Mittwoch, 1. August 2007

Placido Domingo in Wiesbaden

Ausverkauft sieht anders aus. Woran es liegen mag, dass statt der erwarteten 12.000 Gäste doch nur rund 8.000 Fans vor das Wiesbadener Kurhaus kamen, um Startenor Placido Domingo bei seinem einzigen Deutschland-Konzert in diesem Jahr zu sehen, darüber kann trefflich spekuliert werden. Das Wetter ist ein gerne herangezogener Grund, schließlich war kein lauer Sommerabend zu erwarten, auch wenn es trocken blieb. Womöglich haben die ungewöhnlich hohen Preise für die Tickets den einen oder anderen Opernliebhaber abgeschreckt. Denn vor den Absperrungen tummelte sich eine durchaus ansehnliche Schar an Zaungästen, die sich zumindest die Klänge beim zweiten Wiesbaden-Besuch nach 1994 nicht entgehen lassen wollten. Bereit, zwischen 60 und 320 Euro dafür auszugeben, waren sie allerdings nicht. „Wir mögen Placido Domingo wirklich sehr“, sagt etwa die Wiesbadenerin Ingrid Hasenclever. „Aber 120 Euro für zwei Personen auf den schlechtesten Plätzen ist einfach zu viel“, meint sie.

Die Gäste drinnen wie draußen erlebten ein eher durchwachsenes Ereignis. Bereits zum fünften Mal begleitete die Philharmonie Baden-Baden den Star, mittlerweile hat sich ein gutes künstlerisches Verhältnis entwickelt. Die Tücke einer Freiluft-Veranstaltung liegt in der Technik. So klangen trotz beeindruckendem Aufgebot an Lautsprechern viele Passagen wie aus dem Weltempfänger gequetscht. An farbliche Differenzierungen war selten zu denken. Hinzu kamen deutliche Intonationsprobleme, insbesondere bei Streichern und Holzbläsern.

Domingo gefiel mit einem gemischten Programm. Im ersten Teil nahm er sich schwere Kost vor, etwa das Lamento di Federico aus Francesco Cileas Oper „L’Arlesiana“. Es gelang ihm, eine emotional tiefgründige Interpretation abzuliefern und auch in dem großen Raum so etwas wie Intimität herzustellen. Zwei Mal musste er allerdings in der ersten Hälfte abbrechen. An seiner Stimme läge es nicht, meinte er und betonte, dass es ihm gut ginge. Trotz offensichtlicher Kraftanstrengungen aber hat der mittlerweile 66-jährige Spanier nichts von seinem unverwechselbaren Timbre verloren. Im zweiten Teil widmete er sich lustvoll der leichten Muse, durchstreifte Lehars „Lustige Witwe“ und unternahm einen Ausflug zu Richard Rogers’ „South Pacific“.

Ihm zur Seite stand die Sopranistin Ana-Maria Martínez aus Puerto Rico, sie hatte 1995 den Ersten Preis beim Placído-Domingo-Wettbewerb in Barcelona gewonnen und war unter anderem an der Wiener Staatsoper und der Deutschen Oper Berlin zu Gast. Nach einem zunächst etwas flach wirkenden Einstieg mit der Rosina-Arie „Una voce poco fa“ aus Rossinis „Barbier“, gelang es ihr später, mit deutlich mehr Sicherheit einige ansprechende Momente, vor allem dank einer soliden und reinen Höhe zu gestalten. Das abschließende Feuerwerk beendete einen Gala-Abend, der sicherlich nicht nur für den reinen Opernliebhaber gedacht war – die meisten von denen werden sich wohl lieber an Domingos Besuche auf den Weltbühnen erinnern anstatt an einen Abend mit Häppchen, belegten Brötchen, Bier und Sekt.

Veröffentlicht im Darmstädter Echo

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