Hauptsache sie dürfen Gassi gehen.“ Wenn er Liebesbriefe an Adolf
Hitler vorliest, dann nur, um zu veranschaulichen: „Wenn Du ein guter Mörder bist, bekommst Du alle!“, was er noch mit Gestalten wie Milosevic oder Pinochet illustriert. Auch im zweiten Teil gibt es solche Töne, wie etwa die über die „Angst-Flatrate“, den Preis der Freiheit in einer Demokratie.

In geschicktem Wechsel schiebt er dazwischen andauernd die beherzten Griffe unter die Gürtellinie und punktet mit dem passenden Vokabular in breit schlappender südhessischer Mundart. Ihm gelingen diese Rollenwechsel mühelos und authentisch, er hat weder das Belehrende und Angestrengte mancher Kabarett-Kollegen, gründelt aber gleichzeitig nie ausschließlich in den sumpfigen Themen-Niederungen der meisten Comedians. Gerd Knebel gibt weder den Intellektuellen noch den Verbal-Vandalen. Er stoppelt sich sein eigenes Patchwork zusammen.

Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt
Foto: Paul Müller

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