Mittwoch, 22. August 2007

Interview mit dem Dirigenten Michael Tilson Thomas

Am Sonntag, 9. September ist das San Francisco Symphony Orchestra unter der Leitung von Michael Tilson Thomas in der Alten Oper zu Gast. Wir haben mit ihm über das Programm und seine persönlichen Erfahrungen mit der Musik gesprochen.


Sie werden Werke von Charles Ives, Sergej Prokofjew und Peter Tschaikowski spielen. Erzählen Sie uns etwas über das Programm und Ihren persönlichen Bezug dazu.

Ich habe Ives nie kennen gelernt, habe aber viel mit engen Freunden von ihm gearbeitet, etwa Aaron Copeland, Leonard Bernstein oder John Cage. Ich habe als junger Mensch viel Zeit mit seiner Musik verbracht. Für einen Fernsehsender war ich neulich in seinen Studios, seinen Häusern und an anderen Plätzen, an denen er seine Musik geschrieben hat. Seine Werke sind sehr persönlich, fast autobiografisch. Sehr fasziniert bin ich vom letzten Satz der dritten Sinfonie, die wir spielen werden. Er ist frei dissonant, aber enorm ausdrucksstark. Der einzige Weg, sich seiner Musik zu nähern, ist, sie mehrfach am Klavier zu spielen und zu eigenen persönlichen Entscheidungen über den Ausdrucksweg zu kommen. Tschaikowsky war sehr wichtig für mich. Ich habe seine erste Sinfonie erarbeitet, als ich in dem Alter war, in dem er sie geschrieben hat – 26. Es ist ein sehr elegantes Meisterstück, fast wie eine Mendelssohn- oder Schubert-Sinfonie mit brillanten Soli.


Der Solist bei Prokofiews Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op. 26 ist Yevim Bronfman. Haben Sie schon mit ihm zusammen gearbeitet und welche Erfahrungen haben Sie mit ihm gemacht?

Ich habe schon oft mit ihm zusammen gearbeitet. Das ist immer eine wunderbare Erfahrung, weil er ein großartiger Virtuose ist. Und er weiß, dass wir exakt zusammen arbeiten können. Als ich jung war, habe ich selbst viele der Stücke gespielt, die wir nun zusammen erarbeiten, so dass er sich auf mich verlassen kann.


Sie arbeiten mit zahlreichen Unterschiedlichen Orchestern zusammen, übernehmen CD-, Rundfunk- und Fernsehproduktionen. Wie verbinden Sie diese sehr unterschiedlichen Aufgaben miteinander?

In der Tat, sind das unterschiedliche Charaktere und Herausforderungen. Aber es gibt eine Art roten Faden. Ich mag es, Musik sehr ausdrucksstark und farbig, vielleicht auch etwas gefährlich zu gestalten. Die Menschen, mit denen ich arbeite, wissen das und mögen es. Durch die Akademie, die ich vor 23 Jahren gegründet habe, die „New World Symphony“, sind viele der Absolventen mittlerweile in den führenden amerikanischen Orchestern beschäftigt. Auf diese Weise treffe ich später viele von ihnen wieder. Und sie haben eine ähnliche Einstellung zur Musik wie ich, sie genießen sie auch als eine Freude.


In Deutschland gibt es zunehmend das Problem, dass immer weniger junge Menschen in klassische Konzerte gehen. Haben Sie einen Lösungsansatz dafür?

Da gibt es keine einfache Lösung. Das wichtigste ist, dass wir die Zukunft nicht als selbstverständliches Phänomen betrachten dürfen. Wir müssen daran arbeiten, diese faszinierende Tradition weiter zu führen. Das tun jetzt schon viele Menschen auf unterschiedliche Weise und ich kann sie alle nur darin bestärken, weiter zu machen.


Sie selbst arbeiten als Dirigent, Musiker, Lehrer und Komponist in einer Person. Gibt es so eine Art Leitmotiv in Ihrem Leben?

Für mich sind das alles Einzelteile eines großen Ganzen. Ich höre auch viel Musik und lese Gedichte. Das sind alles verschiedene künstlerische Ausdrucksformen. Dazu gehören auch schöne Tanzaufführungen oder wenn jemand etwas Besonderes kocht. Das ist alles das gleiche, nämlich Kunst.


Das Programm: Charles Ives: Sinfonie Nr. 3, Prokofiew: Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur Opus 26, Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 1 in g-Moll Opus 13

Weitere Informationen: www.rheingau-musik-festival.de

Veröffentlicht unter anderem im Wiesbadener Kurier und in abgewandelter Form in der Frankfurter Neuen Presse

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